Rüdiger Erben (SPD):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die allermeisten Menschen in Sachsen-Anhalt haben den Jahreswechsel friedlich gefeiert. Warum sollten wir ihnen und ihren Familien eine fröhliche Silvesternacht mit traditionellem Feuerwerk versagen? Trotzdem: Um den Jahreswechsel starben in Deutschland fünf Männer bei Unfällen mit Feuerwerkskörpern.
(Ulrich Siegmund, AfD: Illegalen!)
In allen Fällen waren die Geschädigten gleichzeitig auch die Täter, nämlich diejenigen, die mit den Dingern experimentiert haben. Ein 45-jähriger deutscher Mann in Oschatz, ein 50-jähriger Deutscher in Hartha,
(Lothar Waehler, AfD: Jetzt aber! Ein Deutscher!)
ein 21-jähriger Deutscher in Kremmen in Brandenburg - nur um die unmittelbar in Sachsen-Anhalt und in angrenzenden Regionen geschehenen Fälle zu benennen. Es gab viele Verletzte sowie Schäden an Häusern und an der Infrastruktur.
(Lothar Waehler, AfD: Das hat es immer schon gegeben! Immer!)
Deswegen ist es auch kein Wunder, dass über eine Beschränkung von Feuerwerken diskutiert wird. Wenn millionenfach eine Petition unterzeichnet wird, dann zeigt das, dass diese Diskussion zulässig ist und dass es auch sehr gute Argumente gibt. Ich will ehrlich einräumen, dass es in meiner Fraktion ein breites Meinungsspektrum in Bezug auf die Frage einer Beschränkung von Feuerwerk gibt.
(Guido Kosmehl, FDP: Nichts anderes haben wir erwartet bei einer Volkspartei!)
Ich glaube, das geht anderen ähnlich.
(Guido Kosmehl, FDP: Nein!)
Das hat manchmal ganz banale Gründe, etwa weil man einen Hund zu Hause hat, der sich an Silvester vor Angst versteckt.
(Guido Kosmehl, FDP: Was? - Felix Zietmann, AfD: Frauen verstecken sich nachts in der Großstadt! Aber das interessiert nicht!)
Das hat auch etwas mit eigenen Erlebnissen zu tun. Ich glaube, deswegen ist das auch zulässig.
Für die Verletzungen und Sachbeschädigungen das hat auch der Zwischenruf von der AfD aufgezeigt sind vor allem illegale Feuerwerkskörper verantwortlich. Häufig sind es sogenannte Kugelbomben. Deren Einfuhr nach Deutschland ist bekanntlich verboten.
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Richtig!)
Dennoch werden sie aus Polen und Tschechien eingeschmuggelt. Es ist illusorisch, so etwas allein mit schärferen Grenzkontrollen verhindern zu wollen. Mit diesen Staaten muss aus meiner Sicht die Europäische Kommission ernsthaft reden.
(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)
Es geht nämlich nicht um die illegale Einfuhr, sondern es geht vor allem darum, dass es dort endlich verboten wird, solche Teile überhaupt herzustellen.
(Zustimmung bei der Linken, bei den GRÜNEN und von Guido Kosmehl, FDP)
Das dürfte eine gute Aufgabe für die EU-Kommission sein. Wenn ich sehe, wie detailreich die europäische Ebene Vorgaben in anderen Lebens- oder Wirtschaftsbereichen macht, dann denke ich, es müsste eigentlich gelingen, solche Kugelbomben zu verbieten, deren Produktion und auch deren Handel.
Ich möchte an dieser Stelle zu unserem Alternativantrag kommen. Wir als Koalition sind der Auffassung, dass ein generelles Feuerwerksverbot falsch ist.
(Zustimmung von Stephen Gerhard Stehli, CDU)
Wir sind zutiefst überzeugt davon, dass die richtige Ebene, die entscheidende Ebene dafür die der Kommunen ist. Diese müssen entscheiden, welche Beschränkungen es gibt;
(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU, und von Angela Gorr, CDU)
denn die Kommunen kennen ihre örtlichen Verhältnisse am allerbesten. Deswegen sind wir a) der Auffassung, dass es richtig ist, das in kommunaler Zuständigkeit zu belassen, und b) die Frau Ministerin hat eben darauf hingewiesen: auch bei Feuerwerkskörpern gibt es Entwicklungen dass die Befugnisse so auszugestalten sind, dass sie von den Kommunen effektiv angewandt werden dürfen. In diesem Sinne werbe ich für die Annahme unseres Alternativantrags. - Herzlichen Dank.
(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Erben. Es gibt zwei Nachfragen, eine von Herrn Striegel und eine von Herrn Kohl.
