Holger Hövelmann (SPD): 

Vielen herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich für die Debatte bedanken. Das meine ich ganz ehrlich. Es ist ja selten so, dass wir eine so große Übereinstimmung in diesem Hohen Hause haben über die Feststellung: Welche Probleme und Aufgaben liegen vor uns und wie bekommen wir es gemeinsam verabredet, diesen Herausforderungen zu begegnen? Dafür ein herzliches Dankeschön. Ebenso für die Aussage der beiden Oppositionsfraktionen, dass Sie unseren Antrag mittragen können, bin ich Ihnen ausdrücklich dankbar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD-Fraktion, mit Verlaub:

(Zuruf von der AfD: Wir sind die Besten!)

Sie behaupten, es gäbe überhaupt keinen Bedarf an einer Landesregelung. Ich habe Ihnen von der Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Tourismus im Februar berichtet, bei der die Vertreter Ihrer Fraktion zugegen waren. Entweder haben Sie den Anzuhörenden nicht zugehört oder Sie waren mit anderen Dingen beschäftigt. Es war die ausdrückliche Aufforderung   a l l e r   Angehörten, dass die Politik, dass wir aktiv werden sollen. Das werden wir an dieser Stelle. Das komplett zu negieren und dann zu behaupten, der Markt würde das schon regeln, finde ich an dieser Stelle jedenfalls nicht sachgerecht. Ich finde es auch denen gegenüber nicht richtig, die sich als Anzuhörende eingebracht haben.

Eine Bemerkung, lieber Kollege Thomas, muss ich loswerden, weil Sie gesagt haben, Sie können sich nicht vorstellen, dass später einmal ein Traktor elektrisch übers Feld fährt. Ich war gestern zu Gast beim Bauerntag des Bauernverbandes Anhalt e. V. in Ragösen. Dort hat tatsächlich jemand einen Vortrag über Fotovoltaik auf dem Acker gehalten. Er fragte anschließend in die Runde: Wofür brauchen wir das? - Weil wir als Landwirte selbst den entsprechenden Energiebedarf haben, um mit unseren Fahrzeugen auf den Acker zu kommen, ihn zu bestellen, zu ernten. Alles, was damit zusammenhängt. 

Und: Wenn das künftig - warum auch immer - mit Diesel nicht geht oder der Preis für Diesel ins unermesslich Teure steigt, dann überlegen sie tatsächlich, wie sie das mit Elektroenergie schaffen.

Es gibt bereits heute - er hat solche Beispiele als Bilder an die Wand geworfen - Hersteller, John Deere und andere, die tatsächlich in der Lage sind, einen elektrisch angetriebenen Traktor anzubieten, der eine Arbeitszeit von sechs bis acht Stunden ermöglicht. Damit - das war die Aussage der Bauern gestern - könne man sogar wirtschaftlich auf dem Acker arbeiten. Ich glaube, dahin geht die Zukunft.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich bin nun nicht der Ingenieur, der das alles bis ins letzte Detail weiß. Andere hier im Raum sind diesbezüglich klüger als ich. Aber bei dem, was ich höre und wahrnehme, kriege ich mit, an der Stelle bewegt sich etwas. Das finde ich richtig toll. 

Wir stehen jetzt vor der Entscheidung: Findet die Automobilproduktion in Deutschland künftig mit dem oder ohne den Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt statt?

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE) 

Ich sage Ihnen, ich hätte ganz gern „mit dem Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt“.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich hätte ganz gern, dass viele Menschen hier etwas daran verdienen, dass die Kommunen Steuereinnahmen haben und dass sich das Land gut weiterentwickelt. Das machen wir mit diesem Antrag, glaube ich, ganz gut. Jedenfalls schaffen wir damit ganz gute Voraussetzungen, dass das so funktioniert. 

Gestatten Sie mir abschließend eine Bemerkung; denn das ärgert mich tatsächlich. Ich habe vorhin auf Ihre Intervention, Herr Scharfenort, nicht reagiert. Ich habe deshalb nicht reagiert, weil ich der Meinung war, das muss man einmal so stehen lassen, ohne dass man es kommentiert. 

Aber Sie haben nahezu jedem Redner hier am Pult im Nachgang - ich sage es salopp - den gleichen Unsinn vorgeworfen. Wenn Sie denn mit Ihrer großen Fachexpertise und Ihrem Blick auf die Zukunft der Automobilindustrie in Deutschland so perfekt unterwegs sind, vielleicht haben BMW, Mercedes oder Volkswagen dann eine Stelle im Vorstand für Sie, damit Sie dort die deutsche Automobilindustrie nach vorn bringen. 

(Zuruf von der AfD: Ja! - Weitere Zurufe)

Ich finde das nur noch peinlich. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Hövelmann, es gibt zwei Interventionen, keine Fragen. Sie entscheiden, ob Sie hier vorn stehen bleiben wollen. - Zunächst spricht Herr Lieschke. Dann hat sich Herr Scharfenort angestellt.


