Konstantin Pott (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einige Vorbemerkungen zum Redebeitrag der LINKEN. Ich möchte die Zahl, die Sie hinsichtlich der Armut bei Studentinnen und Studenten genannt haben, aufgreifen. Es handelt sich dabei nicht um die absolute Armut, sondern um die relative Armut. In der Wissenschaft ist es durchaus umstritten, ob man diese Zahl so ansetzen sollte. Andere sprechen von Armutsgefährdung. Gerade bei Menschen in der Ausbildung gibt es die Perspektive, diese zu beenden. Als Student befindet man sich in der Ausbildung und hat die Möglichkeit, vielleicht zeitnah eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und einen guten Job zu haben. Insofern sind die Punkte, die Sie angesprochen haben, zwar richtig, gerade in Bezug auf Corona, aber wir müssen an dieser Stelle auch ein bisschen differenzieren.

Eine Reform des BaFöG haben Sie angesprochen. Eine solche wird auf der Bundesebene unter der liberalen Bildungsministerin gerade forciert. Ich glaube, wir gehen an dieser Stelle richtige Schritte in Richtung eines elternunabhängigen Bafögs. Damit werden sich die Chancen für alle jungen Menschen in diesem Land erhöhen.

(Beifall bei der FDP)

Der Antrag spricht insgesamt ein ernstes Thema an, das viel zu oft in den Hintergrund rückt und für das wir eine gewisse Verantwortung tragen. Ich finde es schade, dass dieser Antrag in konfuser Manier lediglich einen bunt zusammengewürfelten und teilweise abenteuerlichen Zahlenkatalog präsentiert.

Armut hat viele Facetten. Wir als Freie Demokraten betrachten Armutsgründe, Auswirkungen, Betroffenheit und Wege zur Bekämpfung von Armut. Die Gründe für Armut sind vielfältig. Manche Armut ist temporär und verschwindet, wenn sich die Umstände ändern. Doch oft zieht sich Armut durch ein ganzes Leben und wird vererbt. Das haben wir in der Debatte schon häufiger gehört.

Das ist besonders tragisch, weil es zeigt, dass es nicht darum geht, sich bestimmte materielle Güter nicht leisten zu können, sondern weil es zeigt, dass Chancen, sich aus der Armut zu befreien, nicht entdeckt und genutzt werden können. Vererbte Armut zeigt, dass Kinder den Weg ihrer Eltern wiederholen, weil sie keinen anderen kennengelernt haben.

Armut bezieht sich nicht nur auf den Kontostand. Armut bezeichnet nicht nur materielle Lebensverhältnisse. Armut wird in einigen betroffenen Familien zu einem Lebensgefühl, und das gilt es, zu durchbrechen. Denn welchen Unterschied macht es bei den Kindern, die Chancen erkannt haben und nutzen konnten, die entdecken, dass sie etwas beizutragen haben und dafür nicht nur Lohn, sondern auch Anerkennung erhalten? Das spornt zu neuen Entdeckungen und zu neuen Leistungen an, auf die sie stolz sein können. Es geht darum, den Wiederholungskreis zu durchbrechen, und wiederum darum, die eigenen Kinder zu animieren, ihren Talenten zu folgen. Es geht darum, dass diese Kinder wissen, dass sie ihren Wert und ihren Platz in der Gesellschaft haben.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb geht es nicht nur um Geld. Gerade bei vererbter Armut geht es darum, Menschen zu befähigen, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen immer unabhängiger von staatlichen Transferleistungen zu gestalten. Es wäre naiv, zu glauben, dass das eine einfache Aufgabe ist. Die Bekämpfung von Kinderarmut benötigt die gesamte Gesellschaft, ob nun in der frühkindlichen Bildung oder in der Schulbildung, ob in Ausbildungsbetrieben oder an Fach- und Hochschulen. Auf dem Weg in das Erwachsenenleben brauchen Kinder aus von Armut betroffenen Familien besondere Unterstützung. Sie brauchen Erzieher und Pädagogen, die ihnen Chancen geben, die ihnen dabei helfen, ihre Begabungen zu erkennen und die ohne Vorurteile an sie glauben.

Talentschulen werden einen enormen Beitrag leisten, Talente dort zu sehen, wo bisher nur Hilfebedarf gesehen wurde.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! In Zeiten, in denen Fachkräfte fehlen, in denen auch geringer Qualifizierten Türen zu Jobs offenstehen, von denen sie vermutlich vor zehn bis 15 Jahren nicht einmal träumen konnten, sollte es uns gelingen, Einkommensarmut zu beenden. Ein Umdenken in den Unternehmen aber auch im öffentlichen Dienst, Talente gezielt zu fördern, statt auf Defiziten herumzureiten, wird nötig sein. Aber dies wird sich lohnen; denn nie waren die Chancen dafür besser.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt einige weitere Aspekte, die zu berücksichtigen sind. Verschiedene Bundesregierungen haben sich mit verschiedenen Maßnahmen und unterschiedlichem Erfolg der Armutsbekämpfung bereits angenommen. Die Arbeitsgruppe zur Entwicklung der Kindergrundsicherung wird all diese Erfahrungen jetzt einbeziehen, alle Aspekte sorgfältig prüfen und dann ihr Konzept vorlegen. Dass eine eigenständige und sanktionsfreie Grundsicherung für Kinder und Jugendliche in Höhe von mindestens 700 €, wie es DIE LINKE in diesem Antrag fordert, all die gerade beschriebenen Probleme löst, bezweifle ich.

