Sebastian Striegel (GRÜNE):
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Die Transformation unserer Energie- und Industrielandschaft ist in vollem Gange und sie ist auch notwendig. Das Land Sachsen-Anhalt hat eine lange Tradition als erfolgreiche Energieregion. Darauf gründet auch unsere erfolgreiche Industriegeschichte. Wir als GRÜNE wollen, dass das so bleibt. Deshalb unterstützen wir diese Transformation von ganzem Herzen. Die Wasserstoffwirtschaft ist dabei ein wesentlicher Bestandteil.
In meinem Wahlkreis, im Saalekreis, schauen wir mit einigen Sorgen in Richtung Leuna und sehen dort, dass ein großes Elektrolyseurprojekt nicht vorankommt, ein 100-MW-Elektrolyseur der Linde AG, der nicht vorankommt,
(Zuruf von der CDU: Doch!)
obwohl die Bundesregierung, obwohl die EU-Kommission alles Notwendige auf den Weg gebracht hat, es aber an der Kofinanzierung durch das Land mangelt.
(Unruhe bei der CDU)
Meine Frage an den Wirtschaftsminister: Was tut er, was tut die Landesregierung, damit wir als Land an dieser Stelle erfolgreich sein werden und unsere Industriegeschichte weiterschreiben können?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Striegel. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Schulze.
(Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Striegel, das ist eine Frage, mit der sich die Landesregierung - auch die vorherige Landesregierung - schon sehr lange und sehr intensiv beschäftigt. Vielleicht beschäftigt sich nicht jeder hier mit diesem Thema so intensiv; das ist auch nicht jedermanns Aufgabe.
Wir haben in Sachsen-Anhalt tatsächlich den größten oder den leistungsstärksten Elektrolyseur Deutschlands. Dieser Elektrolyseur in Sachsen-Anhalt hat eine bestimmte Leistung. Wenn man sich die Ziele, die sich die aktuelle Bundesregierung gesetzt hat, anschaut, wie viel Wasserstoff wir im Jahr 2030 erzeugen müssten, um die Ziele zu erreichen, dann stellen wir fest, wir brauchten 800 von diesen Elektrolyseuren. Und es gibt gerade einen in Sachsen-Anhalt. - Das ist das Erste.
Das heißt, sicherlich arbeitet man an den Zielen, auch wir in Sachsen-Anhalt. Der Energieminister Armin Willingmann und ich als Wirtschaftsminister haben verschiedene Projekte. Übrigens läuft im Burgenlandkreis schon ein Projekt, das aus unserem Haus kommt. Aber - das ist das Nächste, das ich sagen will : Bei allen Unterstützungsleistungen des Staates für den Steuerzahler muss man sich immer die Ziele vor Augen führen und die Frage stellen: Sind diese Ziele überhaupt erreichbar,
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
und ist das Geld, das man einsetzt, sinnvoll?
Als Zweites will ich Ihnen sagen: Ich glaube, dass Wasserstoff ein wesentlicher Grundstoff für die Zukunft in Sachsen-Anhalt auch für die chemische Industrie ist. Aber ich stelle mir immer wieder die Frage - das bespreche ich auch mit Unternehmen, zuletzt auf einem Chemiegipfel im Dezember dieses Jahres , ob die Anstrengungen, die wir unternehmen, dazu beitragen, Lösungen für die aktuellen Probleme zu finden. Ich stelle mir die Frage - das tue nicht nur ich; das machen viele -, ob die Industrie, für die wir das machen, unter den Bedingungen, die wir heute haben, in 20, 30 oder 40 Jahren überhaupt noch existieren wird.
(Zustimmung bei und Zuruf von der CDU)
Deswegen gilt im Moment - der Ministerpräsident war persönlich bei Ursula von der Leyen; ich als Wirtschaftsminister und der Energieminister sind eigentlich fast täglich zu diesen Themen unterwegs - unsere höchste Aufmerksamkeit, unsere erste Anstrengung dem Ziel, den Unternehmen in Sachsen-Anhalt alle Möglichkeiten zu geben, die wir haben, sodass sie auch in den nächsten Jahren noch existieren.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Ich sage das, weil ich seit vielen Jahren Politik erlebe und man manchmal das Gefühl hat, es wird vielleicht ein bisschen überspitzt. Die Situation in der chemischen Industrie in Sachsen-Anhalt war noch nie so herausfordernd wie aktuell. Es gibt große und kleine Unternehmen, die aus meiner Sicht ganz bewusst und völlig zu Recht sagen: Wenn jetzt keine Lösungen geschaffen werden, im Wesentlichen in Berlin und in Brüssel, dann haben wir in Deutschland und in Europa wahrscheinlich keine Zukunft mehr. Deswegen gilt ihnen die allererste Anstrengung. Denn Sie fragten, welche Anstrengungen wir unternehmen. Jetzt geht es darum, das Überleben der Unternehmen zu sichern.
Das Thema Wasserstoff wird auch bei uns vorangetrieben, auch finanziell mit Landesmitteln untersetzt. Aber ich sage hier auch - ich werde mich dafür auch in Zukunft einsetzen : Ich möchte mit der Bundesregierung und mit der Europäischen Union auch darüber diskutieren, ob die Ziele, die man sich gesetzt hat, in dem Zeitraum, den man sich gegeben hat, erreichbar sind oder ob wir zumindest über einzelne Zeiträume noch einmal diskutieren können.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Andreas Silbersack, FDP)
Nun zu diesem Projekt. Es ist mir wohlbekannt. Wir als Land haben auch bei diesem Projekt erlebt - federführend ist ja ein grünes Ministerium in Berlin , dass der Bund sagt „Wir investieren viel Geld“, und dann uns als Land - Michael Richter ist heute leider krankheitsbedingt nicht da; er kennt das Thema auch sehr gut - bzw. die Bundesländer - es ist nicht nur das Land Sachsen-Anhalt - viel zu wenig mitnimmt und fordert: Wir erwarten jetzt von euch eine Kofinanzierung. Das sind oft nicht nur 3, 4 oder 5 Millionen €, sondern wir haben, wenn ich die Projekte nur bei mir im Wirtschaftsbereich addiere, locker Kofinanzierungen im Umfang von mehr als 100 Millionen €, wo der Bund sagt: Die finden wir richtig, die wollen wir auch in Sachsen-Anhalt unterstützt sehen, aber, liebes Land, wir erwarten einen Anteil. Meist redet von etwa 30 %; bei den IPCEI-Projekten, die auch bekannt sind, geschieht dies in ähnlicher Form. Dann schauen wir uns unseren Landeshaushalt an. Sie kennen alle meinen Einzelplan 08. Das ist so nicht abbildbar.
Deswegen haben wir auch bei diesem Projekt dem Bund Vorschläge unterbreitet, was die Finanzierung betrifft. Wir haben mit ihm gesprochen. Wir haben auch mit den Unternehmen gesprochen, nicht nur bei diesem Projekt, sondern auch bei anderen Projekten, ob es eine Möglichkeit gibt, dass der Anteil des Landes, wenn wir nicht alles finanzieren können, vielleicht auch von anderen übernommen wird, bspw. von den Unternehmen selbst.
Das ist ein Vorschlag, den wir gemacht haben, der auch in Einzelfällen auf Resonanz gestoßen ist. Ich habe dort mit Sven Giegold - das ist der zuständige Staatssekretär, den ich aus meiner Zeit im Europäischen Parlament sehr gut kenne - Gespräche geführt, auch mit Herrn Robert Habeck. Das heißt, wir nehmen schon alle Anstrengungen auf uns, um solche Projekte umzusetzen. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch in der Zukunft Projekte geben wird, bei denen es uns schwerfallen wird, sei zu kofinanzieren.
Ich möchte darauf hinweisen, dass auch im aktuellen Haushalt, über den wir in den nächsten Tagen sicherlich weiter diskutieren werden, für die Mittelstandsförderung und auch für solche Projekte mit einer Summe von etwas mehr als 200 Millionen € bei Einzelplan 08 Mittel in Höhe von 150 Millionen € für die Wirtschaftsförderung zur Verfügung stehen. Das heißt, wir kümmern uns sehr intensiv auch um diese Projekte. Ich habe jetzt die Gesamtproblematik etwas umfassender geschildert. Es ist also nicht so, dass der Bund etwas machen will, das Land sagt, wir können das nicht finanzieren, und das war es dann, sondern wir kämpfen tagtäglich dafür, dass auch solche Projekte auf den Weg gebracht werden, um Sachsen-Anhalt weiter zukunftsfähig zu machen. - Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank. - Herr Striegel hat eine Nachfrage.
