Tagesordnungspunkt 28

Beratung

Freiwilliges Handwerksjahr einführen - dem Azubimangel im Land begegnen!

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/4459

Alternativantrag Koalitionsfraktionen - Drs. 7/4504


Einbringen wird den Antrag der Abg. Herr Waehler. - Herr Waehler, bitte schön.

(Beifall bei der AfD)


Lothar Waehler (AfD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hochverehrte Kollegen! Einst waren Betriebe heiß begehrt, die noch einen Ausbildungsplatz in petto hatten. Heute ist das total umgekehrt. Unternehmen reißen sich geradezu um schlaue und leistungsbereite Schüler. Die Schere zwischen freien Ausbildungsangeboten und nachfragenden Jugendlichen geht nach wie vor weit auseinander. Nun gilt es, die Hände nicht in den Schoß zu legen, sondern die Ärmel hochzukrempeln und auf die fortschreitende Entwicklung zu reagieren.

Um diesen Trend zu stoppen, ist es deshalb zwingend erforderlich, neue, kreative Wege bei der Nachwuchsgewinnung zu gehen. Wir müssen mit der Zeit gehen und schauen, wie die Jugend tickt. Dazu gehört es, sich mit den Wünschen und Bedürfnissen der Generation Z zu beschäftigen. Junge Menschen wollen sich heute ausprobieren, bevor sie sich für einen beruflichen Weg entscheiden.

Die Möglichkeit des Ausprobierens besteht in Sachsen-Anhalt in Form diverser Angebote. An dieser Stelle sei beispielhaft die Praktikumsprämie im Handwerk genannt, die sehr gut angenommen wird. 120 € pro Woche bilden für Jugendliche einen guten Anreiz für den Einstieg ins Berufsleben. Denn das Arbeiten, um Geld zu verdienen, sehe ich persönlich als wichtigen Lernprozess für jeden Menschen.

(Zuruf von der CDU)

Zwar leisten die Praktika aus der Sicht der Handwerkskammern Halle und Magdeburg einen entscheidenden Beitrag zur Steigerung der Azubizahlen. Doch bei all der Freude darüber ist dieser Erfolg kein Grund zum Ausruhen, sondern es bedarf weiterer Anstrengungen.

Deshalb ist es in höchstem Maße zu begrüßen, dass die Handwerkskammer Lübeck mit dem freiwilligen Handwerksjahr ein Projekt ins Leben gerufen hat, das neue Impulse für die Nachwuchsgewinnung setzt. Absolventen aller Schularten können binnen zwölf Monaten vier verschiedene Handwerksberufe kennenlernen und ausprobieren.

Ein Angebot wie dieses macht Berufseinsteigern die Entscheidung für ihren späteren Lebensweg wesentlich leichter. Neben einem tiefen Einblick ins Arbeitsleben können junge Leute im Rahmen des freiwilligen Handwerksjahres wertvolle Erfahrungen sammeln. Sie können eigene Kompetenzen weiterentwickeln und prüfen, welcher Beruf wirklich zu ihnen passt. Ich wiederhole: Die jungen Leute können prüfen, ob dieser Beruf zu ihnen passt.

Wenn man sich nämlich die Lösungsquote bei den dualen Ausbildungsverträgen anschaut, kann man sich nur noch die Haare raufen. Im Jahr 2022 ist die Lösungsquote, die angibt, wie viele der begonnenen Verträge vorzeitig gelöst wurden, auf 29,5 % gestiegen. Es handelt sich hierbei zwar nicht um eine Abbruchsquote, aber allein diese Zahl macht doch deutlich, wie wichtig es ist, jungen Leuten auf ihrem Lebensweg die bestmögliche Unterstützung zu geben. Denn eine Investition in den Nachwuchs ist eine Investition in die Zukunft. Zudem muss das Thema doch von vorrangiger gesellschaftlicher Bedeutung sein.

Wichtig für solche Vorhaben jedoch sind politische Weichenstellungen. Um den Anschluss bei der Ausbildung für hoch qualifizierte Facharbeiter und Gesellen nicht zu verpassen, sollte Sachsen-Anhalt bestrebt sein, auch neue und erfolgversprechende Wege in punkto Ausbildung zu gehen.

Deshalb fordern wir in unserem Antrag die Landesregierung explizit dazu auf, in Zusammenarbeit mit den sachsen-anhaltinischen Kammern nach dem Vorbild der Handwerkskammer Lübeck ein freiwilliges Handwerksjahr unter folgenden Rahmenbedingungen einzuführen:

Erstens. Die entsprechenden Mittel sind für die Projektumsetzung bereitzustellen.

Zweitens. Die Vermittlung und die Teilnahme am Projekt sind für die Betriebe kostenfrei.