Dass die Landesregierung kommunale Wohnungsunternehmen veranlassen könnte, ihnen Teile der ihnen obliegenden Entscheidungen vorzuschreiben, halte ich nicht nur rechtlich für problematisch. Das Gleiche gilt für das pauschale Einfrieren der Mieten zum 31. Dezember 2021. Diese Forderung hat mehr mit sozialem Aktionismus oder Populismus als mit gezielter Armutsbekämpfung zu tun.

Sehr geehrte Damen und Herren! DIE LINKE hat in ihrem Antrag viele zahlenmäßige Vorschläge gemacht, um wie viel Euro oder Prozent die einzelnen Sozialleistungen ansteigen müssten, um Armut zu bekämpfen. Nicht eine Forderung dieses Antrags beinhaltet Ideen, wie wir Menschen in die Lage versetzen können, ihre Talente und Begabungen im Sinne der Ermutigung und Unterstützung ihrer Einkommensverhältnisse zu verbessern. Doch gerade das ist der Schlüssel für ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben und der Schlüssel für Freiheit.

(Beifall bei der FDP)

Ich freue mich auf die Ausschussberatungen. Wir stimmen der Ausschussüberweisung zu. - Vielen Dank.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Warten Sie einmal, Herr Pott. Es gibt eine Frage von Frau von Angern. Möchten Sie diese beantworten?


Konstantin Pott (FDP):

Sehr gern.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Dann können Sie sie stellen, bitte.


Eva von Angern (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Pott, ich hatte vor einigen Jahren mit Ihrer Parteikollegin Frau Suding zu tun. Frau Suding hat bei mir einen gänzlich anderen Eindruck hinterlassen als Sie mit Ihren heutigen Ausführungen. Sie setzte sich für das sogenannte Kinderchancengeld ein. Sie sagte ganz klar, wenn Eltern überfordert sind, Leistungen in Anspruch zu nehmen, dann muss der Staat dafür sorgen, dass das Geld bei den Kindern ankommt. Sie wollte verschiedene Leistungen bündeln, ähnlich wie bei der Kindergrundsicherung, zusammengefasst unter #Kindergeld2.0. An dem Namen halte ich mich jetzt nicht fest.

Alles das, was Sie heute gesagt haben, ist bei mir so angekommen, dass Kinder sich selbst ihrer Verantwortung bewusst werden müssen und sich selbst aus der Armut befreien müssen.

(Zuruf von der FDP)

Bei den Erwachsenen war mir das im Zusammenhang mit der FDP klar; bei den Kindern ist das für mich ein ganz neuer Weg. Mich würde interessieren, wie Sie sich das konkret mit der Selbstverantwortung von Kindern, aus der Armut herauszukommen, vorstellen.

Ein nächster Punkt. Sagen Sie doch bitte einmal ganz konkret: Was ist an unserem Antrag abenteuerlich?

(Zuruf von der AfD: Der Antragsteller!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie haben das Wort, Herr Pott.


Konstantin Pott (FDP):

Der erste Punkt. Ich glaube, ich habe zum Thema Kindergrundsicherung auch in meiner Rede darauf aufmerksam gemacht, dass wir natürlich evaluieren und schauen wollen, wie wir bestimmte Dinge bündeln, entbürokratisieren und leichter zugänglich machen können. Ich glaube, dazu habe ich etwas gesagt.

Der zweite Punkt. Es geht darum, dass wir Kindern und Jugendlichen die Chance geben, sich aus dieser Armut zu befreien, und dass sie versuchen, sich unabhängig von staatlichen Förderungen zu machen. Denn es geht doch darum, dass    

(Eva von Angern, DIE LINKE: Es geht um Kinder, Herr Pott! Kinder von null bis 14!)

- Lassen Sie mich doch erst einmal ausreden. - Es geht doch darum, dass Kinder und Jugendliche auch erfahren, was es heißt, sich selbst etwas aufzubauen, was es heißt, Erfolg zu haben, und was es heißt, Anerkennung zu bekommen. Das gelingt uns nicht, wenn wir immer nur sagen: immer nur mehr Geld, immer nur mehr Geld. Dass bestimmte staatliche Unterstützungen, darunter auch finanzielle Unterstützungen, notwendig sind, habe ich gar nicht bezweifelt. Nur ist doch die Frage, ob wir jetzt einfach nur sagen, wir packen überall mehr Geld drauf. Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

Vielmehr müssen wir dahin kommen, dass junge Menschen motiviert werden, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und sich selbst etwas aufzubauen. Darum geht es.

Die dritte Frage habe ich jetzt vergessen. Wenn Sie diese noch einmal ganz kurz    

(Kathrin Tarricone, FDP: Abenteuerlich!)

- Abenteuerlich. - Ich glaube, dazu habe ich auch gerade ein bisschen ausgeführt. Alles muss auch finanziert werden. Ich glaube, es ist nicht der richtige Weg, wenn wir gerade diejenigen Generationen, die wir unterstützen wollen, finanziell einschränken, indem sie nämlich in Zukunft mit dem Landeshaushalt selbst nicht mehr die Möglichkeit haben, Dinge zu gestalten. Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg, sondern es gehört auch dazu, dass wir eine generationengerechte Finanzpolitik betreiben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)