Guido Heuer (CDU):
Danke, Herr Gallert, das Pult hat zumindest die richtige Höhe.
(Sandra Hietel-Heuer, CDU, und Ulrich Siegmund, AfD, lachen)
Liebe Opposition, seien Sie tapfer: Diese Koalition wird bis zum Jahr 2026 halten, das einmal vorweg.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Eva von Angern, Die Linke: Wenn man das sagen muss! - Wolfgang Aldag, GRÜNE, lachend: Du hast schon manche Dinge gesagt, die sich nicht bewahrheitet haben, lieber Guido! - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE - Weitere Zurufe)
Bei allen Meinungsverschiedenheiten, die wir haben - auch mit Herrn Hövelmann in der einen oder anderen Sachfrage : Diese Koalition wird halten;
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Weil alle Angst haben!)
denn wir sind eine Deutschland-Koalition und keine Ampel; das einmal eingangs.
Aber jetzt wirklich, sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Sache. Denn wir reden hier über die Gegenwart, und wer über die Gegenwart redet und die Zukunft gestalten will, der sollte auch die Vergangenheit kennen. Es war Helmut Kohl, der im Zuge der deutschen Wiedervereinigung blühende Landschaften versprochen hatte. Was aber zunächst kam, war ein brutaler Strukturwandel. Die 90er-Jahre waren geprägt von Betriebsabwicklungen, gebrochenen Biografien und besonders hierzulande von hoher Arbeitslosigkeit.
Ich möchte daran erinnern, dass es einzelne Landkreise wie das Mansfelder Land gab, wo wir seinerzeit 35 % Arbeitslosigkeit plus ABM verzeichnen mussten.
(Kathrin Tarricone, FDP: Ja, ganz genau!)
Während seinerzeit in Thüringen und Sachsen durch CDU-geführte Landesregierungen recht schnell neue Investitionen auf den Weg gebracht wurden, folgte hierzulande eine mehrjährig andauernde wirtschaftliche Schockstarre. Wir waren das Land der roten Laterne. Investoren machten jahrelang einen großen Bogen um Sachsen-Anhalt. Das änderte sich aber deutlich ab dem Jahre 2002. Wer heute blühende Landschaften sehen will und positiv durch die Welt geht, der sieht diese blühenden Landschaften auch - bei aller Kritik, die an der einen oder anderen Stelle sicherlich angebracht ist.
(Zustimmung bei der CDU)
Sachsen-Anhalt ist seit dieser Zeit zu einem der attraktivsten Wirtschaftsstandorte in den neuen Bundesländern geworden - ein Anspruch, der übrigens im Koalitionsvertrag dieser Koalition nachzulesen ist. Ich bin unserem Koalitionspartner FDP sehr dankbar dafür, dass er die heutige Debatte beantragt hat. Es gibt mir die Gelegenheit, einiges Grundsätzliches zur Wirtschaftspolitik in Sachsen-Anhalt und in ganz Deutschland zu sagen.
Die deutsche Volkswirtschaft steckt in einer tiefen Rezession. Während unsere Nachbarländer wieder Wachstum verzeichnen, bleibt Deutschland als wichtigste Industrienation Europas weiterhin das Schlusslicht. Institute, Bundesregierung und Sachverständigenrat haben alle ihre Prognosen gesenkt. Die Wirtschaftsleistung für das Jahr 2025 wird mit nur noch 0,4 % prognostiziert. Die Industrieproduktion schließt das dritte Quartal mit einem schwachen Ausgang ab.
Die Inflationsrate ist im Oktober wieder auf 2 % gestiegen. Dies liegt vor allem an den steigenden Preisen für Lebensmittel und für Energie. Die übliche Herbstbelebung am Arbeitsmarkt bleibt aufgrund der wirtschaftlichen Schwächephase aus. Im Oktober stieg die registrierte Arbeitslosigkeit erneut merklich an. Eine Belebung des Arbeitsmarktes ist derzeit nicht absehbar. Der IWH-Insolvenztrend registriert den höchsten Stand an Insolvenzen seit ca. 20 Jahren. Die Stimmungslage der Gesamtwirtschaft ist im Keller. Weder bei der Industrie noch beim Mittelstand oder beim Handwerk gibt es Aussicht auf eine konjunkturelle Erholung.
Deutschland befand sich seit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 in einer 13-jährigen Wachstumsphase. Die maßgeblich gründominierte Wirtschaftspolitik der Berliner Ampel hat in nur drei Jahren die gesamte deutsche Volkswirtschaft heruntergewirtschaftet.
(Zustimmung - Guido Kosmehl, FDP: Na, na, na! - Olaf Meister, GRÜNE, lacht)
Als Hauptprobleme werden genannt: zu viel Bürokratie, hohe Energiepreise, hohe Steuern und Abgaben, kaum planbare politische Rahmenbedingungen, schlechte Interessenvertretung Deutschlands in der EU und im Rest der Welt. Es ist völlig klar, dass sich Sachsen-Anhalt von diesem Trend nicht abkoppeln kann. Trotzdem ist und bleibt die CDU im Sinne der Überschrift der Aktuellen Debatte ein fest verlässlicher Partner der Wirtschaft in unserem Bundesland.
(Zustimmung von Stephen Gerhard Stehli, CDU)
Deswegen stellen wir selbstbewusst fest, dass wir seit 2002 das Schmuddel-Image unseres Bundeslandes erfolgreich ablegen konnten. Die CDU-geführten Regierungen unter den Ministerpräsidenten Böhmer und Haseloff haben unserem Land und unserer Wirtschaft gutgetan; denn Planbarkeit und politische Verlässlichkeit sind die Eckpfeiler unseres politischen Handelns.
(Marco Tullner, CDU, zustimmend: Ja! - Zustimmung von Stephen Gerhard Stehli, CDU)
Die Förderung von Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und neuen Investitionen haben für uns Priorität. Immer mehr Regeln, immer mehr Vorschriften, immer mehr Bürokratie regeln das Miteinander nicht. Sie erschweren es. Am Ende des Tages ist ein Staat entstanden, der jede Aufgabe an sich zieht und der jede Herausforderung mit Geld zuschüttet. Die Herausforderung, der wir uns stellen müssen, ist: Wie können wir bei steigendem Wohlstand die Eigenverantwortung des Einzelnen wieder steigern?
(Zustimmung von Sandra Hietel Heuer, CDU, und von Frank Bommersbach, CDU - Cornelia Lüddemann, GRÜNE, und Olaf Meister, GRÜNE, lachen)
Dazu gehört vor allem der Abbau von Bürokratie. Dieser zunehmende Bürokratismus ist sowohl in der EU, im Bund, im Land als auch in der Wirtschaft selbst festzustellen. Ich will Ihnen einmal einige Beispiele für EU-Bürokratie nennen, die durch unsere Unternehmen einzuhalten sind. Ein ganz wichtiges Beispiel hat der Finanzminister vorhin genannt. Ich nenne einmal noch ein paar andere: Nachhaltigkeitsberichterstattung, Lieferkettengesetz, Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten, Datenschutz-Grundverordnung usw.
(Guido Kosmehl, FDP: Na ja!)
Es kommt auf die Interpretation der Datenschutz-Grundverordnung an. Das hat Christina Rost gestern ganz deutlich gesagt.
(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)
- Ja, ja, ja. - Das ist nur ein kleiner Auszug aus Gesetzen und Verordnungen, die unsere Unternehmen zu erfüllen haben. Es bleibt mir ein Rätsel, wie die europäische Volkswirtschaft mit dieser Regelwut im internationalen Wettbewerb bestehen soll.
Europa, insbesondere Deutschland, deindustrialisiert sich selbst. Ich hätte von einer amtierenden Bundesregierung erwartet, dass sie die Interessen Deutschlands vertritt und gegen diesen Wahnsinn endlich opponiert. Stattdessen wurden Brüsseler Gesetze und Verordnungen nicht eins zu eins umgesetzt. Nein, sie wurden weiter verschlimmbessert. Das lähmt unsere gesamte Volkswirtschaft, erst recht hier in Sachsen-Anhalt. Wir brauchen nicht nur weniger Bürokratie, sondern auch endlich eine deutliche Deregulierung. Allein das EU-Verbrennerverbot schädigt unsere deutsche Leitindustrie und gefährdet Hunderttausende Arbeitsplätze.
(Guido Kosmehl, FDP: Von der Leyen! - Daniel Rausch, AfD: Von der Leyen - CDU! - Dr. Katja Pähle, SPD: Wo er recht hat!)
- Wo er recht hat, hat er recht. Wir sind aber hier in Sachsen-Anhalt.
(Lachen - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Allein in Sachsen-Anhalt werden dadurch 30 000 tariflich bezahlte Beschäftigungsverhältnisse gefährdet.
(Zuruf von der AfD: Mit eurer Hilfe!)
Es herrscht eine große Unsicherheit. Investitionen werden verschoben. Deswegen sagt die CDU ganz klar: Wir sind für eine technologieoffene Mobilität. Das Verbrennerverbot muss weg.
(Guido Kosmehl, FDP: Weiß das die Ursula schon?)
Sie wird vielleicht auch einmal in Sachsen-Anhalt zuhören, wenn sie denn mag.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Nicht einmal die CDU klatscht für solchen Unfug!)
Im Bund waren wir jahrelang der Meinung, dass mehr Mitbestimmung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren erforderlich ist. Das war ein kapitaler Fehler. Inzwischen brauchen wir Jahre und Jahrzehnte, um Projekte umzusetzen, weil Klage- und Vetorechte missbraucht werden. Das ist eine Entwicklung, die uns auch in Sachsen-Anhalt ausbremst. Während Polen, für das auch das EU-Recht gilt, in nur zehn Jahren 1 000 km Autobahn neu gebaut hat, brauchen wir für die paar Kilometer A 14 in Sachsen-Anhalt mittlerweile 25 Jahre - Ende offen.
(Olaf Meister, GRÜNE: Ihr seid Regierungspartei!)
Deswegen sagt die CDU ganz klar: Wir wollen neue Investitionen. Wir wollen Entwicklung im Land. Deswegen müssen Planungs- und Genehmigungsverfahren gestrafft sowie vereinfacht werden. Aus unserer Sicht - seien Sie tapfer, Kollege Hövelmann - gehört auch das Verbandsklagerecht endlich abgeschafft.
(Zustimmung bei der CDU)
Seit 2002 haben wir in Sachsen-Anhalt ein sogenanntes Mittelstandsförderungsgesetz. Seitdem müssen alle Gesetze und Verordnungen auf den Prüfstand. Es muss geklärt werden, welchen Einfluss diese auf die Wirtschaft unseres Landes haben. Wir werden danke, liebe FDP demnächst einen Normenkontrollrat einführen, der nur ein Ziel hat: Die Verringerung von Landesgesetzen und von Verordnungen und deren Vereinfachung.
In den zurückliegenden Tagen gab es in Sachsen-Anhalt eine breite Diskussion zum Landesvergabegesetz. Sie wissen, wir von der CDU halten das für völlig entbehrlich. Es gibt kein Gesetz, zu dem uns mehr Klagen von Kommunen und aus der Wirtschaft erreichen. Darin finden sich unter anderem Regelungen zum Lohndumping. Aber in der Praxis gibt es mittlerweile politisch festgelegte Mindestlöhne. Es gibt einen Fachkräftemangel, der inzwischen in allen Branchen für auskömmliche Löhne sorgt. Warum quälen wir Unternehmen und Kommunen mit diesem Unfug? Angesichts der wirtschaftlichen Notsituation ist es angebracht, über dieses innerhalb der Koalition noch einmal inhaltlich zu beraten. Die FDP hat einen Vorschlag gemacht. Dies wäre für die Wirtschaft in Gänze, aber insbesondere für das Handwerk, ein wichtiges Signal.
(Zustimmung von Dietmar Krause, CDU, und von Thomas Krüger, CDU)
Sachsen-Anhalt ist ein aufstrebender Wirtschaftsstandort. Wir haben hierzulande mehr als zwei Jahrzehnte lang gebraucht, um den Strukturwandel der 1990er-Jahre zu überwinden. Die aktuelle gründominierte Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gefährdet diese Erfolgsgeschichte. Ich habe nicht umsonst die Bürokratie angesprochen. Die Energiepolitik ist die nächste Baustelle. Die grüne Energiewende ist gescheitert. Wir schalten Kohlekraftwerke ab, trotz Dunkelflaute. Das EEG hat die Energiepreise in die Höhe getrieben.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Im Gegenteil!)
Wie wollen wir damit wettbewerbsfähig bleiben?
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Haben Sie sich einmal die Energiepreise im Verlauf angeguckt?)
