Wulf Gallert (DIE LINKE):
Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine besondere Situation. Es gibt einen Gesetzentwurf, der den Titel „Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge“ trägt. Wer bringt diesen Gesetzentwurf zur Tariftreue und Sozialstandards ein? - Das macht die FDP. Darüber könnte sich der kundige Politiker wundern. Wenn man sich das Gesetz allerdings ansieht, dann wundert man sich nicht mehr, weil es zu 90 % die Programmatik der FDP enthält. Das ist das eigentliche Problem an diesem Gesetzesentwurf, werte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der LINKEN - Oh! bei der FDP)
Jetzt gucken wir uns die Situation in Sachsen-Anhalt an und stellen uns die Frage: Warum brauchen wir denn unbedingt ein solches Vergabegesetz? In Sachsen-Anhalt haben wir eine Tarifbindung, die in den Jahren 2000 bis 2019 von 63 % auf 45 % gesunken ist. Sachsen-Anhalt ist eines der Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland mit der geringsten Tarifbindung. Vier Fünftel aller Betriebe in Sachsen-Anhalt sind nicht tarifgebunden.
Wer sich übrigens für die ökonomischen Auswirkungen interessiert und nicht nur für die Frage der Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der darf bei Prof. R. nachschauen. Dies ist übrigens einer der Gründe, warum wir bei der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes so sehr zurückliegen.
Wenn wir also über ein Vergabegesetz reden, das sich damit auseinandersetzt das legt der Begriff Tariftreue nahe , dann müssten wir es eigentlich mit einem Gesetz zu tun haben, das Betriebe motiviert, in eine Tariftreue hineinzugehen, und nur dafür macht eigentlich diese Krücke Vergabelohn Sinn.
Jetzt gucken wir uns einmal an, was dieser Gesetzentwurf macht. Es spricht von einem Vergabelohn von 13 €, aber sorgt eigentlich dafür, dass der Bereich, in dem dieser zwingend verlangt wird, deutlich verkleinert wird, erstens indem die Schwellenwerte angehoben werden, die damals, zu Beginn des Jahres 2016, schon die höchsten in der Bundesrepublik Deutschland waren, und zwar jetzt noch einmal deutlich angehoben werden, sodass diese Situation wir haben solche Situationen, dass manchmal die Reinigung von Etagen einzeln ausgeschrieben worden ist, um die Schwellenwerte schon vorher zu unterlaufen noch einmal erleichtert wird. Das heißt, dieser Bereich, für den das Gesetz zutrifft, wird noch einmal radikal verkleinert.
Hinzu kommt nicht nur die Möglichkeit, es im Katastrophenfall auszusetzen, nein, wir haben jetzt einen Gummiparagrafen, in dem es heißt: in Not- und Krisensituationen. Haben wir nicht immer überall eine Krise? Übrigens haben wir gestern den Krisenparagrafen beschlossen,
(Eva von Angern, DIE LINKE: Ja!)
und zwar ausdrücklich für das Sondervermögen. Was soll das jetzt? Der Wirtschaftsminister kann sagen: Ich denke, wir haben gerade eine Krise; wir setzen das Gesetz aus. Dieses Gesetz regelt, dass es nicht gilt. Das ist das Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Der Mindestlohn von 13 € war unser Wahlprogramm und war das Wahlprogramm der SPD. Einige andere haben das zumindest politisch auch gefordert. Ein Mindestlohn von 13 € im Sommer 2021 bedeutet für die Geltung des Gesetzes am Ende oder im Herbst dieses Jahres bei einer Inflationsrate von 7 % 14 €. Deswegen sagen wir ganz deutlich: Wenn dieses Vergabegesetz überhaupt eine wirkliche ökonomische Wirkung haben soll, dann brauchen wir inzwischen ein Vergabelohn von 14 €,
(Beifall bei der LINKEN)
und zwar, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch deshalb, weil wir nehmen wir einmal an, die Ampel Koalition zieht das im Bund wirklich durch ab Oktober 2022 bereits einen gesetzlichen Mindestlohn jenseits der Vergabe von 12 € haben. Dahin gehend kann ich manche sogar verstehen, die sagen: Wollen wir uns all das wegen dieses Unterschieds von 1 € noch leisten? Oder wollen wir im Grunde genommen nicht gleich anschließen?
Wenn wir eine Lenkungswirkung dahin haben, dass Betriebe, die öffentliche Aufträge haben wollen, wirklich die Tarifbindung steigern, die in diesem Land permanent sinkt, dann brauchen wir ein richtiges Druckinstrument. Das sind nicht mehr 13 €, das sind 14 €. Deswegen ist unsere Forderung richtig.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Hövelmann, ja, die Sache mit den sachgrundlosen Befristungen finde ich schön. Aber seien wir doch einmal ehrlich: Was steht denn im § 8? Wenn wir gleichwertige Angebote haben, dann können wir noch einmal in § 4 nachsehen, was alles nett ist, und dann können wir einmal gucken, ob das Nette, das dort steht, noch irgendeine Bedeutung bei der Vergabe hat. Das ist doch die Realität. Lassen Sie uns
(Holger Hövelmann, SPD: Welches Gesetz haben Sie denn gelesen?)
- Das Gesetz, das hier vorliegt. § 8, auf den Sie verwiesen haben, nimmt Bezug auf § 4. Darin steht: Die sachgrundlosen Befristungen müssen begrenzt sein bzw. sind eine Ausnahme.
(Zuruf von Holger Hövelmann, SPD)
- Ja, aber im Grunde genommen völlig unverbindlich. Lassen Sie uns doch einmal über etwas anderes reden. Dann schreiben wir einen Schwellenwert hinein. Wer mehr als 20 % sachgrundlose Befristung unter seinen Arbeitnehmern hat, der fliegt raus. Das wäre ein hartes Kriterium. Dann hätten wir eine Lenkungswirkung.
(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Holger Hövelmann, SPD)
Wir sehen, dieses Gesetz hat extrem viele Mängel. Es ist kein Tariftreuegesetz. Es ist nicht im Interesse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Deswegen muss es deutlich verbessert werden. Wir fordern eine Überweisung in den Sozialausschuss. - Danke, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der LINKEN)