Tagesordnungspunkt 8
Aktuelle Debatte
Leere Taschen und leere Regale - Sachsen-Anhalt zwischen Rekordinflation und Versorgungsmangel
Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/1039
Die Redezeit pro Fraktion beträgt zehn Minuten. Herr Siegmund steht schon vorn. - Herr Siegmund, Sie haben das Wort.
Ulrich Siegmund (AfD):
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leere Taschen, leere Regale - inzwischen müsste jeder in Deutschland begriffen habe, was hier gerade passiert, was hier los ist, dass wir überall und immer stärker zur Kasse gebeten werden. Alles wird teurer,
(Zurufe von der CDU: Pst! Pst! Pst!)
wenn man überhaupt noch das bekommt, was man gerade braucht.
Bei einigen Produkten haben wir schon die vierte Preiserhöhung allein in diesem Jahr erlebt und es wird immer weitergehen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte heute nicht das wiederholen, was der Fernseher den Menschen da draußen jeden Tag ins Gesicht lügt. Ich möchte die heutige Debatte nutzen, um die wirklichen Gründe, die wirklichen Grundursachen für diese einzigartige Situation aufzuzeigen und auch die Auswirkungen darzustellen, und zwar so, wie sie wirklich sind. Es ist wichtig, dass wir das machen, weil jeder einzelne Mensch in diesem Land, auch in Sachsen-Anhalt, direkt davon betroffen ist.
Es nützt nämlich überhaupt nichts, immer nur an der Oberfläche herumzudoktern. Es nützt überhaupt nichts, alles in diesem Land schönzureden. Nichts ist nämlich schön, weil die Menschen abgezockt werden,
(Zuruf: Oh!)
weil man ihre Ersparnisse indirekt enteignet und weil man mit ihrem Vertrauen spielt, nach dem Motto, es sei ja alles gar nicht so schlimm, und es sei jetzt die Zeit gekommen, den Gürtel enger zu schnallen als Zeichen gegen den Krieg und als Zeichen für den Klimaschutz.
Aber ganz ehrlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Zeit ist ganz sicherlich nicht gekommen. Den Gürtel enger schnallen können in meinen und in unseren Augen die Menschen, die von oben herab andere Menschen zum Verzicht aufrufen, nämlich diejenigen, die es politisch zu verantworten haben, aber ganz sicherlich nicht der Bürger und Steuerzahler, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der AfD)
Warum - das ist die Frage, die nicht diskutiert wird - erleben wir aktuell einen einzigartigen Preisschock bei allem, egal, ob bei Energie, bei Lebensmitteln, bei Baumaterialien, bei Dienstleistungen oder, wie es viele jetzt merken werden, im Tourismus. Wir erleben eine Inflation, d. h., immer mehr Geld trifft auf ein gleichbleibendes oder geringeres Angebot an Waren. Das ist also eine Situation, die nicht vom Himmel gefallen ist, die wie immer politisch absehbar war, die mathematisch absehbar war.
Aber natürlich - das ist das Perfide daran - wird die aktuelle Situation genutzt, um medial einen Sündenbock zu finden. Nämlich nur der Krieg in der Ukraine soll schuld an der aktuellen Preisexplosion sein, was natürlich überhaupt nicht stimmt. Wenn man sich ein paar Monate zurückerinnert, dann stellt man fest, dass wir diese Preisexplosion schon vor dem Krieg in der Ukraine zu verzeichnen hatten.
(Dorothea Frederking, GRÜNE: Das hat Frau Eisenreich gestern erklärt!)
Überhaupt möchte ich die Sache heute nicht bewerten. Ich möchte darauf nicht eingehen. Es ist schlimm genug, was dort passiert. Heute soll es um die Preise gehen. Ich möchte etwas bewerten, und zwar wie unfassbar unfair und dreist es ist, die Sorgen und Nöte der Menschen ausnutzen, um eine Wut gegen einen vermeintlich Schuldigen aufzubauen,
(Dr. Andreas Schmidt, SPD: Sehr richtig, Herr Siegmund, Sie machen das!)
sich dabei aber zeitgleich davor zu drücken, die wirklichen Probleme und Ursachen, Herr Dr. Schmidt, zu nennen und den Menschen reinen Wein einzuschenken.
Was sind denn die wirklichen Ursachen für die aktuelle Preisexplosion in Deutschland?
