Wulf Gallert (Die Linke): 

Ich gebe gern zu: Auch ich bin etwas irritiert, dass die Landesregierung zumindest dazu keine Meinung geäußert hat. Aber das dürfte eher ein Problem der Koalitionsfraktionen als meines sein.

Wir haben jetzt die Situation, dass wir einen Antrag der AfD haben, offensichtlich der neuen blauen Friedenstauben,

(Oliver Kirchner, AfD: Richtig! - Zuruf von der AfD: Richtig!)

die versucht, die Gefahr eines Krieges zu thematisieren, um daraus politisches Kapital zu schlagen.

(Oliver Kirchner, AfD: Schwachsinn!) 

Gucken wir uns einmal an, wie diese blauen Friedenstauben agieren - diejenigen, die noch bei den letzten Wahlen Plakate aufgehängt haben: Spielplätze statt Waffen.

(Zuruf: Jawohl! Das war ein schönes Plakat!)

Inzwischen fordert Frau Weidel, dass die 2 % des Bruttoinlandsproduktes für die nationale Aufrüstung erstens viel zu spät kommen und zweitens viel zu wenig sind.

(Stefan Gebhardt, Die Linke: Ach!)

Die AfD ist ganz klar eine Partei der militärischen Aufrüstung. 

(Zustimmung bei der Linken) 

Was glauben Sie wohl, wie innerhalb Europas oder möglicherweise auch in dem von Ihnen so heiß geliebten Putin-Russland eine solche Ankündigung ankommt? Eine massive Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der NATO bedeutet alles andere als Entspannung, sondern trägt dazu bei, an der Rüstungsspirale zu drehen und dieses Land noch unsicherer zu machen. 

(Zustimmung bei der Linken) 

Deswegen ist Ihr ganzer Antrag völlig verlogen. 

(Zustimmung bei der Linken) 

Es geht weiter: Es geht ja nicht nur darum, dass nach der Meinung der AfD immer mehr Geld aus dem deutschen Bruttoinlandsprodukt für Aufrüstung ausgegeben werden soll, obwohl Sie das Gegenteil plakatieren - das ist verlogen bis zum Gehtnichtmehr  , nein, es geht auch noch darum, dass die Menschen dafür bereitgestellt werden, 

(Zuruf: Ja!) 

und zwar diejenigen, die hier leben, also unsere Kinder und unsere Enkel. Es geht darum, dass die AfD ganz klar feststellt, dass sie die Wehrpflicht wieder einführen will. Sie geht sogar noch weiter darüber hinaus; 

(Zurufe von der AfD) 

sie hat nicht einmal eine zeitliche Begrenzung dafür: Die Wehrpflicht soll so lange durchgesetzt werden bzw. so lange dauern, wie die AfD meint, dass man es für eine Kriegsvorbereitung braucht. Das sind die blauen Friedenstauben der AfD. Verlogen bis zum Gehtnichtmehr.

(Beifall bei der Linken) 

Kennen Sie Ihr eigenes Parteiprogramm nicht? Ich kann für Sie gern daraus zitieren. Möglicherweise - ich habe ein bisschen den Eindruck - 

(Zurufe von der AfD) 

hoffen Sie, dass die Menschen, die draußen Ihre Plakate sehen, Ihre Parteiprogramme nicht kennen.

(Zuruf von der AfD: Ach!)

Wir kennen sie und wir werden Sie darüber aufklären, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der Linken)

Jetzt kommen wir noch einmal zu dem Thema Ukraine. Wir müssen ganz klar sagen: Wir haben es hierbei mit einer Situation sehr widerstreitender Interessen und einer sehr komplexen Problematik zu tun, in der es unterschiedliche, aber völlig berechtigte Ziele gibt. Deswegen kann es hier übrigens keine für alle befriedigende und optimale Lösung geben. Ich will zwei Dinge nennen. 

Erstens. Die Ukraine ist Opfer der massiven Brutalität eines aggressiven russischen Imperialismus geworden. Das festzuhalten, muss am Anfang einer solchen Debatte stehen. Wer sich einmal die Bilder aus Butscha angeguckt hat, der kann die Brutalität nicht leugnen und darf keine einzige Silbe zur Legitimität dieses russischen Angriffs äußern.

(Zustimmung bei der Linken und bei der FDP) 

Zweitens. Es ist - das ist leider schon vor zwei Jahren deutlich gewesen - ein zermürbender Vernichtungskrieg. Wer sich die Bilder von den umkämpften Regionen in der Ostukraine wirklich einmal anschaut, der weiß, dass dort nichts mehr steht. Das sind inzwischen Bilder wie aus dem Gazastreifen. Die Zivilbevölkerung dort ist der AfD übrigens völlig egal. Die Kriegsverbrechen dort interessieren sie überhaupt nicht. Das ist nur in diesem Falle so. 