Rüdiger Erben (SPD):
Ja.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Striegel, bitte.
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Herr Kollege Erben, dass das Meinungsbild in den Fraktionen sicherlich nicht nur einheitlich ist, wissen wir. Wir wissen: Deutschlandweit sind 60 % für ein Totalverbot. 2 Millionen Menschen haben gerade bei einer entsprechenden Petition der GdP unterschrieben - eine der erfolgreichsten, wenn nicht gar die erfolgreichste Petition bundesweit.
(Tobias Rausch, AfD: Ja, aber woran liegt denn das?)
Ich habe aber eine andere Frage; denn es ist mir tatsächlich wichtig, dass wir auf einer guten Faktengrundlage miteinander diskutieren. Sie haben gerade gesagt, das Problem seien vor allem die illegalen Artikel, die dann zu Verletzungen führen würden. Woher stammt das Datenmaterial, das Sie haben?
Ich komme gerade aus einer Veranstaltung, die unter anderem von der GdP organisiert worden ist und auf der der Verbund der Augenärztinnen und Augenärzte vorgetragen hat. Danach ist es so, dass über das deutschlandweite Monitoring nur ein sehr geringer Prozentsatz der sehr, sehr vielen Augenverletzungen ich sage nachher noch etwas zu den Zahlen auf illegale Feuerwerksartikel zurückzuführen ist, aber der weit, weit überwiegende Teil auf solche, die in Deutschland zugelassen sind. Insofern interessiert mich Ihre Datengrundlage. Woher kommen die Daten? Damit wir hier miteinander auf einer guten Faktenbasis diskutieren.
(Ulrich Siegmund, AfD: Ach, Herr Striegel!)
Rüdiger Erben (SPD):
Meine Aussage vorhin bezog sich auf die tödlichen Verletzungen. Wenn Sie bspw. Augenverletzungen ansprechen - dazu brauchen Sie nicht die Sprengkraft illegaler Pyrotechnik, die erzeugen Sie auch so.
(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Schauen wir uns einmal die Toten durch Feuerwerkskörper beim letzten Silvester an: Vier von fünf Todesfällen sind darin begründet, dass mit Feuerwerkskörpern experimentiert worden ist, die zumindest in Deutschland nicht zugelassen waren. Darauf bezog sich das.
(Ulrich Siegmund, AfD: Ja, und das ist der Unterschied! - Lothar Waehler, AfD Idioten gibt es immer!)
- Was ist daran ein Unterschied?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Kohl, bitte.
Hagen Kohl (AfD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Erben, vielen Dank, dass ich die Frage stellen darf. Zunächst eine kleine Nachfrage. Haben Sie gesagt, dass man mit Polen und Tschechien darüber sprechen müsse, dass bestimmte Pyrotechnik dort nicht mehr hergestellt werden soll?
Rüdiger Erben (SPD):
Ich habe nicht gesagt, dass w i r mit denen sprechen müssen, sondern dass das eine Aufgabe der EU-Kommission ist.
Hagen Kohl (AfD):
Vielen Dank. - Ich habe Silvester in diesem Jahr in Polen gefeiert, zusammen mit vielen Polen und auch Deutschen, und wir haben dort ein imposantes Feuerwerk erlebt. Dort haben sich alle benommen; es ist nichts passiert. Das war wirklich wunderbar, das war eine Freude für alle Beteiligten.
Wenn jetzt die EU kommt und sagt: „Ihr solltet diese und jene Pyrotechnik vielleicht nicht mehr produzieren, weil es in Deutschland ein paar Idioten gibt, die sich nicht benehmen können“ - wie wollen Sie das denn vermitteln? Wollen Sie den Polen jetzt noch den Spaß nehmen?
(Zustimmung bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Erben.
Rüdiger Erben (SPD):
Herr Kohl, wenn Sie mir zugehört haben, dann werden Sie festgestellt haben, dass ich bspw. von den sogenannten Kugelbomben gesprochen habe. Meine persönliche Fantasie reicht, ehrlich gesagt, nicht so weit, dass man in Polen mit Kugelbomben der Klasse F4, die bspw. eingeführt worden sind, gesellig und diszipliniert Silvester feiern kann.
(Olaf Meister, GRÜNE, lacht)
Ich gebe zu, ich habe in Polen noch nicht Silvester gefeiert, aber wenn ich mir vorstelle, dass diese Kugelbomben, die wir hier in Deutschland zum Teil im Einsatz erlebt haben, dort auf Silvesterpartys gezündet werden, dann dürfte das eine ziemlich explosive Veranstaltung sein.