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Tagesordnungspunkt 20
Beratung
Gewaltenteilung und unabhängige Justiz festigen
Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/1007
Alternativantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1054
Alternativantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/1057
Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP- Drs. 8/1063
Herr Lizureck, Sie haben das Wort. Sie dürfen den Antrag einbringen. - Wir konzentrieren uns. Die Zeit ist schon weit an diesem Freitag fortgeschritten.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Es geht bei meinem Antrag um eine minimale Ergänzung des § 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes, mit der wir dem Gewaltenteilungsprinzip, wie es im Grundgesetz festgeschrieben ist, maximalen Nutzen bringen wollen. Die Gewaltenteilung ist das tragende Organisationsprinzip eines Rechtsstaats. Sie wird verfassungsrechtlich vorgegeben durch Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes und Artikel 2 Abs. 2 der Landesverfassung.
Der § 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes verleiht dem Justizminister als Teil der Exekutive das Recht, durch unmittelbare Weisung in die Arbeit der nachgeordneten Staatsanwaltschaften einzugreifen. Der kurze Wortlaut des § 146 ist dazu sehr eindeutig: Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Weisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.
Die minimale aber wesentliche Ergänzung des Textes könnte lauten: Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den allgemeinen dienstlichen Weisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen. - Allgemeine interne Weisungen des Ministers sind unproblematisch, wenn es z. B. darum geht, die Strafverfolgung in einem Land zu vereinheitlichen. Das kann z. B. eine Weisung sein, die Beförderungserschleichung das kennen wir alle unter dem Begriff Schwarzfahren , erst im Wiederholungsfall anzuklagen.
Das Problem ist, dass § 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes die legale ministerielle Handhabe liefert, in Einzelfälle einzugreifen. Nicht das allgemeine Weisungsrecht, sondern das Einzelweisungsrecht ist das Problem. Ich will nicht behaupten, dass das die Regel ist. Es reicht aber aus, dass es möglich ist, auf den Schreibtisch eines Staatsanwalts hineinzuregieren. Schon die Möglichkeit reicht aus; auf konkrete Fälle kommt es hierbei nicht an.
Eine Entscheidung des EuGH vom Mai 2019 zeigt, dass wir uns das Problem nicht nur einbilden und es sogar hochsensibel ist. Es ging dabei um den Erlass eines europäischen Haftbefehls durch deutsche Staatsanwaltschaften. Danach könnten deutsche Staatsanwaltschaften keine ausstellende Behörde im Sinne des Rahmenbeschlusses über den europäischen Haftbefehl sein, weil dieser voraussetzt, dass die ausstellende Justizbehörde Gewähr für ein unabhängiges Handeln im Rahmen des europäischen Haftbefehls bietet.
Zur Erklärung heißt es: Zwar seien deutsche Staatsanwaltschaften der Objektivität verpflichtet, doch könnten sie bei ihrer Entscheidung über die Ausstellung eines europäischen Haftbefehls von der Exekutive beeinflusst werden, da nach § 146 und § 147 Abs. 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes die Gefahr ministerieller Einzelweisungen bestehe.
Seither besteht für den Bundesgesetzgeber eigentlich Handlungsbedarf. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, damals noch von Frau Christine Lambrecht geleitet, ließ unter der letzten Regierung Merkel einen Referentenentwurf zur Neufassung des § 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes erarbeiten. Der Auszug liegt mir vor, darin heißt es:
„Es ist nicht auszuschließen, dass der EuGH diese Rechtsprechung künftig auf weitere Instrumente der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen […] übertragen wird und die Staatsanwaltschaften in der Bundesrepublik Deutschland […] als Anordnungs- […] und Vollstreckungsbehörden ausfallen könnten.“
Denken Sie jetzt einmal an deutsche Auslieferungsersuche. Damit droht Schaden für die Justiz in Deutschland insgesamt. Zur Umsetzung dieses Referentenentwurfs in der Bundesgesetzgebung kam es bis zur Bundestagswahl 2021 nicht mehr. Die neue Bundesregierung das wissen wir alle hat ganz andere Sorgen. Das Thema ist also nicht etwa nur ein Ladenhüter, sondern ein Dauerbrenner. Die Abschaffung des Einzelweisungsrechts bei Staatsanwälten ist eine alte Forderung des Deutschen Richterbundes wie auch des Europarats.
Wir halten fest: Es gibt in Europa das Leitbild einer unabhängigen Strafverfolgungsbehörde, dem die deutschen Staatsanwaltschaften wegen möglicher willkürlicher Eingriffe seitens der Exekutive nicht entsprechen. Umso wichtiger ist es, dass sich das Land Sachsen-Anhalt über den Bundesrat der Problematik annimmt, um Schaden für die Strafverfolgung nicht nur in Sachsen-Anhalt abzuwenden.
Es wird sich zwar auch in Zukunft nicht verhindern lassen, dass ein Staatsanwalt politisch unter Druck gesetzt wird. Es lässt sich jedoch verhindern, dass dies ganz legal geschieht und somit für die Verantwortlichen vollkommen folgenlos bleibt. Genau das ist der Kern unseres Antrages.
Meine Damen und Herren! Unser Antrag ist nicht alternativlos. Die Alternative wäre aber, alles beim Alten zu belassen und die konkreten Nachteile für die deutsche Strafverfolgung im internationalen Rahmen einfach hinzunehmen.
Die Herauslösung der Staatsanwaltschaften aus dem Verantwortungsbereich der Justizministerien ist jedoch zwingend geboten. Das ist in vielen Ländern Europas der Fall, wo ein sogenannter Justizkanzler oder auch ein Generalstaatsanwalt die Staatsanwaltschaften leitet und auch Einstellungen und Ernennungen vornimmt.
Dabei fällt auf, dass es genau die Länder sind, die in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit politischer Korruption machen mussten; allen voran, denke ich, kann man Italien nennen. Obwohl auch dort der Justizminister die politische Verantwortung trägt, ist ihm jeglicher Eingriff in die Strafverfolgung faktisch ausdrücklich verwehrt.
Im Ergebnis haben alle mit dieser Neuordnung ihres Justizwesens gute Erfahrungen gemacht und sich stabilisiert. Diesen Ländern ist es damit gelungen, das Prinzip der Gewaltenteilung konsequent umzusetzen, während wir solche systematischen Durchbrechungen, wie die einzelne Weisungsbefugnis trotz steigenden Drucks hinnehmen.
Wir alle wissen, Bund und Länder haben sich in der Vergangenheit die Bälle gegenseitig zugespielt, um sich der politischen Verantwortung zu entziehen. Aber genau das muss im Interesse eines intakten Rechtsstaates ein Ende finden. Und Sachsen-Anhalt kann dazu den Anschluss liefern.
Unterbrechen wir also heute und hier diesen Teufelskreis und stellen uns an die Spitze einer Justizreform, an deren Ende auch der leiseste Zweifel an der Objektivität und Neutralität der Strafverfolgung ausgeräumt werden kann. Zur inhaltlichen Diskussion und konkreten Ausgestaltung beantragt die Fraktion der AfD die Überweisung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Verbraucherschutz. - Ich bedanke mich.
(Beifall bei der AfD)