Tagesordnungspunkt 7

Aktuelle Debatte

Chancen der grünen Biotechnologie für die Nahrungsmittelproduktion und den Forschungsstandort Sachsen-Anhalt nutzen

Antrag Fraktion FDP - Drs. 8/3068


Die Reihenfolge kennen Sie. Ich wiederhole sie schnell noch einmal: FDP, AfD, SPD, DIE LINKE, CDU und GRÜNE. Frau Kathrin Tarricone steht schon vorne als Antragstellerin. - Sie haben das Wort.


Kathrin Tarricone (FDP): 

Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Warum halten die Freien Demokraten das Thema „Chancen der grünen Biotechnologie für die Nahrungsmittelproduktion und den Forschungsstandort Sachsen-Anhalt nutzen“ für so wichtig, dass wir dazu heute hier eine Aktuelle Debatte angesetzt haben? Was genau ist daran aktuell? Was hat das alles mit Gatersleben zu tun? Das will ich für meine Fraktion gern aufklären. 

Zuerst: Was macht das Thema aktuell? Dafür gibt es aus unserer Sicht zwei gute Gründe. Zu Beginn der parlamentarischen Sommerpause erreichte uns eine Nachricht aus Brüssel, auf die die Landwirtschaft, die Saatgutproduzenten und nicht zuletzt die biotechnologischen Forschungseinrichtungen in Sachsen-Anhalt wie das eben schon erwähnte Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben lange gewartet haben.

Der nunmehr vormalige Vizepräsident der Kommission Timmermans kündigte an, dem Rat und dem Parlament vorzuschlagen, Entwicklung, Anbau und Vermarktung von Nutzpflanzen deutlich zu erleichtern, die durch neuartige molekularbiologische Züchtungsmethoden entwickelt wurden, jedenfalls dann, wenn sie etwa dazu dienen, Nutzpflanzen schneller an die Klimabedingungen anzupassen und bei der Reduktion des Pestizideinsatzes zu helfen. - Gut so.

(Beifall bei der FDP und von Olaf Feuerborn, CDU)

Am Ende der parlamentarischen Sommerpause erschien die Erntebilanz von Sachsen-Anhalt für das Jahr 2023, also natürlich die vorläufige. Sie prognostiziert für Getreide und Raps unterdurchschnittliche Erträge. Diesmal ist die Begründung aber nicht einfach, es war zu trocken, sondern es war eben auch zu nass.

Es gab zu wenig Niederschlag beim Wachsen und zu viel beim Ernten. Das führte zu minderer Qualität durch fehlendes Eiweiß, zu Lagergetreide, zu abknickenden Ähren und zu auswachsendem Getreide. Auch bei Erbsen fielen Bestände durch die Witterung zusammen, konnten nicht gerettet werden und wurden notgedrungen gehäckselt. - Nicht gut. - So viel zur Aktualität. 

Eigentlich war das auch schon der Aufgalopp, um zu zeigen, das Wohl und Wehe im Ackerbau ist die Witterung. Selten ist sie ideal, oft eine Herausforderung. Wollen wir aber stabile Erträge sichern, um Menschen und Tiere hochwertig zu ernähren, brauchen wir Nutzpflanzen, die möglichst mit allen Eventualitäten zurechtkommen. Wollen wir möglichst wenig Dünge- und Pflanzenschutzmittel einsetzen, brauchen wir Kulturpflanzensorten, denen wenig reicht.

(Beifall bei der FDP und von Ulrich Thomas, CDU)

Seit Jahrhunderten züchten wir deshalb Kulturpflanzensorten. Begonnen hat die Züchtung mit der bewussten Selektion von Pflanzen aufgrund äußerlich sichtbarer Merkmale, die den Menschen nützlich erschienen. So wählten die vorgeschichtlichen Bauern die kräftigsten, geschmacksvollsten, schönsten oder ertragreichsten Einzelpflanzen immer wieder aus und bestellten mit deren Samen im nächsten Jahr die Felder.

Durch die Auslese reicherten sich für den Menschen nützliche Eigenschaften der Pflanzen an. Sie wurden Teil des Genpools der Kulturpflanzenart. Doch zu der Zeit wusste man noch nichts von Genen, geschweige denn von den biologischen Abläufen innerhalb der Pflanze, die für diese Eigenschaften verantwortlich sind.

