Dr. Katja Pähle (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Hohes Haus! Ich nehme für mich und, ich glaube, für die Mehrheit hier im Haus in Anspruch, dass das soeben unwürdig war
(Zustimmung bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)
und dass lediglich der Respekt vor den Opfern es geboten hat, dieser Rede hier im Plenarsaal zu folgen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir nach der letzten Sitzung des Landtags im alten Jahr auseinandergingen, hat niemand von uns geahnt, welch entsetzlicher Schicksalsschlag unsere Landeshauptstadt Magdeburg schon am nächsten Tag treffen würde, was für ein brutales Verbrechen nur wenige Hundert Meter von hier begangen werden würde, welcher Schrecken sich für Magdeburg und für ganz Sachsen-Anhalt über die Weihnachtszeit legen würde. Niemand von uns konnte voraussehen, was damit auch das beherrschende Thema der ersten Landtagssitzung im Jahr 2025 werden würde.
Wir wollen und wir müssen heute über den Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt sprechen. Wir wollen darüber reden, weil wir damit auch das Andenken der Getöteten bewahren und das Schicksal der Trauernden, der Verletzten und der Traumatisierten würdigen wollen. Wir müssen darüber reden, weil es unsere Verantwortung ist zu klären, welche Gefahren im Vorfeld hätten bekannt sein müssen und welche Risiken hätten gebannt werden müssen.
Ich möchte eingangs dem Herrn Ministerpräsidenten dafür danken, dass er die Initiative für die heutige Regierungserklärung ergriffen hat und dass er heute Worte für das eigentlich Unfassbare dieser Tat gefunden hat.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung bei der Linken, bei den GRÜNEN und von der Regierungsbank)
Wir trauern um sechs Todesopfer dieses Verbrechens und bekunden den Hinterbliebenen unsere aufrichtige Anteilnahme. Wir fühlen mit den beinahe 300 Verletzten und mit den zahlreichen traumatisierten Augenzeugen des Geschehens. Wir wünschen ihnen baldige, vollständige Genesung an Körper und Seele.
Für ihren tatkräftigen Einsatz danken wir den vielen Ersthelferinnen und Ersthelfern, den Sanitäts- und Betreuungskräften, der Feuerwehr, den zur Ergreifung des Täters eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten und dem medizinischen Personal in den zahlreichen beteiligten Krankenhäusern. Sie alle sind für die Versorgung der Verletzten, für die Betreuung von Angehörigen und Augenzeugen sowie für die Sicherung des Täters weit über ihre persönlichen Kräfte hinaus tätig geworden.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU, bei der Linken, bei der FDP, bei den GRÜNEN und von der Regierungsbank)
Wir erkennen mit großer Dankbarkeit die Solidarität und Spendenbereitschaft an, die weit über Sachsen-Anhalt hinausreicht. Wir sind froh darüber, dass der Bundespräsident, der Bundeskanzler, der Opferbeauftragte der Bundesregierung und viele weitere schnell vor Ort waren und an der Seite der Magdeburgerinnen und Magdeburger gestanden haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solidarität bedeutet jetzt vor allem, alles für eine schnelle und unbürokratische Hilfe für die Betroffenen zu tun. Wir setzen darauf, dass alle verantwortlichen Akteure, die Landesregierung, die Landeshauptstadt, die beteiligten Hilfsorganisationen und die Opferbeauftragten von Bund und Land, dafür eine gemeinsame Lösung finden.
Ebenso wichtig ist für die Opfer, aber vor allem auch für uns als Gesellschaft insgesamt eine vollständige Aufklärung der Tat, ihrer Hintergründe und Motive. Das ist und bleibt Sache der Justiz, unabhängig davon, dass wir heute einen Untersuchungsausschuss einsetzen werden. Der Generalbundesanwalt hat die Tat nicht als terroristischen Akt eingestuft und deshalb nicht die Ermittlungen übernommen. Das ändert aber nichts daran, dass die Grausamkeit der Tat und ihre verheerende Wirkung insbesondere auf die Magdeburger Stadtgesellschaft einer terroristischen Tat in nichts nachsteht.
(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU, von Eva von Angern, Die Linke, und von Olaf Meister, GRÜNE)
Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Koalitionsfraktionen stellen heute den Antrag auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Ich bin überzeugt davon, dass wir damit auch im Sinne der anderen demokratischen Fraktionen des Hauses handeln. Ein solcher Ausschuss ist mehr als angemessen, wenn es um die Aufklärung der Umstände des schwersten Verbrechens seit Jahrzehnten auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts geht.
Die zeitnahe Einsetzung und der Umfang des Untersuchungsauftrags zeigen deutlich, dass nichts ausgesessen oder unter den Teppich gekehrt werden soll und darf.
(Zustimmung bei der SPD)
Berechtigte Fragen richten sich insbesondere an Polizei, Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden über alle Ebenen hinweg. Das Attentat ist letztlich eine Folge davon, dass die Gefährlichkeit des Täters im Vorfeld trotz zahlreicher Anzeichen nicht erkannt wurde und dass es beim Schutz des Magdeburger Weihnachtsmarktes eine gefährliche Lücke gab. Mit der heutigen Einsetzung hat der Ausschuss noch ausreichend Zeit, um bis zum Ende der Legislaturperiode zu Ergebnissen zu kommen. Klar ist aber auch, wenn sich schon während dieser Zeit gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt, dann kann der Landtag auch kurzfristig handeln. Das gilt bspw. für die Übermittlung von Informationen durch die Polizei an andere öffentliche Stellen. Schon heute zeichnet sich deutlich ab, dass der Informationsfluss zwischen den Behörden in Bund, Land und Kommunen und die Auswertung sicherheitsrelevanter Informationen in diesem Zusammenhang eines der wichtigsten Probleme darstellt.
Dass der Landtag heute die Weichen für umfassende Aufklärung stellt, hat noch eine weitere wichtige Funktion. In Sachsen-Anhalt finden zahlreiche Großveranstaltungen statt, und das soll auch so bleiben. Wir sind stolz auf die Traditionen unserer Volksfeste, auf Festivals und friedliche Versammlungen. Indem wir darüber aufklären, welche Fehler bei der Sicherung solcher Veranstaltungen vermieden werden müssen, können wir auch der Verunsicherung von Bevölkerung und Veranstaltern etwas entgegensetzen.
Bevor ich die Worte an meinen Magdeburger Kollegen Falko Grube abgebe, möchte ich noch eines unterstreichen. Sachsen-Anhalt steht in der Ablehnung dieses brutalen Verbrechens zusammen. Deshalb werden wir nicht zulassen, dass Mitbürgerinnen und Mitbürger für diese Tat in Haftung genommen werden, die nichts, aber auch gar nichts mit den Motiven und Absichten des Täters zu tun haben.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU, bei der Linken, bei der FDP, bei den GRÜNEN und von der Regierungsbank)
Wir verurteilen deshalb die zahlreichen Übergriffe auf Menschen mit Migrationshintergrund, die in den letzten Wochen häufig in der Öffentlichkeit beschimpft und bedroht wurden. Wir begrüßen dementsprechend ausdrücklich die Appelle des Ministerpräsidenten, der Oberbürgermeisterin, der Religionsgemeinschaften, des Integrationsbeirates und vieler weiterer Magdeburgerinnen und Magdeburger, in Trauer und Aufarbeitung zusammenzustehen.
(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP, bei den GRÜNEN und von Eva von Angern, Die Linke)
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit bis hierher.
(Zustimmung bei der SPD)