Jörg Bernstein (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Schulsozialarbeit ist zweifellos ein bedeutender und geradezu essenzieller Faktor zur Verbesserung der Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler innerhalb unseres Schulsystems. Dieser Fakt ist in den herausfordernden Zeiten der Coronapandemie noch einmal in besonderem Maße zutage getreten.

Ihre mannigfaltigen Wirkungsfelder umspannen ein breites Spektrum sozialpädagogischer Angebots- und Aufgabenvielfalt. Sie reichen von präventiven Maßnahmen zur Vermeidung von Schulabstinenz und Schulabbrüchen bis hin zur Reduktion sozialer Ungleichheiten und zur Unterstützung gesellschaftlicher und beruflicher Integration unserer Schülerinnen und Schüler. Wir brauchen die Schulsozialarbeit bedarfsgerecht, basierend auf einer schulscharfen individuellen Prioritätensetzung.

(Zustimmung)

Schulsozialarbeiter sind ein bedeutender Teil der multiprofessionellen Teams in unseren Schulen und machen diese zukunftsfest. Ein wichtiger Meilenstein zum klaren Bekenntnis zur Bedeutung der Schulsozialarbeit ist deshalb ohne Frage der am 10. Juni 2011 in Kraft getretene § 13a SGB VIII im Rahmen der Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Dort heißt es:

„Schulsozialarbeit umfasst sozialpädagogische Angebote […], die jungen Menschen am Ort Schule zur Verfügung gestellt werden. Die Träger der Schulsozialarbeit arbeiten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit den Schulen zusammen.“

Diese neu geschaffene gesetzliche Grundlage unterstreicht auch einmal mehr die Verantwortlichkeiten des Landes im Rahmen der zugestandenen Gesetzgebungskompetenz, aber in besonderem Maße auch die der örtlichen Träger und der Schulen vor Ort. Eine Verstetigung der Schulsozialarbeit kann nur gelingen, wenn alle verantwortlichen Instanzen ihr klares Bekenntnis zur Schulsozialarbeit auch finanziell untermauern. Denn   lassen Sie es mich ganz deutlich sagen   die von vielen Seiten geforderte Ausweitung und Verstetigung der Schulsozialarbeit gibt es nun einmal nicht zum Nulltarif.

(Zustimmung)

Dieser Fakt wird auch von der Fraktion DIE LINKE anscheinend gern vergessen,

(Zuruf: Oh!)

aber es bleibt aus meiner Sicht dennoch ein Fakt. Wir können uns bspw. weder Lehrer backen, noch haben wir die Lizenz zum fortwährenden Gelddrucken. Obwohl ich bei diesen Ansätzen gerade an einen Ausspruch des Bundeswirtschaftsministers denke, der gestern sagte: Am Ende ist es doch nur Geld. Diese Denkweise, dass es am Ende nur Geld ist, gibt mir wiederum sehr zu denken.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Ich würde mir wünschen, dass wir in der aktuellen Diskussion um die besten, vor allem aber auch um umsetzbare Möglichkeiten ringen. Dies geht aber nur mit realistischen und faktenbasierten Ansätzen. Fakt ist nun einmal, dass die verfassungsrechtliche und föderale Zuständigkeit, und damit auch die Finanzierungsverantwortung, bei den Ländern und Kommunen liegt. Es ist deshalb überhaupt keine Frage, dass die örtliche Jugendhilfe bzw. die kommunalen Gebietskörperschaften ihren finanziellen Beitrag leisten müssen. Die Grundlage hierfür soll die neue Förderrichtlinie zum ESF-Plus-Programm „Schulerfolg sichern“ legen. Der im Finanzierungskonzept festgeschriebene Paradigmenwechsel nimmt die Kommunen in die Pflicht, und das finden wir als Freie Demokraten auch prinzipiell richtig.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Das neue Finanzierungskonzept sieht im Bereich der Schulsozialarbeit eine Anteilsfinanzierung mit einem EU-Beteiligungssatz von 60 % sowie die Finanzierungsbeteiligung in Höhe von 20 % durch Landesmittel und 20 % durch die Kommunen vor. Für die regionalen Netzwerkstellen liegt der kommunale Eigenanteil, wie bekannt, bei 40 %. Die verbleibenden 60 % kommen aus den ESF-Plus-Mitteln.

