Franziska Weidinger (Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich zu dem Gesetzentwurf zurückkommen und eine Bewertung abgeben. „Das Volk ist der Souverän. Vom Volk geht alle Staatsgewalt aus.“ - So ist es im ersten Hauptteil der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt bestimmt.

Für verfassungsändernde Gesetze neben dem geltenden Erfordernis einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags eine obligatorische Annahme durch Volksentscheid vorzusehen, ist damit für ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen auf den ersten Blick überhaupt kein fernliegender Gedanke. Es ist allerdings auch kein neuer Gedanke. Die Frage, ob Verfassungsänderungen ein obligatorisches Verfassungsreferendum erfordern sollten, ist bereits im Kontext der Vorarbeiten für das Grundgesetz, mit dem wir uns heute schon intensiv beschäftigt haben, diskutiert worden.

Der Konvent hatte sich in seinem Textentwurf zunächst für das Erfordernis eines solchen Referendums ausgesprochen. Bereits zum damaligen Zeitpunkt sind dagegen allerdings erhebliche Bedenken vorgebracht worden. Im Parlamentarischen Rat gab es dazu kontroverse Debatten. Für das Erfordernis eines Verfassungsreferendums wurde angeführt, dass Verfassungsänderungen unter dem Gesichtspunkt der Legitimität grundsätzlich die unmittelbare Zustimmung des Volkes erhalten sollten. Dem sind aber die hemmenden Wirkungen von Verfassungsreferenden bei der Fortentwicklung des Grundgesetzes entgegengehalten worden. Im Ergebnis hat sich der Parlamentarische Rat gegen plebiszitäre Elemente bei Änderungen des Grundgesetzes entschieden.

Einzelne Länder sind für ihren Verfassungsraum einen anderen Weg gegangen. Die Bayerische Verfassung enthält seit Langem die Vorgabe, dass Beschlüsse des Landtags auf Änderung der Verfassung nicht nur einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten bedürfen, sondern auch dem Volk zur Entscheidung vorgelegt werden müssen.

Zurück zum Grundgesetz. Die mit einem obligatorischen Verfassungsreferendum verbundene Einbuße an Flexibilität hat damals also für den Parlamentarischen Rat den Ausschlag gegeben, im Grundgesetz von einem solchen plebiszitären Element abzusehen. Die Legitimität des Grundgesetzes ist dabei gleichwohl - darüber haben wir uns heute auch unterhalten - in der Breite der Gesellschaft niemals ernsthaft in Zweifel gezogen worden. Das ist heute nicht der Fall. Die geltenden Vorgaben für Änderungen unserer Landesverfassung, die in der Linie der Regelungen in vielen anderen traditionsreichen Verfassungsräumen in Europa stehen, haben sich ebenfalls bewährt. 

Sie, die Abgeordneten des Landtags, sind nach der Landesverfassung Vertreter des gesamten Volkes. In ihrer Gesamtheit repräsentieren Sie als Volksvertretung die Gesamtheit der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger. Das Erfordernis einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten bei Verfassungsänderungen bedeutet daher gerade eine starke Legitimation und keinesfalls, wie es in dem Gesetzentwurf heißt, einen Makel. - Vielen Dank.