Tagesordnungspunkt 1
Befragung der Landesregierung nach § 45a GO.LT
Heute ist die CDU-Fraktion an der Reihe und kann mit der Befragung beginnen. Bitte.
Michael Scheffler (CDU):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe drei Fragen an die Landesregierung und dort an Minister Sven Schulze. - Herr Minister Schulze, Sie sind zurzeit Vorsitzender der Agrarministerkonferenz. Die erste Sitzung dieser AMK unter Ihrem Vorsitz fand am 1. April 2022 in Magdeburg statt. Dabei spielten unter anderem die Auswirkungen und die Folgen des Krieges in der Ukraine auf die Landwirtschaft eine große Rolle.
Ein wesentlicher Aspekt betrifft dabei den Umgang mit dem Durchführungsbeschluss der EU Kommission, beliebige Kulturen für Nahrungs- und Futtermittelzwecke auf brachliegenden Flächen mit Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu ermöglichen. Von dieser Möglichkeit hat der Bund im Rahmen der Änderung der Direktzahlungen Durchführungsverordnung lediglich mit Blick auf die Nutzung des Aufwuchses zu Futterzwecken Gebrauch gemacht.
Meine Fragen daher: Erstens. Was wurde auf der AMK zu diesem Thema diskutiert und beschlossen? Zweitens. Am 8. April 2022 beschäftigte sich der Bundesrat mit der Direktzahlungen Durchführungsverordnung. Wie hat sich das Land auf den unterschiedlichen Ebenen dazu verhalten? Drittens. Wie viel Hektar Fläche sind durch diese Entscheidungen in Sachsen-Anhalt betroffen. Welchen Beitrag könnten diese leisten? - Vielen Dank.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. - Der Herr Minister wird die Fragen beantworten.
(Minister Sven Schulze geht mit Unterlagen zum Rednerpult - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Drei Blätter, drei Fragen! - Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Er ist gut vorbereitet! - Eva von Angern, DIE LINKE: Nein, kann er ja nicht!)
Sie haben das Wort.
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Vielen Dank. - Lieber Herr Vorsitzender! Guten Morgen! Es gab ein bisschen Erheiterung, aber das ist so, wenn man die Wahl sehr hoch gewinnt, hat man viele Minister.
(Zustimmung bei der CDU - Stefan Gebhardt, DIE LINKE, und Eva von Angern, DIE LINKE: Oh!)
Wenn die Abgeordneten des Landtages wir haben eine Gewaltenteilung Fragen haben,
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Oh!)
dann können diese die vielen CDU-Minister, die SPD-Minister oder die FDP-Minister fragen. Wir haben heute,
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das wäre super! - Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE - Weitere Zurufe von den GRÜNEN und von der CDU)
liebe Kollegen von den GRÜNEN, ein sehr spannendes Thema. Ich bin sehr dankbar für die Frage.
(Eva von Angern, DIE LINKE, und Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Das war Ihre Fraktion! - Olaf Meister, GRÜNE, und Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das war die CDU!)
Ihr habt einen Anlass, dabei einmal genau zu zuhören,
(Lachen bei den GRÜNEN - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das können Sie uns überlassen!)
weil das ein Thema ist, das euch sehr intensiv betrifft.
(Frank Bommersbach, CDU: Da können Sie ja noch etwas lernen! - Lachen bei der CDU - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Es hat nicht irgendjemand diese Frage gestellt. Es ist immerhin ich denke, da solltet ihr euch einmal ernst nehmen der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses, der eine gewisse Neutralität hat und der, denke ich, im Namen aller im Ausschuss tätigen
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Der hat als CDU-Fraktionsmitglied gefragt!)
Abgeordneten diese Frage gestellt hat. Ich denke, wenn man sich die Berichterstattung anschaut, wenn man sich anschaut, was in den letzten Wochen im Ausschuss diskutiert wurde
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das ist aber noch nicht die Antwort, nee?)
- Nein. Das ist noch nicht die Antwort. Die wird gleich kommen. Die wird sehr ausführlich sein, weil sie wichtig ist.
(Guido Kosmehl, FDP: Frau Lüddemann, haben Sie wieder Handball gespielt oder was? - Lachen bei der CDU - Zustimmung von Frank Bommersbach, CDU)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Ich denke, Sie sollten sich ein bisschen mehr konzentrieren.