Erstens. Die Wurzel der aktuellen Preissteigerungen liegt viel weiter zurück. Das Land und der gesamte Euroraum leben absolut über ihre Verhältnisse und drucken sich das Geld, wie es ihnen gefällt. Die Bilanzsumme der EZB, der Europäischen Zentralbank, lag im Jahr 2015 bei 2 Billionen €; im Jahr 2020 lag sie bei 4 Billionen €. Und jetzt, zwei Jahre später, liegt sie bei knapp 9 Billionen €. Das heißt, mehr als die Hälfte der gesamten verfügbaren Geldmenge wurde allein in den letzten zwei Jahren gedruckt.
Wozu das bei einem gleichbleibenden Produktangebot führt, weiß jeder - die Preise explodieren. Wissen Sie, warum so viel Geld gedruckt wird? - Weil die Regierungen auf Landes- und Bundesebene nicht in der Lage sind, vernünftig zu wirtschaften. Es wird sich immer nur von Wahl zu Wahl gehangelt. Immer weiter wird alles aufgebläht: Versorgungsapparate, die Ministerien. Die Bundesregierung hat jetzt wieder 700 neue Stellen in den Ministerien geschaffen. Immer mehr Versprechen müssen umgesetzt werden. Immer mehr Unsummen für parteinahe Stiftungen, für Vereine werden ausgegeben.
(Dr. Falko Grube, SPD: Verzichten Sie auf Ihre? Das wäre schön!)
Deutschland zahlt bis heute Entwicklungshilfe an Länder wie Indien und China. Das ist der absolute Oberhammer. 100 Milliarden € werden jetzt für die Bundeswehr gedruckt; diese fallen vom Himmel. Der finanzielle Super-GAU sind die Energiewende und die Coronamaßnahmen.
Alle Kritiker in den letzten zwei Jahren wurden nämlich so lange mit Geld zugeworfen, bis jegliche Kritik erstickt ist. Wer weiß, wie viele Betreiber von Testzenten und wie viele Impfärzte in den letzten zwei Jahren Millionäre geworden sind?
(Dr. Falko Grube, SPD: Fragen Sie mal in Ihrer Fraktion nach; da gibt es auch einen!)
All das sind Zustände, die wir aufarbeiten müssen. Wer weiß, wie viel Steuergeld in den letzten zwei Jahren versackt ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wie soll das Problem Ihrer Meinung nach gelöst werden? - Indem Sie neues Geld drucken. Jeder von Ihnen, der an den Haushaltsberatungen teilgenommen hat, weiß, dass Sie das alles praktisch niemals bezahlen können, was Sie sich vorgenommen haben.
(Zuruf von der CDU)
Was passiert? - Sie umgehen Ihre eigenen Maßnahmen, Ihre eigene Schuldenbremse, indem Sie ein Corona-Sondervermögen verfassungswidrig einrichten und neues Geld in das System pumpen.
(Siegfried Borgwardt, CDU: Wo ist das verfassungswidrig?)
- Das wissen Sie doch selbst, Herr Borgwardt.
(Dr. Katja Pähle, SPD: Das ist unglaublich! - Unruhe)
- Das ist die Aussage des Landesrechnungshofes.
(Zurufe von Tobias Krull, CDU, und von Dr. Katja Pähle, SPD)
Zweitens. Der Krieg in der Ukrainer soll ja schuld sein an allen Preisexplosionen. Wir wissen, Russland war einer unserer wichtigster Handelspartner. Insbesondere Rohstoffe, wie Öl, Gas, Stahl, chemische Produkte, Baumaterialien, Holz, Kohle usw., haben wir von dort bekommen.
(Zurufe von der AfD)
Jetzt wird aber gegenüber den Menschen - das ist das Perfide - medial kommuniziert, dass ausschließlich der Krieg diese Lieferkette unterbrochen hat. Dabei sind es die Sanktionen, die diese Regierung freiwillig erlassen hat, um mit einem sauberen moralischen Gewissen die Handelsketten abzuschnüren und keine Importe mehr vorzunehmen. Es war eine freiwillige Entscheidung und nicht, wie medial transportiert wird, ausschließlich der Krieg.
(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!)
Das Perfide daran ist: Russland ist das vollkommen egal. Sie verkaufen ihre Produkte und Rohstoffe jetzt woanders, nämlich nach Indien und nach China. Russland interessiert das überhaupt gar nicht. Und was macht Deutschland? - Wir müssen uns neue Partner besorgen. Wir importieren jetzt dreckiges Fracking-Gas aus den USA für den fünf- oder sechsfachen Preis. Die Sanktionen gegen Russland bringen überhaupt gar nichts. Sie hatten keinerlei Auswirkungen auf den Kriegsverlauf. Die Einzigen, die dafür bezahlen müssen, sind unsere eigenen Bürger und Steuerzahler. Die Einzigen, die im Moment davon profitieren, sind die Vereinigten Staaten von Amerika.
Übrigens, meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt kommt etwas, das medial viel zu wenig transportiert wird. Der grüne Minister Habeck hat eine tolle Idee. Er möchte auf die russischen Gasimporte bis 2024 verzichten. Was aber komplett verschwiegen wird, ist, dass Deutschland sogenannte Take-or-Pay-Langzeitverträge mit Russland abgeschlossen hat. Das heißt, selbst wenn wir kein Gas abnehmen, müssen wir es trotzdem bis 2030 bezahlen, nämlich mindestens 40 Millionen m³ jedes Jahr.
(Christian Hecht, AfD: Milliarden!)
- Verzeihung, 40 Milliarden m³! - Wie ich unsere Bundesregierung kenne, werden wir das genau so machen. Wir werden auf die Importe verzichten. Wir werden trotzdem bezahlen, und Russland wird das Gas, das es behalten kann, an andere Länder weiterverkaufen. Genau so wird es kommen.
(Lebhafter Beifall bei der AfD - Zurufe von der AfD: Jawohl! Pfui!)
Aber in dieser Regierung überrascht mich nichts mehr. Genau das traue ich auch den GRÜNEN zu.
Drittens. Die vollständige Abhängigkeit anderer Länder. Wir haben es bei Corona gesehen: Wir sind komplett abhängig vom internationalen Markt. Bei den Medikamenten haben wir es gesehen. Wir haben keine Produktion von Grundbedarfsmitteln. Bei der Energiepolitik merken wir es erst recht: Wir sind anhängig von Energieimporten aus Tschechien, aus Frankreich und aus anderen Ländern. Wir machen uns erpressbar. Wir machen uns abhängig und wir werden abgezockt durch diesen Weg.
Viertens. Auch das ist eine Grundursache: Die sogenannte Greenflation, also die grüne Inflation, schlägt zu. Seit Jahren richten sich in diesem Land alle Maßnahmen nicht mehr danach, was wirtschaftlich das Richtige für uns wäre, was das Richtige für die Bürger wäre, sondern danach, was das Beste für das Klima wäre. Damit stehen wir international vollkommen allein da. Das führt zu einer enormen Verteuerung von Rohstoffen, wie Kupfer, Lithium, Platin und anderen Rohstoffen, was sich dann spürbar in den Lieferketten niederschlägt, wofür der Mittelstand zur Kasse gebeten wird und wofür man aber jetzt andere Sündenböcke sucht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind die wirklichen Ursachen für die Preisexplosion und für die Warenknappheit. Das sind die Gründe dafür, dass den Menschen immer mehr Geld aus der Tasche gezogen wird, die ihnen aber verschwiegen werden.
Übrigens ist das kein globales Problem. Das sieht man, wenn man über den Tellerrand blickt. In Japan beträgt die Inflation 1,5 %, in der Schweiz beträgt sie 2,2 %. Wenn man denn die richtigen politischen Maßnahmen ergreifen würde, wäre es theoretisch möglich; das beweist der Blick über den Tellerrand, den viele nicht wagen.
Was ist die Folge dieser Situation? - Viele von Ihnen können sich gar nicht mehr in eine Familie hineinversetzen, die bei diesem Preiswahnsinn mit einem Haushaltseinkommen von 2 000 € oder 3 000 € klarkommen muss. Das ist ein Grundproblem: Viele haben den Blick auf die Realität komplett verloren, sind komplett abgehoben. Der Preis für ein Stück Butter ist von 1,40 € auf 2,40 € angestiegen. Der Preis für einen Liter Benzin ist von 1,30 € auf 2,30 € angestiegen. Die jährliche Gasrechnung wird um 100 %, 150 % steigen. Auch die Mieten werden bald richtig kräftig anziehen; das ist nur eine Frage der Zeit. Das wird vielen Menschen - das ist wahnsinnig traurig - richtig um die Ohren fliegen.
