Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ukrainische Kinder und Jugendliche leiden zurzeit massiv unter den schlimmen, oft traumatisierenden Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf ihr Heimatland. Häufig sind sie noch gar nicht in einem Alter, in dem sie die Brutalität, ihre Erlebnisse und Ängste überhaupt in adäquate Worte fassen können, wenn es die für solch eine Barbarei überhaupt gäbe.
Unser Angebot an diese Kinder und Jugendlichen, d. h., unsere bildungspolitische Antwort darauf muss deshalb von Integration und Flexibilität geprägt sein, aber auf keinen Fall von nationalistischer Separation.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Es geht jetzt darum, den geflüchteten Schülerinnen und Schülern einen geregelten Schulalltag, eine Normalität ihres chaotisch gewordenen Lebens zu ermöglichen. Die Pläne des Bildungsministeriums versprechen im Moment noch wenig Erfolg. Entgegen den pädagogischen Erkenntnissen der letzten Jahre war Ihr erster Reflex, Frau Ministerin, zentrale abgesonderte Ankunftsklassen einzurichten.
(Ministerin Eva Feußner: Habe ich nicht gesagt! - Siegfried Borgwardt, CDU: Das war nicht der Fall!)
Das so etwas zu weniger und nicht zu mehr Integration führt, wurde uns doch erst kürzlich mit den Reaktionen auf den Vorfall in Burg in Erinnerung gerufen. Es stellt uns vor allem in den ländlichen Kreisen vor erhebliche logistische Schwierigkeiten. Schon jetzt ist der Schülertransport in den Flächenkreisen eine große Herausforderung. Nun allmorgendlich auch noch die ukrainischen Kinder und Jugendlichen in zentrale Klassen zusammenbringen zu müssen, wird vielerorts einfach nicht funktionieren.
So weit wir hören, sind diese Klassen größtenteils noch lange nicht gestartet. Das heißt, dort, wo nicht ukrainischer Unterricht läuft oder Kinder dank privater Initiative schon in Regelklassen aufgenommen wurden, gibt es derzeit kein Schulangebot für aus der Ukraine Geflüchtete. Dabei ist die Frage, die viele aus der Ukraine Geflüchtete zuallererst und am allerhäufigsten stellen: Wie und wo kann mein Kind zur Schule gehen? Sie stellen deshalb diese Frage, weil Schule eben auch Normalität im Alltag und nicht nur pauken bedeutet.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Der vorliegende Antrag der AfD-Fraktion gehört vor allem vor dem Hintergrund seiner perfiden und durchsichtigen Motive abgelehnt. In solch einer humanitären Notlage Separation statt Integration zu fordern, ist zutiefst nationalistisch und widerwärtig. Im Angesicht der Katastrophe und der fast täglich berichteten Kriegsverbrechen sind Signale der Unterstützung, des Respekts und der Solidarität gefragt, und zwar so lange sie notwendig sein werden.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Wer wie Sie schon heute die Fahrkarte für die Rückkehr in ein vom russischen Angriff gebeuteltes und zerstörtes Land ausstellen will,
(Daniel Roi, AfD: Das haben Sie doch selbst gesagt! Das müssen Sie mal erfassen! Es ist unfassbar!)
verdient dafür vor allem Verachtung. Schämen Sie sich!
Was es jetzt in dieser volatilen Situation stattdessen für ukrainische Schülerinnen und Schüler braucht, sind flexible und dezentrale Bildungsangebote. Ihnen muss die rechtssichere Möglichkeit gegeben werden - wenn sie es möchten und so lange das Angebot aufrechterhalten bleiben kann , am digitalen Unterricht der ukrainischen Schulen teilzunehmen und dadurch die hiesige Schulpflicht zu erfüllen.
Die letzten zwei Jahre während der Pandemie wären eine gute Gelegenheit gewesen, eine Grundlage zu einem rechtssicheren Rahmen für reine Onlineschulen zu schaffen. Das würde auch in der momentanen Lage einige andere Dinge sehr vereinfachen. Leider fehlte dafür der politische Wille
(Guido Kosmehl, FDP: Wer hat denn die letzten zwei Jahre regiert?)
und vielleicht sogar die Einsicht in dieses Gebot der Zeit.
Ergänzend zum ukrainischen Unterricht müssen für die dort teilnehmenden Kinder und Jugendlichen Integrationsangebote geschaffen werden, wie z. B. Deutschsprachkurse.
Daneben sollten die Schülerinnen und Schüler die Option für die Teilnahme am deutschen Regelschulbetrieb erhalten, wenn sie dies wünschen; denn so erlangen sie effektiver und schneller sprachliche Kompetenz. Es ist gut, dass das Bildungsministerium sich nun um die Unterstützung durch ukrainische Lehrerinnen und DaZ-Lehrkräfte bemüht; und diese müssen dorthin, wo die ukrainischen Schülerinnen und Schüler dann eben sind.
Das Kriegsgeschehen lässt zurzeit nicht erkennen, wann eine Rückkehr der Kriegsvertriebenen möglich sein wird. Ein Antrag wie der vorliegende der AfD-Fraktion ist deshalb unangebracht und zutiefst vermessen.
Wir GRÜNEN fordern stattdessen, dass flexible Bildungsangebote geschaffen werden, welche den Bedarfen und den Wünschen der ukrainischen Schülerinnen und Schüler und nicht denen von Generalkonsulinnen gerecht werden.
Den Antrag lehnen wir natürlich ab. - Vielen Dank.
(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD)