Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahr 2014 wurden die Angehörigen der Jesiden im Irak und in Syrien Opfer schrecklichster Verbrechen durch den Islamischen Staat. Menschen wurden gefoltert und hingerichtet, Frauen und Mädchen verschleppt, vergewaltigt und über Jahre hinweg versklavt. Die Weltgemeinschaft hat es zu lange geschehen lassen und keine adäquaten Antworten zum Schutz der verschleppten Frauen und Mädchen gefunden. Das lastet schwer auf uns. 

Einige von ihnen haben bei uns in Deutschland Schutz gesucht und gefunden. Der Bundestag hat die Verbrechen an den Jesidinnen Anfang des letzten Jahres einstimmig als Völkermord eingestuft, genauso wie es auch die Vereinten Nationen und das Europäische Parlament getan haben. Doch was ist diese Anerkennung wert? Was ist die Verurteilung der Verbrechen wert, wenn wir die Opfer wieder zurückschicken in den Irak zu den Tätern, die dort ihre Nachbarn sein werden, Menschen, die inzwischen seit zehn Jahren bei uns leben, die hier aufgewachsen sind, die die Sprache erlernt haben, die hier zur Schule gegangen sind, hier arbeiten, leben, Freunde haben und hoffentlich ihren Frieden nach der Verfolgung durch den IS gefunden haben? 

Die Zustände für die Jesidinnen im Irak sind weiterhin äußerst prekär. Die Notunterkünfte bestehen nun schon seit Jahren. Die Aufklärung der Verbrechen durch den IS an den Jesiden wurde letzte Woche für beendet erklärt. Der Irak möchte dieses Kapitel abschließen, obwohl es noch so viele ungeklärte Fragen gibt, obwohl das Leben für die Menschen vor Ort weiterhin ohne eine echte Zukunftsperspektive bleibt. 

Wir haben während des Verfahrens im Ausschuss   also, mein Kollege Sebastian Striegel   eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt. In der Antwort haben wir erfahren, dass bereits Menschen in den Irak abgeschoben werden, dass das Land aber keine Ahnung hat, ob die Abgeschobenen Jesidinnen waren, und dass es auch keine Information darüber hat, ob die Personen, denen eine Abschiebung droht, Jesidinnen sind. Vor dem Hintergrund ihrer Kenntnislücken kann ich nicht verstehen, wie dieses Parlament die Landesregierung ernsthaft dazu auffordern will, Abschiebungen in den Irak vorzunehmen und Jesidinnen in die traumatische Situation zu bringen, sie via Abschiebungen in den Irak zu den Tätern zurückzubringen. 

Wir hätten uns gewünscht, dass sich das Land der Initiative von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen in der Innenministerkonferenz anschließt und sich für einen bundesweiten Abschiebestopp für Jesidinnen in den Irak einsetzt. 

Unser Schutzversprechen misst sich nicht an der Größe der betroffenen Gemeinde, nicht an dem Regimewechsel des irakischen Staates, sondern an dem Leid der Jesidinnen, das ihnen widerfahren ist, und an dem Vertrauen in die Beständigkeit unseres Staats. Ja, das Ziel muss es sein, dass auch Jesidinnen wieder in ihre Heimat zurückkehren können, aber nicht, bevor die Täter zur Rechenschaft gezogen worden sind und für Unterkunft und Ernährung in einem friedlichen Irak gesorgt ist. Wir lehnen das selbstverständlich ab. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Vielen Dank, Frau Sziborra-Seidlitz. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Kosmehl. - Ja, lassen Sie zu. - Dann, Herr Kosmehl, bitte. 


Guido Kosmehl (FDP): 

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Ich wollte nur nachfragen. Heißt Ihre Stellungnahme heute hier, dass Sie dem Bericht des Auswärtigen Amtes, das ja von einer Parteifreundin von Ihnen geführt wird, die den Bericht ja auch abgezeichnet hat, nicht trauen und diesen Bericht nicht als Grundlage anerkennen, um Abschiebungen in den Irak zu vollziehen? 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Frau Sziborra-Seidlitz.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Man sehe mir nach, dass ich als Nichtfachpolitikerin in dem Punkt nicht im Detail im Stoff stehe, 

(Daniel Roi, AfD, lacht)

aber soweit ich weiß, bezieht sich dieser Bericht auf die Gesamtsituation im Irak. Wir reden hier aber über die konkrete Situation der Jesidinnen, wobei es zusätzlich zu der Gesamtsituation im Irak traumatische Erfahrungen und besondere Bedürfnisse gibt und auch ein besonderes Schutzbedürfnis, das wir im Übrigen auch zugesagt und versprochen haben als Deutschland.