Ein großes Manko war auch, dass die Selektionszüchtung positive Eigenschaften verschiedener Pflanzen nicht in einer Pflanze gezielt vereinen konnte. Das änderte sich Ende des 19. Jahrhunderts mit der Kreuzungs- und Kombinationszüchtung.

Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Eine Weizenpflanze zeigt sich besonders ertragreich, ist aber sehr anfällig gegenüber einer Pilzkrankheit. Wenn der Pilz zuschlägt, dann gehen große Teile der Ernte verloren. Eine andere Weizenpflanze ist wiederum sehr widerstandsfähig gegenüber dem Pilz, hat aber keinen hohen Ertrag. Wie kann man eine Pflanze erzeugen, die beide positive Eigenschaften hat? - Genau: durch gezielte Kreuzung beider Pflanzen. Unter den Nachkommen dieser Pflanzen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Pflanzen zu finden sein, die beide nützliche Eigenschaften aufweisen.

Anfangs konnte ein Züchter lediglich die äußerlich sichtbaren Eigenschaften der Pflanze, also den Phänotyp erkennen. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war man auch in der Lage, die in der DNA verborgenen Erbinformationen einer Pflanze, also den Genotyp, zu lesen und dieses Wissen gezielt für den Züchtungsprozess einzusetzen.

Bestimmte Eigenschaften konnte man dann bspw. einem bestimmten Gen oder einer Gruppe von Genen zuweisen und durch Vererbung an die Nachkommen mitnehmen. Das hat den Züchtungsfortschritt deutlich beschleunigt.

Eine kleine Revolution gelang im Jahr 2012 mit der Entdeckung der Genomeditierung durch die CRISPR/Cas-Technologie. Mit dieser hochpräzisen Technologie können Sequenzvarianten in Genen eines Organismus gezielt herbeigeführt werden. Bei CRISPR - aufpassen! - werden keine fremden Gene in das Erbgut eingefügt, sondern die einzelnen Bausteine einfach anders zusammengesetzt.

Die Wissenschaftler in Gatersleben können das. Das Ergebnis ist eine Pflanze, die durch natürliche Mutation genauso entstehen könnte und vermutlich auch entsteht, aber eben ohne dass der Mensch das mitbekommt, weshalb er diese Pflanze auch nicht vermehrt. Im Gegensatz zur herkömmlichen Züchtung, bei der man auf den Zufall der natürlichen Mutation angewiesen ist oder deren Wahrscheinlichkeit durch Bestrahlung und Chemikalien erhöht, kann hiermit höchst präzise auf das Ergebnis hingearbeitet werden.

Die Vorteile der neuen Züchtungsmethoden liegen auf der Hand: Neue Sorten können sehr viel schneller gezüchtet werden. So stehen uns allen schnell Kulturpflanzen zur Verfügung, die mit sich ändernden Bedingungen perfekt zurechtkommen und unsere Anforderungen an minimalen Dünger- und Pflanzenschutzmitteleinsatz erfüllen können. 

Genomediting ist auch vergleichsweise kostengünstig und somit auch für kleinere Unternehmen wirtschaftlich. Mehr Anbieter heißt mehr Wettbewerb. Wettbewerb als Wirtschaftsmotor verteidigen wir Freien Demokraten mit Leidenschaft.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Noch etwas ist uns Liberalen auch in diesem Kontext wichtig: die fachlich saubere Bewertung von Chancen und Risiken. Zu den Chancen grüner Biotechnologien bei der Nahrungsmittelproduktion habe ich intensiv ausgeführt. Ausschlaggebend für eine Zulassung oder Nichtzulassung einer mit molekularbiologischen Methoden gezüchteten Pflanze sollte aus unserer Sicht eine wissenschaftliche Risikobewertung des Ergebnisses der Züchtung und nicht des Weges dahin sein.

(Beifall bei der AfD - Zustimmung von Olaf Feuerborn, CDU, und von Anne-Marie Keding, CDU)

Die Europäische Union hat sich bisher aber weniger aufgrund von Daten als vielmehr aufgrund von Befürchtungen für einen Rechtsrahmen entschieden, der die Anwendung praktisch unmöglich gemacht hat. In anderen Weltregionen kommen diese Methoden mittlerweile seit Jahrzehnten zum Einsatz. Nun besteht die Hoffnung, dass wir hierbei aufholen.

(Beifall bei der AfD - Zustimmung von Olaf Feuerborn, CDU, von Anne-Marie Keding, CDU, und von Elrid Pasbrig, SPD)

Bei molekularbiologischen Methoden im Bereich der medizinischen Forschung gelang uns das ja auch.

Welche Potenziale im Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben noch vorhanden sind, will ich kurz ausführen. In einem Containersystem können Pflanzen und kleine Pflanzenbestände unter feldähnlichen Bedingungen, aber präzise eingestellten Umweltbedingungen und ohne störende äußere Einflüsse kultiviert werden.

Temperaturen und Lichtstärken werden wie unter Winter- und Sommerbedingungen angepasst und ein schneller Wechsel wird simuliert. Es werden also Feldbedingungen nachgestellt. So kann Forschung unter relevanten Klimaszenarien der Zukunft betrieben werden. KI hilft dann beim Auswerten der Ergebnisse, sodass züchtungstechnisch blitzschnell und hochpräzise Sorten für alle Eventualitäten ausgewählt und bereitgestellt werden können.

(Beifall bei der AfD - Zustimmung von Olaf Feuerborn, CDU, und von Anne-Marie Keding, CDU)

Und noch ein Schatz liegt in Gatersleben, nämlich der Großteil einer Genbank für Kulturpflanzen. Sie zählt sowohl aufgrund ihrer botanischen Vielfalt als auch aufgrund des Sammlungsumfanges zu den weltweit größten Sammlungen. Diesen Schatz müssen wir in Kombination mit neuen Züchtungsmethoden und KI zu unser aller Wohl nutzen. Gatersleben zeigt, die Zukunft der Landwirtschaft liegt in der Hochtechnologie und nicht in Bullerbü. 

(Beifall bei der AfD - Zustimmung von Olaf Feuerborn, CDU, und von Anne-Marie Keding, CDU)

Deshalb gilt es, die anwendungsorientierte Forschung mit allen Mitteln zu unterstützen, damit wir unsere Ernährungssicherheit nicht aufs Spiel setzen und gleichzeitig Umwelt- und Artenschutz in der Kulturlandschaft verbessern. 

Minister Willingmann danke ich an dieser Stelle herzlich dafür, dass er das auch so sieht und bei seiner Freude über die steigende Forschungsförderung durch die EU die Bioökonomie und die KI als im Fokus stehende Bereiche für Sachsen-Anhalt explizit nennt. - Ich danke herzlich für die Aufmerksamkeit.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ich danke Ihnen auch. Es gibt, wenn Sie wollen, noch eine Nachfrage von Frau Frederking.


Kathrin Tarricone (FDP): 

Gerne.


Dorothea Frederking (GRÜNE): 

Sie haben insbesondere eine Herausforderung erwähnt, nämlich die Anpassung von Pflanzen an den Klimawandel, und jetzt am Schluss noch einmal ausgeführt, dass man mit der neuen Methode blitzschnell Eigenschaften entwickeln könne. Ich frage Sie, wenn das so blitzschnell geht - ich darf nachher auch noch reden;

(Oh! bei der AfD - Andreas Silbersack, FDP: Oh!)

ich habe mich auch vorbereitet, wie Sie sich vorstellen können  , mir sind solche Pflanzen nicht bekannt, die so blitzschnell entwickelt wurden. Also, nicht nur nicht in Deutschland, sondern auch in anderen Teilen der Welt gibt es diese Pflanzen noch nicht. 

(Guido Kosmehl, FDP: Golden Rice!)


Kathrin Tarricone (FDP): 

Wir hatten vorhin die Diskussion, dass in Fachausschüssen sehr fachlich und sehr smart diskutiert wird und hier im Plenum ein bisschen überspitzt werden muss, damit die Dinge, sagen wir einmal, auch ein Stück weit zum Laufen kommen. Wenn ich sage blitzschnell, dann meine ich ja genau diesen Quantensprung gegenüber diesen elend langen Selektionsvarianten: noch einmal aussähen, wieder bestätigen, ob sie es mitgenommen haben in ihren Genpool. Das meine ich mit blitzschnell. Dahin müssen wir noch kommen. Die Pflanzen hätte ich auch jetzt schon gern. Wir müssen den Weg dahin freimachen.

(Zustimmung bei der FDP)