(Zustimmung bei der Linken - Zurufe von der AfD)

Ich sage mit aller Deutlichkeit: Es gilt, auch das in das Kalkül zu ziehen. Wir können nicht so tun, als würde es in der Ukraine ein relativ baldiges Kriegsende geben, sodass es nicht mehr zu unendlich viel Leid und zu unendlich vielen Opfer durch die Fortsetzung des Krieges kommt. 

Natürlich - auch das muss man sagen - gibt es die Eskalationsbereitschaft Russlands, diesen Krieg im Falle einer potenziellen Niederlage auf ganz in Europa auszudehnen. Putin hat jetzt eine neue Direktive zum Einsatz von Atomwaffen unterschrieben. Ich will sie hier einmal kurz erläutern. Das bedeutet: Wenn Länder mit konventionellen Waffen - mit konventionellen Waffen!  , sprich mit Marschflugkörpern, Russland angreifen, diese Ländern aber mit Ländern verbunden sind, die über Atomwaffen verfügen, dann ist das neuerdings eine Legitimation für einen atomaren Erstschlag. 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Herr Gallert. 


Wulf Gallert (Die Linke):

Jetzt kann man äußern, dass das alles nicht wahr wird. Aber das weiß niemand von uns. Und deswegen sind das widerstreitende Interessen. 

Unsere Position ist: Keine Waffenlieferungen, diplomatische Bemühungen, aber knallharte Sanktionen, um sich von Russland und von dessen Öl und Gas unabhängig zu machen. - Danke, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

(Zustimmung bei der Linken)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Es gibt eine Intervention und eine Frage. Wir fangen mit der Intention an. - Herr Scharfenort. 


Jan Scharfenort (AfD): 

Erstens. Es war ja ein netter Versuch, einen Widerspruch zwischen Verteidigungsfähigkeit und Kriegslüsternheit in der AfD zu konstruieren. 

(Oliver Kirchner, AfD: Richtig!) 

Es ist doch ganz einfach erklärt. Was wollen wir? Wir wollen natürlich die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr wiederherstellen. Ich gebe Ihnen einmal ein Beispiel: Wir haben heute nicht einmal mehr 300 funktionsfähige Panzer. Die DDR hat 3 000 gehabt, und die haben auch funktioniert.

(Unruhe bei der Linken und bei den GRÜNEN - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE - Rüdiger Erben, SPD, lacht)

Trotzdem wäre die DDR niemals auf die Idee gekommen, Raketen irgendwohin zu schicken. Und genau darum geht es. 

(Unruhe bei der Linken und bei den GRÜNEN

Zweitens sind Sie nicht auf dem neuesten Stand; denn die Wehrpflicht haben wir herausgenommen. Die gibt es bei der AfD nicht. Lesen Sie es einmal nach, ganz aktuell. Gucken Sie einmal in die Presse. 

(Florian Schröder, AfD: Fake News!) 

Dann können Sie das auch einmal richtigstellen.

(Zustimmung bei der AfD - Zuruf von der AfD: Richtig!)


Wulf Gallert (Die Linke): 

Na ja, Herr Scharfenort, wissen Sie, inzwischen ist das für mich wirklich ein Festspiel, noch einmal deutlich zu machen, wie extrem widersprüchlich die Positionen innerhalb der Fraktion sind, ohne dass Sie es merken.

(Hendrik Lange, Die Linke: Also die sind zerstritten!)

Gegen wen wollen Sie denn eigentlich aufrüsten? Frau Weidel stellt sich hin und sagt, 2 % des Bruttoinlandsproduktes, also 80 Milliarden €, reichen nicht; wir brauchen mehr. Gegen wen wollen Sie denn jetzt aufrüsten? Wollen Sie gegen Frankreich aufrüsten? Wollen Sie gegen Trump aufrüsten? Wollen Sie gegen China aufrüsten? 

(Olaf Meister, GRÜNE: Russland nicht!)

Also Russland scheint es ja nicht zu sein. 

(Jan Scharfenort, AfD: Verteidigung! - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE) 

Ich sage ganz eindeutig: Na klar besteht diese Forderung. - Herr Scharfenort, dann lesen Sie doch einmal die Interviews von Frau Weidel und gucken Sie in Ihrem Grundsatzprogramm nach. Darin steht die Wehrpflicht. 