Drittens. Am freiwilligen Handwerksjahr können Schulabgänger aller Schulformen teilnehmen, die noch keine feste Berufsentscheidung getroffen haben. Einzige Voraussetzung ist, dass ein Schulabschluss einer allgemeinbildenden Schule vorliegt.

Viertens. Die Teilnehmer sind während der jeweiligen Praktika familienversichert und benötigen eine private Haftpflichtversicherung. Der Betrieb meldet die Praktikanten bei der Berufsgenossenschaft an, und somit sind sie versichert.

Fünftens. Ein Einstieg ins freiwillige Handwerksjahr ist bei Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen jederzeit möglich und nicht an einen festen Starttermin gebunden.

Sechstens. Jeder Teilnehmer des freiwilligen Handwerksjahres erhält von den Betrieben eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 450 € brutto.

Siebtens. Das Projekt ist nach einer Laufzeit von einem Jahr zu evaluieren und über die Ergebnisse soll im Ausschuss für Wirtschaft und Tourismus berichtet werden.

Im Prinzip ist jetzt alles schön auf dem Silbertablett serviert. Sie müssen nur noch zugreifen. Nach den ersten drei Wochen hat die Handwerkskammer Lübeck bereits ein positives Fazit gezogen. Laut der Handwerkskammer haben sich mehr als 100 Betriebe gemeldet, die mitmachen wollen. Seitens der Jugendlichen gab es bislang 60 Interessenten. Doch nicht nur die Betriebe und die Jugendlichen haben sich bei der Handwerkskammer gemeldet, auch Eltern und Lehrer haben sich über das Angebot informiert.

Kommen wir nun zum wichtigsten Thema, zum lieben Geld. Natürlich muss man für ein solches Vorhaben Geld in die Hand nehmen. Da der Haushaltsplanentwurf für 2025 und 2026 noch nicht vorliegt, dürften Sie ja genügend Spielraum haben, um die notwendigen Mittel einzustellen. Sicherlich haben die verantwortlichen Ministerien genügend qualifizierte Mitarbeiter, um in der Zusammenarbeit mit den Kammern die benötigten Mittel ausfindig zu machen.

Bevor Sie jetzt wieder das Haar in der Suppe suchen, um unseren Antrag abzulehnen, sage ich Ihnen ganz klar, dass es sich hierbei um die wirtschaftliche Zukunft handelt, damit auch um die Zukunft unseres Handwerks. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich bitte um die Überweisung in den Ausschuss für Wirtschaft und Tourismus. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Glück auf, Sachsen-Anhalt!

(Beifall bei der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Wähler, vielen Dank. Es gibt eine Frage von Herrn Kosmehl, sofern Sie diese zulassen.


Lothar Waehler (AfD): 

Herr Kosmehl, na klar.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Kosmehl, bitte schön.


Guido Kosmehl (FDP): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Waehler, da Sie als AfD immer auf Ihren virtuellen Haushalt, ich meinte alternativen Haushalt, Bezug nehmen,

(Lachen bei den GRÜNEN)

werden Sie sich sicherlich auch darüber Gedanken gemacht haben, wie Sie das im Entwurf des Doppelhaushalts 2025/2026 entsprechend veranschlagen. Können Sie uns vielleicht einmal eine Größenordnung nennen? Wie viele Millionen oder Hunderttausende Euro würden Sie für die Umsetzung des Projekts in etwa veranschlagen? Das Projekt ist in Lübeck erst gestartet. Vielleicht haben Sie aber trotzdem schon Erkenntnisse, was es kosten wird.


Lothar Waehler (AfD): 

Herr Kosmehl, es war natürlich klar, dass Sie eine solch präzise Frage stellen und ganz genaue Zahlen erfahren wollen. Natürlich haben wir keine präzisen Zahlen vorliegen; diese gibt es doch noch nicht.

(Zurufe von der AfD)

Das Projekt ist doch erst gestartet. Aber ich muss einmal ganz ehrlich fragen, Herr Kosmehl: Ist es Ihnen das Geld nicht wert, in unsere Jugend zu investieren?

(Guido Kosmehl, FDP: Doch!)

Wir müssen doch alle Möglichkeiten suchen.

(Zurufe von der AfD, von der CDU und von der SPD)

- Ja, das ist doch egal. Wir müssen gucken, wo wir das Geld einsparen können. Das ist doch die vorrangige Aufgabe. Ich habe doch gerade gesagt, dass die Ministerien gemeinsam mit den Kammern gucken sollten, wo Geld eingespart werden kann oder das Geld ausfindig gemacht werden kann. Das ist doch ganz einfach. Die Frage beantwortet sich doch von selbst. Was wollen Sie denn? Ich soll genaue Zahlen geben? Das verstehe ich jetzt nicht.

(Beifall bei der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Vielen Dank, Herr Waehler.