Wulf Gallert (DIE LINKE): 

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben tatsächlich eine Situation, in der wir als Oppositionsfraktion ausdrücklich einem Antrag der Koalition zustimmen. Das will ich doch einmal erwähnen, weil das nicht so häufig ist. Die Euphorie meines Kollegen Herrn Meister würde ich in dieser Ausprägung nicht teilen, 

(Olaf Meister, GRÜNE: Oh!)

aber man sieht, es gibt Fortschritte, und dann kann man sich auch einmal freuen. Natürlich haben wir die Situation beachtet. Wir haben dazu in der Vergangenheit Anträge gestellt. Es gab eine interessante Anhörung im Wirtschaftsausschuss dazu mit verschiedenen Experten. Für die Fraktion DIE LINKE hat Prof. Klaus Dörre aus Jena einige Studien in diesem Kontext vorgestellt, und ich glaube ganz ausdrücklich, es gibt zwei Botschaften, die von dieser Debatte ausgehen müssen.

Erstens. Die Transformation im Automotive-Bereich ist irreversibel. Wer sie nicht gestaltet, wird auf der Verliererseite stehen. 

Punkt 2. Diese Gestaltung muss tatsächlich in einer politischen Verantwortung auch durch die öffentliche Hand passieren. Das wird der Markt nicht allein richten. 

Diese beiden Botschaften gehen von diesem Antrag aus, und deshalb stimmen wir ihm zu. 

Warum haben wir uns aber trotzdem hingesetzt und einen Änderungsantrag geschrieben? Weil wir eine andere Dimension ebenfalls in diesen Bereich hineinbringen müssen. Wir haben es in diesem Bereich mit der Situation zu tun, dass wir gerade in der Bundesrepublik Deutschland einen Wertschöpfungsprozess haben, eine industrielle Ausrichtung, die ganz dominant auf den Automobilbau ausgerichtet ist. Man könnte schon fast sagen, diese Kernkompetenz der bundesrepublikanischen Wirtschaft hat unter anderem dazu geführt, dass die Bosse aus diesem Bereich so mächtig waren, dass sie auf der politischen Bühne lange versucht haben, und zwar erfolgreich versucht haben, notwendige Innovationen zu unterbinden, was nun wiederum dazu führt, dass der ganze Bereich unter extrem hohem Druck steht, weil andere Länder bei der Entwicklung von nichtfossilen Energieträgern für den Automobilbereich schon viel erfolgreicher gewesen sind. Das ist die eine Tatsache, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben. 

Die andere Tatsache ist aber, dass man sich einmal anschauen muss, wie sich zum Beispiel Zulassungszahlen in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten zehn Jahren entwickelt haben, wie sich Produktionszahlen von Pkw in den letzten zehn Jahren in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt haben. In beiden Fällen ist es klar, dass es eine deutliche Absenkung gibt. Das heißt, zumindest was die Stückzahlen anbelangt, haben wir es hier mit einem sinkenden Markt zu tun. Wir wären falsch beraten, wenn wir jetzt krampfhaft versuchen würden, alles, was an Wertschöpfung in diesem Bereich bisher vorhanden ist, auch in diesem Bereich zu halten, weil -  dieser Prozess ist objektiv - im globalen Maßstab, aber auch gerade für die Bundesrepublik Deutschland der Anteil des klassischen Automobilbaus an der Wertschöpfung insgesamt nicht steigen, sondern sinken wird. 

(Zustimmung von Oliver Kirchner, AfD)

Das hängt damit zusammen, dass wir uns jetzt bereits in einer Phase der Umstellung von Mobilität insgesamt befinden. Ich glaube, aus den ökologischen Gründen, die unter anderem Frau Kleemann vorhin bei dem anderen Antrag erwähnt hat, wäre es völlig falsch, nun alles daranzusetzen, dass mindestens genau viele Elektroautos wie vorher Verbrenner gebaut werden oder am besten noch viel mehr Elektroautos als Verbrenner. 

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Auch dies ist unter klimapolitischer Bilanz und unter den Fragen ökologischer Gesamtbetrachtung einfach falsch. Wir brauchen eine neue Organisation von Mobilität, in der das Auto eine Rolle spielen wird, in der wir uns allerdings genau überlegen müssen, in welchem Kontext zwischen individuellem Pkw, öffentlichen Verkehrsmitteln und Verkehrsvermeidungskonzepten wir diese Zukunft gestalten werden. 