Ich gucke einmal auf die Uhr. - Wir schalten Kernkraftwerke ab, obwohl wir eine Energiemangellage haben.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das war die CDU! - Zurufe von der AfD)
- Liebe AfD: Ja, es war Schwarz-Gelb im Jahr 2011. Ich habe hier schon mehrmals gesagt, dass das ein Fehler war. Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis. Ich bin einmal gespannt darauf, ob Sie sich irgendwann einmal irgendeinen Fehler in Ihrer Politik eingestehen werden. Darauf bin ich einmal gespannt.
(Zurufe von der AfD)
- Ja, ja, ja. Das ist so.
(Zustimmung)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Herr Heuer.
(Zurufe)
Nein, nein. Die Zeit war schon zu Ende, einen Tick drei Sekunden zu spät. - Herr Scharfenort hat sich schon lange hingestellt gehabt. - Herr Scharfenort, bitte.
Jan Scharfenort (AfD):
Herr Heuer, ich freue mich über Ihre Worte, vor allem zu dem Verbrenner-Aus. Aber mir fehlt der Glaube. Das ist eine ganz lange Geschichte, gerade im Bundestag. Ich möchte es noch einmal aufgreifen. Seit 2017 sitzen wir dort. Seit 2017 haben wir das Thema aufgegriffen. Allein die Euro-7-Abgasnorm hätte schon ausgereicht, um das Verbrenner-Aus durchzusetzen;
(Oliver Kirchner, AfD: Ja!)
denn es ist faktisch, praktisch, physikalisch das sagt Ihnen jeder Ingenieur nicht umsetzbar. Das haben Sie alles nicht zur Kenntnis genommen.
Wir haben im Bundestag immer weitergemacht. Wir haben Anträge gestellt - abgelehnt. Dann haben Sie nach den ostdeutschen Wahlen endlich diesen Antrag eingebracht. Und siehe da, jetzt kam der Koalitionsbruch. Was haben Sie gemacht? Sie haben die Anträge zurückgezogen. Dann hat die AfD die Anträge eingebracht, um Ihnen die Gelegenheit zu geben, diesen zuzustimmen; denn jetzt wäre die historische Chance gewesen, so etwas nämlich einmal durchzusetzen. Aber was sagt Ihr Herr Merz? - Zufallsmehrheiten können wir nicht dulden. - Das ist die CDU.
(Beifall bei der AfD)
Das ist genau das, was das Land letztendlich zu Fall bringt, nämlich diese Heuchelei, diese Doppelmoral. An dieser Stelle sind uns die Linken und die Grünen lieber; denn die sagen wenigstens, was sie wollen.
(Lachen bei den GRÜNEN - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Siehst du Guido, ihr seid schlimmer als wir!)
Sie sagen das, was richtig ist, aber Sie machen genau das Gegenteil.
(Zustimmung bei der AfD)
Guido Heuer (CDU):
Ich bin einmal gespannt. Dort kam gerade ein Koalitionsangebot für die Grünen und für die Linken. Ich bin gespannt, wie das funktioniert.
(Lachen)
Ich bin echt gespannt darauf, wie Ihr euch an Koalitionsverträge haltet.
(Daniel Roi, AfD: Ein Armutszeugnis ist das! - Zuruf von Jan Scharfenort, AfD)
- Ja, wir werden auch reden. Das habe ich eingangs gesagt.
(Holger Hövelmann, SPD: Wir halten uns daran!)
Die Koalition wird deswegen nicht brechen. - Herr Hövelmann, das haben Sie medial gesagt, nicht ich.
(Holger Hövelmann, SPD: Ich habe das nicht gesagt!)
- Natürlich. Das konnte man doch groß in der „Bild“ lesen, um das einmal klar zu sagen.
(Ulrich Siegmund, AfD: Ja!)
Aber Vertragstreue ist ein wichtiger Eckpfeiler unserer Gesellschaft. Sonst brauchen wir überhaupt gar keine Koalition mehr zu schließen. Wir halten uns an
(Zuruf von der AfD: Grüne Gesetze!)
Verträge. Dafür stehen wir ein. Aber - dafür ist es eine Aktuelle Debatte dass man seine politische Position hier darlegen darf, ist das Recht eines jeden. Das hat Herr Hövelmann vorhin auch getan. Das ist guter demokratischer Brauch. In Verhandlungen, liebe AfD, einigt man sich auf einen gemeinsamen Nenner. Den vertritt man dann gemeinsam. Das ist Sinn einer Koalition, verdammt noch einmal!