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Ich stelle fest, Frau Präsidentin, vom Wirtschaftsminister gibt es viele warme Worte, aber keine Energie für die Unternehmen an meinem Standort. Das ist ein Problem.
(Oh! bei der CDU und bei der FDP - Jörg Bernstein, FDP: Also! Lächerlich! - Unruhe)
Wir brauchen konkrete Unterstützung, um die Transformation bei uns zu schaffen.
(Unruhe)
Wir sind in Leuna - ich verweise auf UPM und andere Investitionsprojekte - schon ein gutes Stück vorangekommen. Ich glaube, wir im Süden Sachsen-Anhalts müssen uns überhaupt nicht verstecken, aber wir brauchen mit Blick auf die Wasserstoffwirtschaft konkrete Unterstützung.
Linde hat gesagt, wir wollen bauen.
(Zuruf: Hoffentlich machen die das!)
Die Bundesförderung ist genehmigt, die EU-Genehmigung ist da. Es fehlt der Kofinanzierungsanteil des Landes.
Die Vorschläge, die Sie unterbreitet haben, haben sich auch in Brüssel als nicht gangbar erwiesen. Das wissen Sie als ehemaliger Europaabgeordneter ganz genau.
Meine Frage ist: Was sagen Sie ganz konkret zu Linde, die am Standort weiter investieren und ihre Aktivitäten dort verstärken wollen? Wie schaffen wir es mit Unterstützung der Landesregierung, diesen 100-MW-Elektrolyseur dorthin zu bekommen?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Minister.
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Es war mir wichtig zu erklären, wie die Gesamtsituation ist. Ich glaube nicht, dass das warme Worte waren. Man sollte verstehen, dass wir eine große Komplexität zu beachten haben. - Das ist das Erste.
Das Zweite ist: Herr Abg. Striegel, Sie tun jetzt so, als ob auf der einen Seite das Unternehmen, in diesem Fall Linde, und auf der anderen Seite die Landesregierung stünde und wir nicht gemeinsam versuchen würden, Lösungen zu finden.
(Unruhe)
Wir sind wirklich sehr intensiv, auch immer in Absprache mit der Bundesregierung mit den Unternehmen im Gespräch, und wir haben nicht die Situation, dass Linde oder andere jetzt kommen und sagen, es liegt daran, dass das Land nicht will, sondern wir haben gemeinsam Verständnis für die Gesamtsituation, Herr Striegel.
(Unruhe)
Das große Thema ist auch - auch das muss ich Ihnen sagen; dazu müssen Sie bitte Ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen in Berlin fragen; Sie haben ja noch einige Tage die Verantwortung dort :
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)
Wenn der Bund diesen Weg vorgibt, aber sagt, ein wirklich großer Anteil muss aus den Ländern kommen, und dabei weiß, wie die finanzielle Situation der Länder ist - Sachsen-Anhalt ist ja nicht das einzige Land in Deutschland, das in Bezug auf den Haushalt Herausforderungen zu bewältigen hat ,
(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)
dann erwarte ich vom Bund auch, dass er größere Anstrengungen unternimmt, um mit uns gemeinsam die Finanzierung auf den Weg zu bringen, und nicht immer nur sagt: Entweder ihr zahlt euren Anteil oder ihr macht es nicht.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Deswegen, Herr Striegel, lasse ich es vor allen Dingen mit Blick auf meine Kolleginnen und Kollegen nicht zu, dass Sie dem Landtag das Gefühl geben, wir würden nichts tun. Fragen Sie doch bitte einmal - Sie sind dort nicht vertreten, weil es nicht Ihr Ausschuss ist - Ihre Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuss.
(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Olaf Meister wird das bestätigen. Wir diskutieren diese und andere Themen regelmäßig auch im Ausschuss, und zwar sehr transparent. Wir diskutieren dort auch immer die Herausforderung des Landes, Dinge mitzufinanzieren, weil nicht alle Wünsche, die Frau Lemke, Herr Habeck oder andere auf den Weg gebracht haben, in diesem Deutschland tatsächlich finanzierbar sind. - Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Minister Schulze.