Deshalb verweise ich in diesem Kontext ausdrücklich auf die entsprechenden Studien, die klar besagen, wir müssen es bei diesem sinkenden Wertschöpfungsanteil des klassischen Automobilbaus nicht zwingend mit Arbeitsplatzverlusten zu tun haben, wir können im Osten sogar noch mehr Arbeitsplätze organisieren. Aber wir werden es nicht in der klassischen Zulieferindustrie realisieren können, die wir jetzt im Auge haben. Neue Arbeitsplatzzuwächse wird es vor allen Dingen in den Bereichen geben, die diese Umstellung organisieren und z. B. bei der infrastrukturellen Ausrüstung, unter anderem mit Ladestationen. Das sind Perspektiven, die wir entwickeln können.

Aber wir werden die Betriebe, die in der Verbrennertechnologie im Zulieferbereich sind, nicht alle in der Art und Weise alternativ auf das Elektromodell umstellen können. Wir brauchen in Sachsen-Anhalt Umstrukturierungen im Wertschöpfungsprozess insgesamt. Deshalb haben wir diesen ersten Antrag davorgestellt, weil das, was wir als öffentliche Hand in die Hand nehmen, nicht nur versuchen darf, das Alte zu retten, sondern neue Ideen jenseits des klassischen Automobilbaus aufnehmen muss. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Gallert. - Herr Scharfenort hat sich für eine Intervention gemeldet, und Herr Lizureck möchte eine Frage stellen, wenn Sie diese zulassen, Herr Gallert. - Ja. Sie können sich das noch überlegen. - Herr Scharfenort, bitte.


Jan Scharfenort (AfD): 

Ich finde es immer wieder interessant, wie sich Politiker aufspielen und solche innovativen Firmen wie Mercedes, BMW und andere belehren wollen, was sie zu tun und zu lassen haben. Sie können davon ausgehen, dass die sehr wohl in der Lage sind, die besten E-Fahrzeuge der Welt zu produzieren. Schauen Sie sich einmal die neuesten Modelle an, EQS und EQE von Mercedes. Die Frage ist aber erst einmal, zu welchen Kosten, und wer kann sich das in unserem Land   wir sind im Landtag, in Sachsen-Anhalt - und speziell den Individualverkehr noch leisten. Dazu haben wir komplett unterschiedliche Positionen. Sie wollen, dass jeder in der Straßenbahn sitzt, mit dem Fahrrad fährt.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ich dachte, das sind wir!)

Wir als AfD-Fraktion stehen zur individuellen Mobilität, und zwar dazu, dass das bezahlbar bleibt.

(Zustimmung von Oliver Kirchner, AfD)

Solche Konzerne wie BMW und Mercedes bieten natürlich weiterhin Verbrenner an, vielleicht nicht mehr in Deutschland, weil es sich nicht lohnt, weil sie dazu gezwungen werden, die nicht anzubieten, aber auf anderen Märkten. Auf anderen Märkten freut man sich, dass man sich jetzt ein Auto leisten kann, und in Deutschland muss man in Zukunft darauf verzichten. Andere Länder werden reicher, wir werden ärmer dank Ihrer Politik. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Er hat ja auch so viel zu bestimmen in diesem Land!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Gallert.


Wulf Gallert (DIE LINKE): 

Entschuldigung, das war im Wesentlichen wirr, und deshalb ist es jetzt schwierig, auf all diese Dinge zu antworten. Ich will nur sagen: Wissen Sie, das Problem der deutschen Automobilindustrie war, dass sie lange Zeit - und das ist sie immer noch - zu mächtig war. Sie haben politische Weichenstellungen verhindert,

(Zuruf von Jan Scharfenort, AfD)

die dazu führten, dass wir jetzt hintendran sind. Natürlich ist es so, dass uns die Chinesen im Bereich der Elektromobilität, und zwar auch im Preis-Leistungs-Verhältnis, leider um Längen voraus sind, und wir deshalb im Nachhinein Dinge nachholen müssen, die vorher längst hätten passieren müssen. - So weit vielleicht dazu. Aber ich habe nicht die Illusion, Sie in irgendeiner Art und Weise mit einem Erkenntnisgewinn auszustatten. Deshalb sollten wir das hier beenden. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)