Es ist absolut zutreffend, dass dieser Paradigmenwechsel die Kommunen vor neue Herausforderungen stellt. Aber auch die Kommunen müssen Prioritäten setzen und sich finanziell entsprechend aufstellen, und zwar nicht nur über neue Forderungen nach finanzieller Unterstützung durch das Land.

Selbstverständlich ist uns bewusst, dass die Finanzkraft unserer Kommunen höchst unterschiedlich ist. Das heißt aber keinesfalls, dass nicht jeder seinen Beitrag leisten kann. Auch die bereits diskutierte Unterstützung, bspw. über § 17 des FAG für in Schieflage geratene Kommunen, kann deshalb nur dann ein mögliches Mittel der Wahl sein, wenn die jeweilige Kommune entsprechende Nachweise erbringt.

Selbstverständlich muss es auch für finanzschwache Kommunen Schulsozialarbeiter geben. Um dies umzusetzen, müssen aber alle Akteure die Grundlagen schaffen. Es kann nicht die Lösung sein, dass die Verantwortung immer an die nächsthöhere Instanz abgegeben wird. Wir alle müssen unsere Hausaufgaben machen.

(Beifall)

Ich sage es noch einmal in aller Deutlichkeit: Wir Freien Demokraten setzen uns für eine Verstetigung und eine Ausweitung der Schulsozialarbeit ein. Dazu haben wir uns auch in unserem Wahlprogramm bekannt und dazu stehen wir.

(Beifall)

Auch uns genügen die derzeit 380 und in der späteren Ausweitung die 60 zusätzlichen Stellen nicht unbedingt. Wir wollen und wir brauchen unter Umständen mehr - mehr Engagement für unsere Schulen vor Ort, mehr Zusammenarbeit zwischen den Lehrenden und den Schulsozialarbeitern und mehr als nur Lippenbekenntnisse von den Kommunen. Denn ohne sie wird es nicht gehen.

Wir denken aber auch, dass die Anzahl der Schülerinnen und Schüler allein kein geeignetes Maß für die Feststellung der tatsächlichen Bedarfe an schulsozialpädagogischem Personal ist. Vielmehr benötigen wir schulscharfe Indikatoren, die die sozialen Gegebenheiten und Herausforderungen für die zielgenaue Bedarfsbestimmung einbeziehen. Auch hier lohnt sich ein kritischer Blick über unsere Landesgrenzen hinaus; denn nicht immer müssen wir das Rad neu erfinden. In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung mit einem liberal geführten Ministerium für Schule und Bildung einen solchen sogenannten schulscharfen Sozialindex eingeführt, um die Schulen vor Ort bedarfsgerechter zu unterstützen.

Die Coronapandemie hat uns einmal mehr gezeigt, wie verletzlich unser Schulsystem ist. Viele Kinder sind in dieser schweren Zeit der Kontaktreduzierung, der Schulschließungen und des Distanzunterrichts ins Straucheln geraten und sorgen sich darum, den Anschluss verpasst oder Freunde verloren zu haben. Hierbei geht es nicht allein um das Aufholen von Bildungsrückständen, hierbei geht es vor allem auch darum, unseren Kindern den Weg zurück in die Normalität zu ebnen und insbesondere jene zu unterstützen, denen der Weg besonders schwerfällt. Gerade hierbei ist die Schulsozialarbeit von nahezu unschätzbarem Wert.

Abschließend: Wir brauchen gute vernetzte Strukturen und klare Verantwortlichkeiten für eine Stärkung der Bildungs- und Chancengerechtigkeit unserer Kinder. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall)