Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Böse gesagt, handelt es sich hier um das Idealbild eines Schaufensterantrags für die kommende Bundestagswahl. Denn erstens ist die Rente nun wahrlich ein reines Bundesthema und zweitens adressiert Ihr Antrag einfach die große potenzielle Wähler*innengruppe der Rentnerinnen und Rentner.

Das ist legitim. Wahlversprechen sind im Wahlkampf gang und gäbe. Auch die Ihnen folgenden Redner*innen haben ja diese Vorlage in unterschiedlich plumper Art und Weise genutzt. Aber wir sind hier nicht in einer Wahlkampfarena. Überdies   das ist relevant   finde ich das von Ihnen vorgetragene Wahlversprechen auch nur zur Hälfte überzeugend.

Ihren konzeptionellen Ansatz einer Bürgerversicherung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung tragen wir mit. Das Prinzip der Bürgerversicherung ist für alle Säulen der deutschen Sozialversicherung der Königsweg, um die Einnahmeseite nachhaltig und fair zu verbessern.

Aber Ihre eigentliche konkrete Forderung, Renten unter 1 800 € steuerfrei zu stellen, ist ein bisschen erratisch und letztlich   darauf haben meine Vorredner schon hingewiesen   nahezu FDP-Sprech. Mehr Netto vom Brutto - das überzeugt mich nicht nur nicht, sondern das finde ich auch ungerecht. Warum? - Ganz einfach: Sie würden mit Ihrem Vorschlag auch hohe Renten besserstellen als Niedriglöhne.

Kurz erklärt: Der steuerpflichtige Teil der Rente errechnet sich aus dem Abzug des Rentenfreibetrages und des Grundfreibetrages. Der Rentenfreibetrag   das wurde schon vorgerechnet   liegt aktuell bei 16,5 % und reduziert sich jedes Jahr um 0,5 %, bis dann im Jahr 2058 die Rente zu 100 % versteuert werden muss.

Was aber stets auch greift, heute und wahrscheinlich auch im Jahr 2058, ist der Grundfreibetrag, für Erwerbseinkommen wie für Renten. Der Grundfreibetrag ist von Rentenzahlungen wie von Erwerbseinkommen abzuziehen und nur der Rest wird dann versteuert. Derzeit beträgt dieser Grundfreibetrag bei 12 096 €.

Dieser Grundfreibetrag wird ausgehend von einem soziokulturellen Existenzminimum berechnet und bewegt sich damit in etwa auf der Höhe der Pfändungsgrenze und der Regelsätze des Bürgergeldes. Der Grundfreibetrag bezieht sich also auf einen Betrag, den es mindestens braucht, um eine minimale soziokulturelle Teilhabe zu gewährleisten. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Daher umfasst dieser Betrag auch Bildung, Kultur und Mobilität.

Der Grundfreibetrag ist letztlich Ausfluss des Sozialstaatsgebots und der Menschenwürde. Ganz sicher muss man die Berechnungsgrundlage für diesen Grundfreibetrag betrachten. Das ist eine politische Aufgabe. Das Existenzminimum muss steuerfrei sein, und zwar für alle. Warum sollten wir also als Politik für die Gruppe der Rentnerinnen einen höheren Grundfreibetrag einführen? Das muss man sich insgesamt anschauen. An dieser Stelle nur für die Rentnerinnen zu schrauben, ist ungerecht.

Warum die Renten an dieser Stelle einseitig besserstellen? Warum Beziehende von Erwerbseinkommen einseitig belasten? Das erschließt sich mir nicht. Damit stellen Sie auch die hohen Renten steuerlich besser als niedrige Erwerbseinkommen. Das scheint mir an dieser Stelle ungerecht.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte an das anknüpfen, was von der FDP hereingerufen wurde. Ausgangpunkt der nachholenden Besteuerung der Renten, also das jährliche Abschmelzen des Rentenfreibeitrages bis in das Jahr 2058 beruht auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die ungleiche Besteuerung von Renten im Vergleich zu Pensionen und Betriebsrenten als unvereinbar mit dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes einstufte. Wenn Renten bis zu 1 800 € steuerfrei wären, wie im vorliegenden Antrag formuliert, dann würde dies eine ähnliche Schieflage bewirken, wie sie das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf Renten und Pensionen schon einmal abgelehnt hat.

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

Zu Ihrem Antrag hätten wir uns der Stimme enthalten, aber ich finde, eine Ausschussberatung darüber ist okay. - Vielen Dank fürs Zuhören.