Elrid Pasbrig (SPD):

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! An den Vorrednerinnen in dieser Debatte konnten Sie schon sehen, wo genau unser Problem hierbei liegt, nämlich bei dem Unterschied zwischen klassischer Gentechnik mit transgenen Pflanzen und den modernen Verfahren der Genomeditierung. Das ist genau das, was uns in der praktischen Politik gerade noch Probleme bereitet: Wir kommen aus dieser klassischen Gentechnik-Debatte meines Erachtens nicht heraus. 

Ich fand es sehr konsequent, liebe Kollegin Tarricone, dass Sie in Ihrer Rede nicht einmal den Begriff Gentechnik verwendet haben. Ich bin leider nicht so konsequent, aber ich hoffe, ich mache trotzdem sehr klar, worauf wir hinauswollen. Ja, auch in der SPD - ich schicke das voraus - stehen uns dazu noch einige Diskussionen bevor. Aber ich insbesondere bin dankbar für diese Debatte heute, denn ich glaube, wir sind hierfür aufgrund des IPK in Gatersleben die Fachleute. Wer einmal dort war, der kann sich den alten Diskussionen eigentlich nicht mehr anschließen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Aber zunächst zu dem Ansatz meiner Argumentation. Im Jahr 2020 lebten mehr als 7,8 Milliarden Menschen auf dieser Erde. Im Jahr 2050 werden es noch einmal 2 Milliarden mehr sein. Schon heute hungern 11 %. Auch diese Zahl wird steigen. Die Ursachen des Hungerleids sind vielfältig: Armut, Kriege, Flucht, instabile Regierungen, hohe Nahrungsmittelpreise, ungerechte Handelsstrukturen, aber nicht zuletzt sind es vor allem extreme Klimaereignisse, die weltweit die Ernten schmälern und so das Nahrungsmittelangebot verringern.

Was Extremwetterereignisse angeht, müssen wir gar nicht so weit suchen. Schauen wir uns doch allein die Extremwetterereignisse dieses Sommers in Europa an. Der Minister hat schon darauf hingewiesen: Es war ein Sommer, der geprägt war von ausufernden Bränden auf der einen Seite und Starkregen und Überflutungen auf der anderen Seite. Niemand wird leugnen können, dass wir es mit Auswirkungen des Klimawandels zu tun haben. Nachhaltig davon betroffen ist die Landwirtschaft, die sich keine weiteren Ernteeinbußen leisten kann, da sie für immer mehr Menschen Nahrungsmittel produzieren muss. 

Neben diesen Wetterkapriolen kommt noch das politische Erfordernis hinzu, dass Landwirtschaft ihren Beitrag zum Natur- und Klimaschutz leisten muss, nämlich über die Reduktion von Dünger und Pflanzenschutzmitteln, über den Verzicht auf Produktionsflächen und so weiter. Das wiederum mindert noch einmal Ertragsmöglichkeiten. Es muss also darum gehen, wie die Landwirtschaft es schaffen kann, unter diesen Bedingungen eine weiter wachsende Weltbevölkerung verlässlich zu ernähren.

Es wäre also absolut zielführend, wenn wir z. B. auf Pflanzen zurückgreifen könnten, die mit weniger Wasser und Düngung auskommen, hitzeresilient und weniger anfällig für Pilze, Viren und andere Erreger sind, die Überschwemmungen überleben oder erhöhte Salzkonzentrationen im Boden tolerieren. Frommer Wunsch? - Nein. Denn an der Züchtung dieser Pflanzen wird bereits geforscht, z. B. 50 km südöstlich von hier im Leibniz-Institut für Pflanzengenetik. 

Es gibt bereits heute Tomaten, die resistent gegen Mehltau sind, oder Gurken, die immun gegen Vergilbungsviren sind, Kartoffeln, die keine Kartoffelfäule mehr bekommen, oder aber Mais, der trotz Trockenstress große Früchte ausbildet.

(Zuruf von der AfD: Das ist schlimm genug!)

Das ist in der Tat, liebe Kollegin Frederking, einmal ein Beispiel, wo Pflanzen schon auf die Umwelteinflüsse reagieren können. 

Darüber hinaus wird weltweit in unzähligen Forschungsprojekten an der Verbesserung von Getreide, Öl, Faser  und Hülsenfrüchten, Kakao, Kaffee, Tabak, Grasfutter und Zuckerpflanzen gearbeitet. Auch diese Pflanzen sollen zukünftig von Hause aus resilienter gegen störende Umweltfaktoren sein.

Wie wird all das konkret erreicht? - Mithilfe der Genomeditierung, auch Gen-Schere genannt, können zielgerichtet bestimmte Gene in Pflanzen an  oder abgeschaltet werden. Ein Verfahren - das wurde hier auch schon genannt - ist das CRISPR/Cas Verfahren. Dieser Prozess eröffnet die Möglichkeit, Pflanzen mit neuen Eigenschaften herzustellen. Es handelt sich hierbei um einen präzisen und vor allem steuerbaren Eingriff in die Genetik einer Pflanze. Die DNA wird an einer zuvor bestimmten Stelle durchtrennt, woraufhin die Zelle versucht, sich wieder zu verbinden bzw. sich zu reparieren. Dabei passieren Fehler, die aber beabsichtigt sind. Es gehen Erbgutbausteine verloren oder aber werden anders ergänzt. Das ist so gewollt. So verliert das betreffende Gen eine bestimmte Funktion oder eine andere Funktion wird generiert.

Wichtig erscheint mir an dieser Stelle noch einmal zu betonen, dass bei dieser Methode keine Fremdgene in das Genom eingebaut werden. Deswegen sprechen Wissenschaftler bei der CRISPR/Cas-Methode von einer indirekten gentechnischen Methode.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die daraus entstehenden Pflanzen sind nichts anderes als Pflanzen, die auch auf natürliche Art, nämlich durch herkömmliche Züchtungen, hätten entstehen können. Der Unterschied zur herkömmlichen Züchtung ist, dass konventionelle Züchtungserfolge erst nach Jahrzehnten zum Tragen kommen, genomeditierte Pflanzen jedoch in einem Bruchteil der Zeit oder blitzschnell

(Kathrin Tarricone, FDP, lacht)

zur Verfügung gestellt werden könnten. Diese Zeitersparnis kann entscheidend sein, wenn es um die Ernährungssicherheit der Zukunft geht,

(Zustimmung von Alexander Räuscher, CDU)

wäre da nicht das geltende europäische Gentechnikrecht. Im Labor gentechnisch veränderte Pflanzen unterliegen unter anderem der europäischen Freisetzungsrichtlinie. Diese schreibt vor, dass sich besagte Pflanzen in drei Stufen sicher für Umwelt und Gesundheit erweisen müssen: zunächst in einem geschlossenen System, also im Labor oder im Gewächshaus, danach in einem kleinen Freilandversuch, danach wiederum in größeren Freilandversuchen. 

Nach erfolgreichem Nachweis der Sicherheit können diese Pflanzen bzw. ihr Saatgut in Verkehr gebracht werden. Dieser Prozess dauert mehrere Jahre und ist sehr kostenintensiv. Es ist absolut misslich, dass genomeditierte Pflanzen immer noch unter diese Gentechnik-Regelungen fallen. Wie bereits ausgeführt, haben wir es doch bei den neuen Genschereverfahren nicht mit klassischer Gentechnik zu tun. Die Genschere hinterlässt in den meisten Fällen keine Spuren im Erbgut. Die damit behandelten Pflanzen unterscheiden sich in der Regel genetisch nicht von konventionell gezüchteten Pflanzen.

Die großen deutschen wissenschaftlichen Einrichtungen, wie die Leopoldina, die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaft, fordern deshalb seit Längerem, dass das geltende Gentechnikrecht endlich reformiert wird. Seit April 2021 liegt der Europäischen Kommission eine Studie vor, die genomeditierte Pflanzen einstuft und genomische Verfahren beleuchtet hat. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die geltenden europäischen Regeln für gentechnisch veränderte Organismen nicht mehr zweckmäßig sind. 

Im Sommer dieses Jahres wurden erste Ansätze der neuen Gesetzgebung bekannt. Die Kommission schlägt demnach vor, dass Verfahren wie CRISPR/Cas nicht mehr den EU-Gentechnikregeln unterliegen sollen, wenn die dadurch entstandenen Pflanzensorten auch auf natürliche Weise hätten entstehen können. Die EU-Mitgliedstaaten dürften danach keine gesetzlichen Einschränkungen mehr für diese Pflanzen erlassen.

Neben der Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen der Europäischen Union braucht es meines Erachtens für eine optimale Nutzung der grünen Gentechnik, dieser grünen modernen Gentechnik, vor allem auch Anpassungen im Patentrecht. Nach geltendem Recht ist eine Patentierung von Pflanzen oder Tieren mit Eigenschaften, die durch Gentechnik oder sonstige technische Verfahren verändert worden sind, möglich. 

Patente und Lizenzen machen aber die Weiterverwendung des so generierten Saatgutes oder der Pflanzen teurer und können zur Monopolisierungen auf dem Markt führen. Dadurch sehen sich vor allem kleine und mittelständische Pflanzenzucht- und Landwirtschaftsbetriebe in ihrer Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Außerdem besteht die Gefahr der Abhängigkeit dieser Betriebe von einigen wenigen Saatgutherstellern.

(Zustimmung von Olaf Feuerborn, CDU)

Um also Landwirtschaft zukünftig erfolgreich und im Wettbewerb zu halten, müssen bezüglich der neuen Verfahren gesetzliche Regelungen dringend angepasst werden, wobei wir Sozialdemokraten konkret auf Patentregelungen und Profitverteilung schauen werden.

Es braucht aber noch mindestens ein Weiteres: Wir müssen für Aufklärung sorgen und um Akzeptanz in der Bevölkerung werben. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Es kann nicht sein, dass weiterhin die Schreckgespenster des vergangenen Jahrtausends heraufbeschworen werden, wenn wir über moderne gentechnische Verfahren und ihre Folgen reden. Selbstverständlich werden auch weiterhin nur Pflanzen in den Anbau kommen, die für Mensch und Umwelt unbedenklich sind. Natürlich werden Lebensmittel, die neu auf den Markt kommen, weiterhin streng kontrolliert. Es wird seit 30 Jahren an der Sicherheit dieser Züchtungsverfahren geforscht und es wurden bisher keine verfahrensspezifischen Risiken entdeckt. Hören wir also auf die Wissenschaft und stellen uns nicht wegen veralteter Vorurteile gegen einen nötigen Fortschritt.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Ich komme zum Schluss. 

Erstens. Wir haben die Expertise zur Pflanzengenetik in unserem Land. Lassen Sie sie uns stärken und nutzen. 

Zweitens. Mit dem richtigen rechtlichen Rahmen können wir alle von den modernen gentechnischen Verfahren profitieren und vor allem die Ernährung der Zukunft sichern. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. Es gibt eine Frage von Herrn Striegel, wenn Sie sie zulassen. - Dann bitte, Herr Striegel.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Ich bin gar nicht weit weg, Frau Kollegin, von ihren zwei letzten Schlussfolgerungen. Ich habe aber eine Frage mit Blick auf die Erfahrungen, die wir mit Gentechnik, mit Züchtungsformen und -methoden in den letzten Jahrzehnten gewinnen konnten und an einigen Stellen auch gewinnen mussten. Wie stellt sich das für Sie dar? Welche Position haben Sie und hat Ihre Fraktion hinsichtlich der Patentierbarkeit der dann entstehenden Organismen. Ich glaube, das ist eine entscheidende gesellschaftliche Frage jenseits von Risikobewertung, wie wir mit den Produkten, die dabei entstehen, umgehen. Haben Bäuerinnen und Bauern weiterhin das Recht, Nachzüchtung zu betreiben? Können Sie diese Dinge frei verwenden? Oder geht das Ganze bei einzelnen am Ende in Richtung Monopolisierung? 

(Zurufe von Stephen Gerhard Stehli, CDU, und von Guido Kosmehl, FDP)

Dabei ist leider auch die Erfahrung in den letzten Jahren, dass Konzerne das für sich genutzt haben, und zwar zum Schaden von Bäuerinnen und Bauern.


Elrid Pasbrig (SPD):

Auch hierauf ist die Antwort eigentlich: Es steht und fällt mit der Bewertung der Methode. Unser Patentgesetz lässt Patentierungen und Lizensierungen für gentechnisch veränderte Produkte zu. Wenn wir aber zu dem Ergebnis kommen, dass die Genomeditierungsverfahren, über die wir jetzt hier reden, gar nicht darunter fallen     Es ist meines Erachtens der § 2a, Abs. 2 - den Teil kann ich gern noch einmal nachgucken - des Patentgesetzes. Im Patentgesetz lässt man nämlich zu, dass wir nicht patentieren müssen, weil es biologische Produkte sind und keine gentechnisch veränderten Produkte. 

(Zustimmung von Olaf Feuerborn, CDU, und bei der FDP)

Genau das ist die Unterscheidung, die wir bestätigt wissen möchten.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Sprechen Sie sich aktiv dagegen aus!)

- Ja.