Dr. Lydia Hüskens (Ministerin für Infrastruktur und Digitales): 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Lüddemann, Ihr Antrag für die Aktuelle Debatte und Ihre heutige Rede lassen mich   das muss ich gestehen   einigermaßen ratlos zurück.

(Zustimmung bei der FDP - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja!)

Sie beklagen, dass die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt schlechter geworden ist.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja! - Zuruf von der Linken: Sie hat recht!)

Und das klingt so, als ob Sie damit überhaupt nichts zu tun haben.

(Lachen und Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der AfD - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja, es ist so!)

Frau Lüddemann,

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja, wir haben den Antrag gestellt!)

auch wenn Sie in dieser Legislaturperiode   ich habe das extra nachgeguckt; ich habe einmal alle Ihre Kleinen Anfragen und sonstigen Dinge gegoogelt   Ihr Interesse für die Qualität der Straßenverkehrsinfrastruktur entwickelt haben: Die Straßen und im Übrigen auch die Schiene, auch in Sachsen-Anhalt, leiden seit Jahren an einer finanziellen Unterausstattung, auch in der letzten Legislaturperiode.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja! - Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Das Ergebnis sehen wir bei den Landesstraßen auch schon seit Jahren.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Also jeder, der wie ich viel durch das Land fährt, der weiß, dass man das mit der Gesäßprobe. relativ gut feststellen kann.

Infrastruktur, meine Damen und Herren, Ist lange leidensfähig. Und ja, deshalb ist es für die Politik manchmal einfacher, dort zu sparen als anderswo. Aber irgendwann hält auch die Infrastruktur nicht mehr. Und ich muss ganz offen gestehen, dass die Tatsache, dass 44 % unserer Landesstraßen, die eine Gesamtlänge von 4 025 km haben, in der Klasse „dringend sanierungsbedürftig“ sind, nicht befriedigend ist. Das kann niemanden befriedigen, der hier im Raum ist.

Und dass sich der Anteil der Straßen, die in der Kategorie „stärkere Beobachtung - Vorbereitung von Erhaltungsmaßnahmen“ gegenüber dem Jahr 2017 um 2 % verringert hat, sollte auch nicht über die Situation hinwegtäuschen. Aus meiner Sicht, Frau Lüddemann, haben Sie und Ihre Partei an dieser Entwicklung aber gehörig Mitverantwortung.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Schon klar, die GRÜNEN sind an allem schuld! - Unruhe von der AfD)

- Ja. Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn es in Deutschland gegen Verkehrsinfrastruktur geht   es ist völlig egal, ob es eine Straße ist oder ob es eine Schiene ist  , dann sind Ihre Parteifreude nicht weit weg. Meistens hocken sie auf Bäumen und binden sich dort an

(Zuruf von der CDU: Genau!)

oder ketten sich sonst wohin. In jedem Fall sind Sie immer dabei, wenn es darum geht zu sagen, dass Verkehrsinfrastruktur etwas Böses ist. Die Straße selbst, der Beton, CO2, und dann fahren da auch noch Autos drauf lang. - Das muss man sich mal vorstellen!

(Guido Kosmehl, FDP: Auch Elektroautos! - Zuruf von Oliver Kirchner, AfD - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Bleiben wir im Land!)

Und ein Punkt   ja, Sie sagen gerade: bleiben wir im Land   Frau Lüddemann, an den ich mich gut erinnern kann: Ein Radweg bei Thale. Ganz am Anfang der Legislaturperiode durfte ich den eröffnen. Dafür ist eine Kreisstraße umgewidmet worden mit Förderung des Landes und weiterer Unterstützung zu einem Radweg. Alle waren froh vor Ort. Es war übrigens eine Initiative von einigen Gemeinderäten. Es waren alle da, die Bürger waren da. Und abends habe ich zu Hause eine Pressemitteilung der GRÜNEN, also von Frau Lüddemann, gelesen: Das sei ja ganz fies.

Dann habe ich mich erkundigt, warum das denn ganz fies ist. - Der Verdacht war, der Radweg könnte als Radweg nur saniert worden sein, um eigentlich mit Autos darauf zu fahren.

(Lachen bei der AfD)

Da muss ich mal ehrlich sagen: Wenn ich ständig mit so einem Bild durch die Gegend gehe und wenn ich dieses Bild über Straßen ständig zeichne, dann muss ich mir doch keine Gedanken darüber machen, welche Rolle die Straßenverkehrsinfrastruktur in der Gesellschaft spielt.

Herr Kosmehl hat es schon gesagt: Unsere Parteikollegen im Deutschen Bundestag kriegen immer Sorgenfalten im Gesicht, wenn Sie mir erzählen, auch jetzt noch, dass sie mit den GRÜNEN über Straßenprojekte verhandelt haben. Sie haben gesagt: Immer wenn das Wort „Straße“ fiel, waren die GRÜNEN erst mal dagegen.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja!)

Das gilt im Übrigen auch bei Planungsbeschleunigungen. Wir durften alles planungsbeschleunigen,

(Zustimmung bei der FDP) 

Windräder, Fotovoltaikanlagen, die Schiene, aber bitte nicht die Straße.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das ist aber länger her! - Guido Kosmehl, FDP: Nein, das war im letzten Jahr!)

Es war in dieser Legislaturperiode.

(Zurufe von der CDU)

Und das führt tatsächlich zu einem Mindset bei der gesamten Bevölkerung. Das führt sogar soweit, dass das Land Niedersachsen die Hochleistungstrasse Schiene nicht mehr bauen möchte, weil der Widerstand vor Ort so massiv ist. So kommen wir in Deutschland nicht weiter.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)

Und Wirkung zeigt dieses Mindset inzwischen auch bei Haushaltsberatungen, nicht erst seit gestern. Denn gerade immer dann, wenn Finanzmittel eng werden, geht es darum, wer denn das wenige Geld bekommt.

Natürlich schaut Politik dann dahin - das kann ich völlig verstehen -, wo die Unterstützer für ein Thema sind. Ja, Straßenverkehrsinfrastruktur hat in der Vergangenheit wenig Fürsprecher gehabt. Das sorgt bei Haushaltsberatungen dafür, dass man lieber an den Stellen spart, an denen geschwiegen wird. Straße kann sich nicht alleine verteidigen. Das sehen wir leider immer wieder. Den Spruch, in Köpfe und nicht in Beton soll man investieren, hat, so glaube ich, jeder hier im Haus schon einmal gehört und vielleicht auch gesagt.

In Sachsen-Anhalt ist der Straßenbau selbst in der letzten Legislaturperiode unterfinanziert gewesen;

(Guido Kosmehl, FDP: Oh!) 

in einer Legislaturperiode, in der man im Übrigen wirklich genügend Steuereinnahmen hatte. Das hätte man untereinander aushandeln können. Man hätte dann aber auch andere Schwerpunkte setzen müssen. 

Ich will nicht immer alles schwarzmalen: Angesichts des Vergleichs unserer Zustandserfassung zwischen 2017 und 2022 - das ist das, was wir als Referenzdaten nehmen können - muss man den Kolleginnen und Kollegen der LSBB sagen: À la bonne heure, großer Respekt für ihre Arbeit. 

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU, von Dr. Falko Grube, SPD, und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Sie haben es geschafft, die Verkehrsinfrastruktur einigermaßen auf dem Level, das wir hatten, zu halten, auch mit relativ geringen Mitteln. 

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass ich den Regierungsfraktionen sehr dankbar bin, dass wir diesen geringen Mitteln in dieser Legislaturperiode entgegenwirken konnten. In den Jahren 2022, 2023 und 2024 haben wir Finanzmittel bereitgestellt und die LSBB hat auch wirklich alles, was möglich war, im Straßenbau umgesetzt, 

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

sodass wir - davon gehe ich aus - trotz der beiden kommenden Jahre in der nächsten Zustandserfassung eine positive Entwicklung sehen können. 

Das Stichwort Kommunen ist oft gefallen. In diesem Zusammenhang weise ich immer wieder darauf hin, dass der Landtag auch den Kommunen für den Straßenbau Geld on top gegeben hat, obwohl das eigentlich gemäß Finanzausgleichsgesetz mitfinanziert wird. 

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, glaube ich, dass wir bei dem Thema realistisch auf das gesamte Programm blicken müssen. Das gilt für die Straßen. Die Straßen sind, um das noch einmal klarzustellen, nicht in dem Zustand, in dem sie sein sollten. Ja, ich würde jeden Euro nehmen, den ich mehr in die Straße bauen kann.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist überhaupt kein Thema. Frau Lüddemann, ich hätte mir allerdings in der Sitzung des Finanzausschusses am Montag substantiierte Änderungsanträge für Gegenfinanzierungen gewünscht, die mir im Straßenbau mehr Möglichkeiten gegeben hätten. Denn die Formulierung, wir müssten uns konsequent auf die Instandhaltung konzentrieren, klingt immer so, als ob ich einen großen Pott für Neubauten zur Verfügung habe. - Nein, wir geben unser Geld für Instandhaltungen aus. Das ist das, was wir tun. Wir müssen Landes- und Bundesstraßen auseinanderhalten. Ich kann die Mittel nicht von einem zum anderen Bereich verschieben. Wenn wir mehr Geld ausgeben wollen, dann müssen wir dies auch im Haushalt zur Verfügung stellen. 

Brücken sind ebenfalls im Antrag erwähnt worden. Dazu habe ich hier mehrfach ausgeführt, deshalb halte ich mich hierbei kurz. Mir ist wichtig, festzustellen, dass wir auch in diesem Bereich Zustände haben, die uns nicht befriedigen. Deshalb haben wir in den kommenden Haushalten einen Schwerpunkt gesetzt. Wir konzentrieren uns auf die Brücken. Wir gehen jetzt an den Punkt, an dem wir dafür sorgen können, einen ordentlichen Schritt nach vorn zu gehen. Wir würden uns auch dabei an der einen oder anderen Stelle noch Unterstützung wünschen, gerade was die Brückeninspektionen betrifft. Aber ich glaube, da kommen wir weiter. 

Wir haben auch einmal betrachtet, was wir an Finanzmitteln brauchen, um die Landesstraßen und die Brücken in Sachsen-Anhalt besser zu machen oder aber zumindest den Bestand zu erhalten. Wenn wir bei den Straßen bestandserhaltend sein wollen, müssen wir etwa 60 Millionen € im Jahr ausgeben. Alles, was darüber hinausgeht, sorgt dafür, dass wir die Qualität ordentlich verbessern können. 

Abschließend ein Gedanke zur Bahninfrastruktur. Meine Damen und Herren! Ich bin fest davon überzeugt: Keine Bundesregierung, egal wer nach dem 23. Februar in Berlin regiert, wird um die Entscheidung herumkommen, die Bahninfrastruktur inklusive Service, Bahnhöfe und Bahnbau vom Bahnkonzern abzuspalten. 

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ziel muss es sein, Wettbewerb auf der Schiene zu realisieren. Die Infrastruktur darf nicht ständig in Mithaftung genommen werden für Konzernergebnisse. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass die Gelder doch ein bisschen unkontrolliert von A nach B gehen. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann werden wir immer mehr Geld in den Bahnkonzern geben, ohne den erhofften Effekt zu erhalten. 

Die Sanierung muss zwingend vorangetrieben werden. Mit einem fast unsteuerbaren Konzernkonstrukt, wie wir es jetzt haben, ist das aus meiner Sicht nicht zu stemmen. Das heißt, die neue Bundesregierung muss das zuerst entscheiden und dann über die vielen Milliarden, die wir brauchen werden, um auch die Schiene wieder so zu ertüchtigen, dass wir nicht alle überlegen, ob wir das Risiko eingehen und das Abenteuer haben wollen, sondern der Bahn auch vertrauen können. - Ich danke für die Aufmerksamkeit. 

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Danke. - Wenn ich es richtig sehe, hat Herr Heuer eine Frage. - Dann mal los. 


Guido Heuer (CDU): 

Danke, Herr Präsident. - Erst einmal danke für die Rede, Frau Ministerin. In 99,9 % der Punkte haben Sie mir aus dem Herzen gesprochen. Das muss man ganz klar und deutlich sagen. 

Eine Frage: Wäre es mit Ihnen als Abgeordnete auch möglich, dass wir es in der Koalition schaffen, über eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung des Verbandsklagerechts zu sprechen? 

(Kathrin Tarricone, FDP: Ja! - Zurufe von der CDU: Ja! - Jawohl!) 


Dr. Lydia Hüskens (Ministerin für Infrastruktur und Digitales): 

Herr Heuer, das steht in unserem Programm. Wir nehmen auch wahr, neben anderen Hemmschuhen im Planungsbereich ist das definitiv ein Punkt, den man in Angriff nehmen muss, und mit uns können Sie das machen.