Ulrich Siegmund (AfD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute geht es um das wichtige Thema der Rente - ein Thema, das jeden von uns früher oder später einmal treffen wird. „Treffen“ meine ich im wahrsten Sinne des Wortes, weil ich persönlich - das muss ich voranstellen - finde es ein Unding, wie man in diesem Land hier mit Menschen umgeht, die teilweise 30 oder 40 Jahre lang gearbeitet haben, die eingezahlt haben, die Kinder großgezogen haben, die teilweise - das wurde noch gar nicht gesagt - Angehörige gepflegt haben, was gar nicht oder oftmals viel zu wenig angerechnet wird. Diese Menschen leben in einem Land, in dem wir den höchsten Anteil an Wohngeldbeziehern unter den Rentnern haben, in dem wir lieber Radwege in Peru finanzieren, anstatt uns um die Menschen zu kümmern, die das Land aufgebaut haben, und wo wir immer noch Leute mit so einer geringen Rente haben, dass sie Pfandflaschen aus dem Müll holen müssen etc. Ich finde es unwürdig, wie man mit der Lebensleistung solcher Menschen in Deutschland umgeht.
(Zustimmung bei der AfD)
Ich finde es auch unwürdig, dass wir hier über so geringe Renten sprechen, die dann auch noch versteuert werden, wo sich der Staat noch einmal etwas zurückholt. Da muss ich die erste Kritik voranstellen: In unseren Augen als AfD ist das eine Doppelbesteuerung. Ein bereits besteuertes Vermögen, wo man die ganze Zeit einzahlen muss, wo man die ganze Zeit vom Brutto etwas abgeben muss und das Netto immer kleiner wird, ist indirekt eine Doppelbesteuerung in unseren Augen.
(Dr. Andreas Schmidt, SPD: Nein!)
Wir sprechen ja, wie gesagt, schon von versteuertem Einkommen.
(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)
In unseren Augen ist das so zu interpretieren.
Das zweite Problem, das ich nennen muss, ist, dass das einfach nicht mehr zum Leben reicht, weil die Grundfreibeträge sich so weit von der Realität entkoppelt haben, dass es einfach zu wenig ist. Man kommt damit nicht mehr über die Runden. Deswegen plädieren wir - erster Punkt - ganz klar für einen Freibetrag in Höhe von 1 800, 1 900 oder 2 000 €. Das wären Freibeträge, über die man sprechen muss, und da sind wir auch gern kompromissbereit, um den perfekten Betrag zu finden.
Zweiter Punkt - auch wenn es viele Kollegen, insbesondere von der FDP, leider nicht interessiert - ist das klare Bekenntnis zur Witwenrente. Das hat noch keiner gesagt, das ist für die AfD aber selbstverständlich. Das wird viel zu wenig gesellschaftlich diskutiert, weil es Kräfte gibt, die die Witwenrente in Deutschland abschaffen möchten.
(Zuruf von der FDP: Wer denn?)
Das wurde politisch in der Vergangenheit mehrfach diskutiert und, wenn ich mich richtig erinnere, von Politikern der Linken und der Grünen angeregt - ganz einfach, weil man den Begriff der Familie auflösen möchte.
(Stefan Gebhardt, Die Linke: Quatsch!)
Die Familie ist das Fundament unserer Gesellschaft und
(Zurufe von der CDU, von den GRÜNEN und von der Linken)
diesen Politikern ein Dorn im Auge. Dazu wollte ich einmal klarstellen, dass das mit der AfD nicht zu machen ist. Wir sehen die Familie als Keimzelle der Gesellschaft und demzufolge die Witwenrente als festen Anker dieser Lebensplanung.
Dritter Punkt: realistische Betrachtung. Ein Arbeitsjahr ist nicht immer gleich ein Arbeitsjahr. Wer 45 Jahre auf dem Bau war, Fliesenleger war, Dachdecker war oder Pfleger war, der hat einen ganz anderen körperlichen Raubbau erlebt als jemand, der eine sitzende Tätigkeit hatte. Ich sage damit nicht, dass eine sitzende Tätigkeit nicht anstrengend sein muss; das kann auch schlimm, anstrengend oder kompliziert sein. Aber am Körper ist das eine ganz andere Verschleißerscheinung. Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Menschen mit 65 oder 66 Jahren gezwungen sind, auf ein Dach zu krabbeln, Fliesen zu legen, in der Pflege 150-Kilo-Patienten zu wenden; das geht einfach nicht. Das geht an der Lebensrealität vorbei, das muss man aussprechen.
Vierter Punkt der AfD-Position: Politiker sollen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Wir wissen nicht, warum das über alle Parlamente hinweg entkoppelt wurde; das muss umgedreht werden: Auch Politiker sollen einzahlen.
Fünfter Punkt - ich bin sehr stolz auf unsere AfD, dass wir diesen Punkt aufgenommen haben; das finde ich hervorragend : ein Grundfreibetrag in Höhe von 12 000 € zum steuerlichen Grundfreibetrag hinzu für Rentner, die gern noch arbeiten möchten, weil es ihnen Spaß macht. Es gibt Rentner, die gern einen Fahrdienst übernehmen, Hausmeister oder Gärtner sind etc. Wir sollten ihnen diesen Spaß lassen in Verbindung mit der Möglichkeit, ein bisschen etwas nebenbei zu verdienen, noch einmal in Urlaub zu fahren. Dafür fordern wir 12 000 € im Jahr als Freibetrag. Das wäre auch gut für die Gesellschaft, weil diese Menschen Lebenserfahrung haben und uns etwas zurückgeben können, uns vielleicht den einen oder anderen guten Ratschlag mit auf den Weg und für die Gesellschaft einen wichtigen Beitrag leisten können.
Das wären fünf gute Punkte von der AfD, die ich gern mit Ihnen diskutieren möchte. Deswegen würden wir diesen Antrag gern in den Sozialausschuss überweisen - das beantrage ich hiermit -, damit wir uns intensiv darüber unterhalten können, weil der aktuelle Umgang in meinen Augen nicht würdevoll ist. Das sollte deswegen so schnell wie möglich behoben werden. Dabei stehen wir als AfD ganz klar an der Seite der Rentner. - Vielen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der AfD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Siegmund, es gibt eine Frage von Herrn Schmidt. Wollen Sie diese beantworten?
Ulrich Siegmund (AfD):
Herr Schmidt? Na sicher.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Offensichtlich. - Dann, Herr Schmidt, haben Sie die Chance, die Frage zu stellen.
Dr. Andreas Schmidt (SPD):
Herr Siegmund,
Ulrich Siegmund (AfD):
Ja, Herr Schmidt.
Dr. Andreas Schmidt (SPD):
Rentenversicherungsbeiträge, die der lohnabhängig Beschäftigte einzahlt, muss er nicht versteuern. Dafür muss er danach die Rente versteuern. Das ist keine Doppelbesteuerung. Welchen Teil davon verstehen Sie nicht?
Vizepräsident Wulf Gallert:
Sie können antworten.
Ulrich Siegmund (AfD):
Herr Schmidt, fachlich gesehen haben Sie recht. Ja, ich gebe es wenigstens zu. Es ist aber trotzdem eine Wortklauberei, Herr Schmidt. Denn: Ich habe ein Brutto als Arbeitnehmer und ich habe ein kleines Netto. Und die Sozialversicherungsbeiträge, Herr Schmidt, ufern immer weiter aus in diesem Land. Bei den Menschen kommt das so an, dass sie arbeiten gehen, ganz viel Geld bezahlen müssen - auf der einen Seite für Steuern, auf der anderen Seite für Sozialversicherungsbeiträge - und dann im Alter, wenn sie irgendwann in den Genuss kommen sollten, eine Rente zu beziehen, der Staat auf das, was sie eingezahlt haben, noch einmal eine Steuer erhebt und daran mitverdient, was sie vorher eingezahlt haben.
Das kann man natürlich mit den Begrifflichkeiten so darstellen, Herr Schmidt.
Aber für die Menschen ist das Ergebnis das Gleiche. Das wollte ich damit sagen. Es ist eine Doppelbelastung. Das ändert sich auch durch eine exakte Begriffsbestimmung nicht. Es bleibt einfach zu wenig Geld bei den Menschen übrig; das will ich damit sagen. Das haben Sie, Herr Schmidt, von der SPD leider nicht verstanden.
(Beifall bei der AfD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Dr. Schmidt darf noch eine kurze Frage stellen.
Dr. Andreas Schmidt (SPD):
Noch eine Frage: Die Rentenversicherungsbeiträge müssen ja nicht aus dem Netto gezahlt werden, sondern aus dem sogenannten Arbeitnehmerbrutto. Verbindet sich jetzt mit Ihrer Vorstellung von Ungerechtigkeit, dass man auf die Erhebung von Rentenversicherungsbeiträgen verzichten sollte und dann aber Renten zu zahlen sind?
(Oliver Kirchner, AfD: Darauf haben Sie keine Antwort!)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Bitte.
Ulrich Siegmund (AfD):
Nein, das hat doch nichts damit zu tun, Herr Schmidt. Ich habe gesagt, dass es für die Menschen nicht verständlich ist, warum der Staat auf das, was sie jetzt einzahlen, später nochmal Steuern erhebt. Das ist das, was bei vielen Menschen draußen ankommt. Deswegen brauchen wir auch diese höheren Freibeträge, Herr Schmidt.
(Dr. Andreas Schmidt, SPD, schüttelt den Kopf)
- Ja, das können Sie nicht verstehen. Das liegt daran, dass Sie nichts mehr mit den Menschen zu tun haben, die das draußen auf der Straße belastet. Deswegen sind Sie bald nicht mehr in diesem Parlament vertreten. Das ist der große Unterschied.
(Beifall bei der AfD)
Übrigens, Herr Schmidt, das gilt auch bspw. für die Erbschaftssteuer; denn Erbschaften sind versteuertes Vermögen. Ich gehe arbeiten, habe irgendwann ein Nettoeinkommen, das ich in diesem Land versteuert habe. Dann möchte ich das meinen Kindern vererben. Darauf will der Staat noch einmal Steuern erheben. Auch das ist eine Doppelbesteuerung. Aber das Ergebnis ist das Gleiche, Herr Schmidt.
(Zuruf von Dr. Andreas Schmidt, SPD)
Es kommt einfach immer weniger Geld bei den Menschen draußen an. Sie als SPD verschenken es lieber in der Welt. Ich habe es vorhin gesagt: Radwege in Peru. Das ist es, wofür niemand Verständnis hat.
(Unruhe - Zuruf von Dr. Andreas Schmidt, SPD)
Das ist der Grund, Herr Schmidt, warum die Menschen die AfD wählen. - Vielen Dank.