Olaf Meister (GRÜNE):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kernfrage, die dieses Gesetz aufwirft, ist die danach, was uns das Kulturgut Sonntag wert ist. Auch jenseits der religiösen Bedeutung, die nur von einer Minderheit in unserer Gesellschaft gelebt wird, hat der Sonntag eine wichtige, die Gesellschaft verbindende Bedeutung. Er gibt der Woche einen Rhythmus, führt Familien zusammen, ist gemeinsamer Ruhetag und Freizeit. Er ist halt anders als die anderen Tage. Gerade in unserer vielfältiger gewordenen Gesellschaft sind solche verbindenden Elemente wichtig.
Die Koalition will nun einen weiteren Schritt zur Aufweichung des Sonntags gehen. Mit der Ausweitung der Möglichkeit verkaufsoffener Sonntage soll der Tag bewusst noch etwas stärker zu einem normalen Tag gemacht werden. Im Gesetz stehen nur die vier Tage. Die sechs Tage sind schon in der Diskussion. Bei sechs Tagen sind wir tatsächlich dabei, 10 % der Sonntage sind erst einmal verkaufsoffen.
Zu bedenken ist auch noch die kommunale Unterschiedlichkeit der Anwendung. Also, irgendwo im Umkreis ist immer verkaufsoffen.
Mit der Schaffung des unbestimmten und damit auch unsicheren neuen Begriffs des öffentlichen Interesses an der Belebung der Gemeinde oder eines Ortsteils oder an der überörtlichen Sichtbarkeit der Gemeinde leistet man dann allen Beteiligten tatsächlich einen Bärendienst. Das ist die zentrale Neuregelung, die wir eigentlich in diesem Gesetz finden.
§ 7 Abs. 3, mit dem versucht werden soll, das Ganze irgendwie verfassungskonform einzufangen, ergießt sich dann in einer Länge, die viele literarische Werke in den Schatten stellt. Bisher umfasste die funktionierende Regelung insgesamt neun Zeilen. Nun wären es insgesamt 53 Zeilen mit wirklich sehr speziellen Regelungen. Wir haben eine Versechsfachung des Gesetzestexts bei im Prinzip, theoretisch, ähnlicher Regelung, nämlich für sechs statt vier Tage. So viel zum Thema Entbürokratisierung.
Wenn mir die Kollegen von der Koalition im Wahlkampf noch einmal mit Entbürokratisierung kommen, dann werde ich immer dieses Beispiel zur Hand haben, was es in der Praxis tatsächlich bedeutet.
Sowohl von der Länge als auch von den Widersprüchen her könnte Hollywood geneigt sein, die Regelung zu verfilmen.
(Ulrich Thomas, CDU: Geht es auch eine Nummer kleiner?)
Ich gucke es mir dann aber nicht an.
Dementsprechend verheerend sind die Stellungnahmen der künftigen Rechtsanwender. Nicht nur Kirchen und Gewerkschaften sind auf der Zinne, auch die Wirtschaft schickt Briefe und weist darauf hin, dass sie nicht mehr Sonntage will - das schreiben sie, sie wollen nicht mehr Sonntage -, sondern eine rechtssichere Anwendung. Das war deren Idee.
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Mit diesem eher poetisch wirkenden Werk wird das nichts werden.
(Siegfried Borgwardt, CDU: Was?)
Der Sinn des Vorhabens - meine Fraktion hatte in der vergangenen Legislatur einen ähnlichen Vorstoß verhindert; Sie erinnern sich; es steht in der Gesetzesbegründung; die Diskontinuität - bleibt rätselhaft. Wir beleben nicht die Innenstädte, wenn wir die Center auf der grünen Wiese nun auch noch sonntags öffnen. Wenn das tatsächlich die einzige Lösung ist, dass wir zwei Tage länger aufmachen, dann tut es mir leid.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Wir haben wirklich massive Probleme. Das ist so. Das sind städtebauliche Fragen. Das sind wirklich grundlegende Fragen. Das ist aber keine Frage von zwei Sonntagen mehr. Gerade die inhabergeführten Geschäfte haben davon keinen Vorteil und sagen das auch deutlich. Dass nun gerade der Onlineeinkaufende am siebenten Tag sagt, jetzt gehe ich doch in die Innenstadt, das ist unrealistisch.
So sinnvoll ist der Entwurf nicht. Einer Überweisung werden wir aber doch zustimmen. Wir haben überlegt. Die Fraktion DIE LINKE lehnt es ab. Wir wollen uns der Diskussion stellen. Das werden wir tun. - Danke.
(Beifall bei den GRÜNEN)