Matthias Lieschke (AfD): 

Lieber Herr Hövelmann, Sie haben sich auf meine Rede bezogen und haben darauf abgestellt, dass wir die Förderung der Automobilindustrie ablehnen und gerade die Unternehmen, die jetzt im Wandel stehen, nicht unterstützen möchten. Ich möchte klarstellen, dass das nicht so ist. Das heißt, wir müssen dort in die Förderungen eingreifen, wo die Betriebe Hilfe brauchen. Das werden wir tun. Ich bin aber der Meinung, dass das Mittel, zu dem Sie jetzt greifen, nicht das richtige ist, vor allem weil keine Zahlen vorhanden sind und die Hintergrundinformationen fehlen. Das heißt, wir werden selbst Anträge entwickeln, mit denen wir die Automobilindustrie gezielt in ihrem Wandel unterstützen werden. Das wollte ich nur einmal klarstellen. Also: Wir stehen hinter der Automobilindustrie. - Danke schön.

(Zustimmung bei der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Hövelmann, bitte.


Holger Hövelmann (SPD): 

Dann will ich doch ganz gern noch einen Satz dazu sagen, Frau Präsidentin. - Herr Lieschke, ich möchte gern einmal nachlesen, was Sie tatsächlich gesagt haben. Ich habe mir während Ihrer Rede notiert, dass es aus Ihrer Sicht keinen Bedarf an einer Regelung des Landes für eine Unterstützung der Unternehmen gibt.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja!)

Ich habe mir auch den Satz „Der Markt regelt das“ notiert.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja! - Siegfried Borgwardt, CDU: Genau so ist es!) 

Das ist das Gegenteil von dem, was Sie in Ihrer Intervention soeben erklärt haben.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Danke sehr. - Jetzt bitte, Herr Scharfenort.


Jan Scharfenort (AfD): 

Natürlich ist es richtig, Herr Hövelmann, dass die Automobilindustrie, wenn sie am Abgrund steht, dank Ihrer Politik gerettet werden sollte. Natürlich fordert sie betriebswirtschaftlich Unterstützungs /Hilfsmaßnahmen; das ist völlig legitim. Aber wir als Politiker und auch ein Minister haben das gesamtvolkswirtschaftliche Wohl im Blick zu haben. Es geht immer darum, bestimmte Entwicklungen mit möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten zu begleiten. Das ist genau das, was Sie nicht im Blick haben. 

Es ist doch völlig legitim, wenn ein Zulieferer jetzt Förderhilfe und Fördermaßnahmen fordert. Was soll er denn aufgrund Ihrer Politik sonst machen? Eine marktwirtschaftliche Lösung, von Anfang an die richtige Politik zu machen, wäre sowohl für die Unternehmen als auch für die Bürger das Beste. Letztendlich wäre das auch für unser Land, für unser Fortkommen und für den gesamten Wohlstand unserer Gesellschaft die richtige Politik. Das machen andere Länder vor allen Dingen außerhalb Europas wesentlich erfolgreicher; dahin sollten Sie schauen. Sprechen Sie einmal mit Cios (?). Die verschaffen Ihnen einen internationalen Blick. Dann haben Sie nicht immer den Fokus von Deutschland aus, sondern einen internationalen Blick.

(Zustimmung bei der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Hövelmann, bitte.


Holger Hövelmann (SPD): 

Herr Scharfenort, Ihrer Bewertung, dass die deutsche Automobilindustrie am Abgrund steht und deshalb Unterstützung bei der Politik einfordert, kann ich nichts abgewinnen. 

(Zuruf von Hannes Loth, AfD)

Wenn ich die Nachrichten der letzten Tage und Wochen richtig in Erinnerung habe, hat VW ein Riesenergebnis vor Steuern erreicht. Mercedes und BMW haben Absatzrekorde in der Elektromobilität zu verzeichnen.

(Zuruf von der AfD: Ich spreche von den sachsen-anhaltinischen Zulieferern! - Weitere Zurufe von der AfD)

- Es gibt keine sachsen-anhaltinischen Automobilfirmen, die Autos herstellen.

(Unruhe - Zuruf: Sie hätten umbauen müssen! - Weitere Zurufe)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben interveniert, also müssen Sie sich auch anhören, was ich Ihnen darauf gern erwidern möchte.

Erstens. Die deutsche Automobilindustrie ist eine der erfolgreichsten auf diesem Planeten.

(Christian Hecht, AfD: Richtig! - Weitere Zurufe von der AfD)

Das soll sie auch bleiben.

(Zurufe)

Das wird sie auch bleiben, wenn wir den richtigen Rahmen dafür setzen. - Das machen wir. 

(Unruhe)

Zweitens. Wir wollen, dass die deutsche Automobilindustrie nicht nur in den Ländern erfolgreich wirtschaftet, in denen sie ihre Produktionsstandorte für das Zusammenschrauben und Fertigstellen der Fahrzeuge hat, sondern auch in den Ländern tätig ist, in denen die Teile dafür hergestellt werden. Dazu gehört Sachsen-Anhalt. Deshalb dieser Antrag. Der wird so beschlossen werden. Wir werden - davon gehen wir aus - damit eine gute Grundlage dafür schaffen, 

(Christian Hecht, AfD: Wir sprechen uns wieder!)

dass die Firmen in diesem Land diesen Strukturwandel gut überstehen und in Zukunft Menschen Arbeit haben, dass Kommunen Industrie vor Ort haben, Steuern erzielen und dass all das erreicht wird, was uns als Politik im Land Sachsen-Anhalt wichtig ist. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)