(Zurufe von der AfD: Nein!) 

Frau Weidel ist vor drei Wochen in einem Interview danach gefragt worden, ganz klar, und sie hat definitiv gesagt, sie ist für die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

(Jan Scharfenort, AfD: Lüge!) 

Ihr Kollege als Parteivorsitzender sagt, er ist dagegen. Das ist genau die Situation, die wir hier permanent mit der AfD haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. So schaut es aus.

(Oliver Kirchner, AfD: Falsch bleibt falsch! - Zuruf von Stefan Gebhardt, Die Linke)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Es gibt eine weitere Frage. - Herr Büttner, bitte.


Matthias Büttner (Staßfurt) (AfD): 

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielleicht gab es ein Missverständnis. Es sollte eigentlich eine Kurzintervention werden. Ich stand hier auch. Aber egal. 

Jetzt zum Kern der Sache. Herr Abgeordneter, ich habe mir Ihre Rede angehört und habe relativ früh angezeigt, dass ich dazu etwas sagen möchte, weil ich dachte, dass es die einzige Verdrehung ist, die Sie bei Ihrer Rede tätigen. Aber Ihre Rede war eine einzige Verdrehung. 

Ich möchte mit einer Sache aufräumen. Wenn Sie sagen, dass die AfD für Aufrüstung ist und 2 % des BIP dafür ausgeben will, 


Wulf Gallert (Die Linke): 

Mehr. 


Matthias Büttner (Staßfurt) (AfD): 

dann haben Sie scheinbar nicht verstanden, dass das genau das ist, was Deutschland innerhalb der NATO zur Verteidigung des NATO-Gebietes leisten muss. Es ist etwas anderes - das ist der riesengroße Unterschied  , wenn man Waffen in die Ukraine schickt, die Nicht-Mitgliedsland der EU und der NATO ist, und damit einen Krieg befeuert, der dazu führt, dass millionenfach Flüchtlinge nach Deutschland kommen, was massiv Geld kostet. Das ist der große Unterschied, den Sie nicht verstehen. Wir müssen unseren Teil innerhalb der NATO leisten. Das ist ein Fakt, und das hat nichts damit zu tun, dass man woanders auf der Welt Kriege befeuert. Das ist das eine.

(Beifall bei der AfD)

Das andere ist, dass Sie nicht auf dem neuesten Stand sind. Die AfD hat die Wehrpflicht aus ihrem Programm gestrichen. Bitte googeln Sie das noch einmal, bevor Sie hier Reden halten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)


Wulf Gallert (Die Linke): 

Erstens. Falls Letzteres der Fall sein sollte, hat das Ihre Parteivorsitzende vor drei Wochen noch nicht gewusst.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Aktuell vorbereiten! - Stefan Gebhardt, Die Linke, lacht)

Das Zitat können wir gern heraussuchen. Ich meine, ich halte das alles bei der AfD für möglich. 

(Olaf Meister, GRÜNE, lachend: Natürlich!)

Aber trotzdem ist das zumindest verwunderlich. 

Zweitens zum 2-%-Ziel der NATO. Das 2-%-Ziel der NATO, übrigens von den USA diktiert, die nun neuerdings Ihre Freunde sind, hat die Bundesrepublik Deutschland zehn Jahre lang nicht interessiert. 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das ist ja das Problem gewesen!) 

- Ach so. 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Es wurde alles kaputtgespart!) 

- Ah ja, okay. 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Die Flugzeuge fliegen nicht mehr!) 

Also es geht dezidiert um Aufrüstung. 80 Milliarden €    

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Die Panzer fahren nicht mehr! Werden wir angegriffen, sind wir aufgeschmissen!)

- Warten Sie doch einmal. Sie haben mir eine Frage gestellt. Darf ich antworten? - 80 Milliarden € sind etwa 2 % des Bruttoinlandsproduktes. Lesen Sie doch einmal, was Ihre Parteivorsitzende sagt. 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD, begibt sich zum Saalmikrofon) 

- Hören Sie mir doch einmal zu, wenn Sie mir eine Frage stellen.

(Zuruf von der AfD: Bitte!)

- Ihre Parteivorsitzende hat klar gesagt, 2 % reichten nicht aus. Wir brauchen noch viel, viel mehr. 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Weil alles kaputtgespart wurde!)

Ich frage mich: Für wen brauchen wir denn 100 Milliarden € für Aufrüstung? Und dann machen Sie Plakate: Spielplätze statt Waffen. Merken Sie nicht, wie verlogen Ihre eigene Argumentation ist? - Danke, liebe Kollegen.