Der größte Skandal bei dieser gesamten Debatte ist, dass es diejenigen am härtesten trifft, die am härtesten dafür arbeiten gehen, nämlich unseren Mittelstand. Es gibt Hilfsprogramme - das ist gut - für Menschen, die Sozialhilfe empfangen, die unverschuldet in einer Notsituation geraten sind. Es ist gut, dass wir diese Menschen nicht im Stich lassen. Aber politisch - so habe ich zumindest das Gefühl - interessiert es in diesem Land niemanden außer die AfD, was mit den Menschen passiert,
(Zuruf von der AfD)
die diesen Wohlstand überhaupt erwirtschaften, was mit dem Mittelstand passiert und mit denen, die keine Sozialhilfe empfangen, deren Einkommen oberhalb der Zuschussgrenzen liegen. Diese Menschen werden in dieser Gesellschaft komplett im Stich gelassen. Das ist ein riesengroßes Problem in dieser Gesellschaft. Arbeit muss sich lohnen. Jemand, der arbeiten geht, muss immer mehr Geld in der Tasche haben, als jemand, der keine Lust hat zu arbeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der AfD)
Deswegen müssen wir endlich bei denen Anreize setzen, die fleißig Steuern zahlen.
Liebe Kollegen! Der aktuelle Preiswahnsinn, die aktuelle Situation wird die soziale Frage überhaupt in den nächsten Jahren. Genau deswegen müssen wir jetzt gemeinsam und kollektiv an die Grundursachen heran und nicht immer nur an der Oberfläche herumdoktern. Wir müssen den Wahnsinn in der Energiepolitik beenden. Wir müssen uns unabhängiger von Waren des Grundbedarfes machen. Und wir brauchen eine Handelspolitik, die nicht ideologisch gesteuert ist, sondern sich ausschließlich an unserem wirtschaftlichen Interesse ausrichtet.
Wir müssen die Bürger sofort von der unsäglichen Steuerlast befreien - Umsatzsteuer, Energiesteuer, CO2-Steuer.
(Zuruf von der FDP)
Wir müssen den Menschen in diesem Land Luft zum Atmen geben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir müssen den Preiswahnsinn beenden. Ansonsten steuern wir auf eine soziale Katastrophe zu. Das kann und darf in diesem Land niemand wollen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der AfD)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Siegmund, würden Sie eine Frage des Abg. Hauser beantworten?
Ulrich Siegmund (AfD):
Sehr gern.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Hauser, bitte.
Johannes Hauser (FDP):
Sehr geehrter Kollege Siegmund, Sie haben viele Fakten angeführt. Aber auf eines möchte ich hinweisen und Sie dazu fragen. Sie haben gemerkt, dass Sonnenblumen- und Rapsöl 14 Tage, drei Wochen aus dem Regal verschwunden gewesen ist, auch Weizenprodukte, Nudeln usw. Und siehe da: Seit einer Woche ist wieder alles da, allerdings mit einer Preissteigerung von 300 %, 400 %. Könnte es sein, dass dabei Spekulanten am Werk sind? Was möchten Sie dagegen tun?
(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE - Zuruf von Kerstin Eisenreich, DIE LINKE)
Ulrich Siegmund (AfD):
Sie haben vollkommen recht, Herr Hauser. Das ist ein riesengroßes Problem. Aber ich sehe die Grundursachen trotzdem wesentlich tiefer liegend. Das habe ich ausführlich angeführt. Wir erleben diese Preisexplosionen schon seit mehreren Monaten, eigentlich schon seit zwei Jahren, insbesondere im Bereich der Baumaterialien. Deswegen glaube ich, dass die Grundursachen viel, viel tiefer liegen. Trotzdem haben Sie absolut recht: Spekulationen mit Lebensmitteln gehören sich nicht. Das sind Waren des täglichen Bedarfes. Davor müssen wir die Menschen schützen. Aber trotzdem möchte ich noch einmal auf die Grundursachen und auf die Dinge hinweisen, die ich angeführt habe. Denn die Wurzel liegt einfach viel, viel tiefer.
(Beifall bei der AfD)