Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE verlangen, zur Entscheidung des Sozialausschusses über den Entwurf der WTG-Mindestbauverordnung die Entscheidung des Landtages herbeizuführen. Das ist ihr gutes Recht. Ungewöhnlich dabei ist nur, dass die Entscheidung des Sozialausschusses keine Stellungnahme zum Verordnungsentwurf abzugeben, mit nur einer Enthaltung, die im Übrigen hier nicht von der hier antragstellenden Fraktion DIE LINKE abgegeben worden ist, getroffen wurde.

(Zustimmung von Konstantin Pott, FDP)

Deswegen hatte ich mich nach der Sitzung des Ausschusses bereits sehr gefreut, dass nunmehr die vielen wesentlichen Verbesserungen, auch für die Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen, auf den Weg gebracht werden können, denn unsere Heimmindestbauverordnung ist nicht nur in die Jahre gekommen, sie hängt Jahrzehnte hinterher. Die Menschen in unserem Land haben es endlich verdient, dass wir mehr machen.

Diese Verbesserungen möchte ich exemplarisch noch einmal besonders deutlich herausstellen: Die Nutzung von Drei- oder Vierbettzimmern   das gibt es in unserem Land immer noch   soll nicht mehr zulässig sein. Einzelzimmer   und das hat für viele etwas mit Würde zu tun   werden nun mehr empfohlen. Die Wohnflächen für den Wohn-Schlaf-Raum werden mit 14 m² für Einzelpersonen und 22 m² für Zweibettzimmer angepasst.


Der Wohnraum muss mindestens einen Wohn-Schlaf-Raum mit dazugehörigem Sanitärraum umfassen. Wir haben es hier in unserem Land auch noch immer, dass Menschen nicht den Sanitärraum in ihrem Zimmer haben, in ihrer Wohnung haben. Und das müssen wir und das wollen wir auch ändern.

Zukünftig wird es eine Mindestausstattung mit Zugangsmöglichkeiten zu Rundfunk, Fernsehen und Internet in Wohn- und Gemeinschaftsräumen von stationären Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe geben. Darüber hinaus müssen Wohnräume über Telefonanschlüsse und für pflegebedürftige Bewohner und Bewohnerinnen über Rufanlagen verfügen.

Dies sind aus meiner Sicht elementare Verbesserungen, die wir den Betroffenen, also Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen, auch schuldig sind. Und gerade in den Hochphasen der Pandemie hat sich gezeigt, wie ungeheuer wichtig etwa moderne Kommunikation sein kann.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, gleichwohl möchte ich nicht den Eindruck erwecken, mich mit der geäußerten Kritik nicht auseinandersetzen zu wollen.

(Ulrich Siegmund, AfD: Naja!)

Ganz im Gegenteil. Mein Haus hat hier sehr gründlich geprüft und abgewogen. Es ist aber letztlich doch zu dem Schluss gekommen, dass die vorgetragenen Gründe nicht durchschlagen. Lassen Sie mich eines vorweg sagen: Selbstverständlich haben wir die betroffenen Verbände angehört. Das ist eine Anhörung. Wir müssen aber nicht alle Vorschläge auch in dem Verordnungsentwurf umsetzen, sondern wir haben abzuwägen, was zum Vorteil des Landes und der Menschen, die hier leben und für die wir das machen, in den Verordnungsentwurf aufzunehmen ist.

Und das haben wir in unserer Anhörung im Jahr 2019 auch sehr umfassend getan. Änderungen, die im Nachgang zu dieser Anhörung stattfanden, haben lektoratorische Bedeutung. Ich will Ihnen gern erläutern, warum. Die WTG-Mindestbauverordnung nimmt auf die besondere Situation von Menschen mit Behinderungen Rücksicht, für die das Wohnen in einer besonderen Wohnform häufig die passende Lebensform zu sein scheint. Das hat oft nachvollziehbare pragmatische Gründe, aber auch eine einrichtungszentrierte Tradition.

Es hat aber auch juristische Gründe. Das Bundesteilhabegesetz untermauert genau diesen Ansatz gesetzlich. Deshalb halte ich es für angemessen, dass eine programmatische Deklaration des Rechts auf freie Wahl des Wohnortes in einer Verordnung platziert wird, die sich mit der Gestaltung von Wohnen befasst.

Die Inanspruchnahme einer besonderen Wohnform soll für die Leistungsberechtigten, die es wünschen, selbstverständlich möglich sein. Bereits im Jahr 2007 forderte der Landesbehindertenbeirat die Landesregierung auf, sich dem Prinzip ambulant vor stationär entsprechend gegen die Ausweitung von stationären und teilstationären Angeboten zu positionieren und sogar die Zahl der stationären Plätze möglichst zu reduzieren.

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Das Ziel der Landesregierung besteht darin, die Autonomie von Menschen mit Behinderungen unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts im Bereich Wohnen zu wahren und zu stärken. Das Land als Träger der Eingliederungshilfe und die Rahmenvertragsparteien nach § 131 des neunten Gesetzbuches arbeiten gemeinsam daran, diesen Strukturwandel von der leistungsrechtlichen Seite im Sinne der Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen.

Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang Wohngruppenangebote, aber natürlich auch die Schaffung von Einbettzimmern in besonderen Wohnformen, ggf. durch die Erweiterung vorhandener Einrichtungen einschließlich von Ersatzneubauten. Diese Entwicklung zu mehr Vielfalt soll auch in der vorliegenden Verordnung zum Ausdruck gebracht werden, die die Lebenswelt der Leistungsberechtigten positiv prägen wird.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der vorliegende Verordnungsentwurf ist ein besonders wichtiger erster Schritt zur deutlicher Verbesserung der Wohn- und Lebenssituation von pflegebedürftigen Menschen und Menschen mit Behinderungen.

Ich stehe hier, weil ich genau für diese Verbesserungen eintrete und diese zeitnah umsetzen möchte. Gern stehe ich auch zur Verfügung, wenn es um weitere Verbesserungen geht. Das ist selbstverständlich. Bereits jetzt möchte ich einen diesbezüglichen Fachtag ankündigen, der noch in diesem Jahr unter Einbeziehung aller Beteiligten stattfinden wird. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)