(Minister Sven Schulze: Genau!)
Mir geht es jedenfalls so. Im Moment haben wir eine schlechte Akustik oder die Zurufe sind zu viel.
(Zuruf: Sind zu viel!)
- Okay, dann konzentriert euch einmal. Wir fangen gerade erst an.
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Wir haben diese Frage zu diskutieren und dieses Thema zu diskutieren aufgrund der Ereignisse, die in der Ukraine passieren. Wir haben die Ereignisse in der Ukraine jeden Tag vor Augen. Wir sehen, welche Bilder dort entstehen. Wir sehen die schlimmen Ereignisse, die schlimmen Bilder von dort. Aber wir haben im Land Sachsen-Anhalt auch die Aufgabe, darüber zu diskutieren, welche Folgen es in den nächsten Wochen, Monaten, vielleicht auch in den nächsten Jahren aufgrund dieses Angriffskrieges geben wird.
Ein Thema, welches die Landwirtschaft betrifft, ist die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Das betrifft die Landwirtschaft in Europa, in Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt. Wir haben heute und morgen noch ähnliche Themen auf der Tagesordnung. Zu diesen werde ich an der Stelle, an der ich zuständig bin, sprechen. Heute geht es im Wesentlichen darum: Was haben wir dazu auf der Agrarministerkonferenz, deren Vorsitzender ich in diesem Jahr bin, diskutiert?
Die Agrarministerkonferenz hat vor einigen Wochen in Magdeburg stattgefunden. Im Anschluss an die Agrarministerkonferenz gab es zu einem sehr intensiv diskutierten Tagesordnungspunkt noch eine Debatte und eine Abstimmung im Deutschen Bundesrat, sodass wir als Land Sachsen-Anhalt, als Landesregierung, über die Agrarministerkonferenz hinaus noch einmal intensiv damit befasst waren.
Es ging, um es einmal zusammenzufassen, um das Thema: Wie können wir gewisse Flächen nutzen aufgrund der Regelungen, die die Europäische Union erlassen hat, um einen Beitrag zur Nahrungsmittelsicherheit zu leisten? Diese Diskussion wird im Moment täglich geführt, zumindest unter den Fachleuten. Aber auch in den Medien wird sehr häufig die Frage gestellt: Können wir die 4 % bis 5 % der Fläche in Deutschland, in Europa, die nicht genutzt wird, um Nahrungsmittel zu produzieren, sondern die als Brachfläche genutzt wird wie wir alle auf europäischer Ebene gemeinschaftlich vereinbart haben und wie es Deutschland umsetzt , nutzen, zumindest für eine gewisse Zeit, um entsprechend Nahrungsmittel anzubauen?
Das ist normalerweise nicht möglich, weil es dazu Vorgaben aus Brüssel gibt. Wenn die Ebene, das ist Brüssel, uns, der Bundesrepublik, das erlaubt, dann ist es möglich, zumindest dann, wenn die Bundesregierung dieses auf der Ebene in Deutschland umsetzt. Das ist, wie Sie alle wissen, so eins zu eins nicht passiert. Darauf werde ich etwas später noch einmal im Detail eingehen.
Ich will einmal, damit wir wirklich wissen, worüber wir diskutieren, ein paar Fakten nennen, ein bisschen den Hintergrund erläutern. Die gemeinsame europäische Agrarpolitik wird sich ab dem Jahr 2023 etwas ändern. Wir haben die Förderperiode von 2015 bis 2022 gehabt, wo wir im Wesentlichen über die Stilllegungs- und Brachflächen geredet haben. Das sind in Sachsen-Anhalt um die 20 000 ha, 25 000 ha. Es kommt ein bisschen darauf an, wie man das genau sieht, weil es noch Pufferflächen, Waldrandstreifen usw. gibt. Aber reden wir einmal so über round about 20 000 ha.
Wenn wir bei dieser besagten Fläche sind, dann hat die EU uns die Möglichkeit gegeben - mit „uns“ meine ich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, damit auch Deutschland, auch Sachsen-Anhalt , diese Flächen in diesem Jahr ausnahmsweise nicht nur für Futtermittel zu nutzen, sondern theoretisch auch so war die Idee aus Brüssel zur Produktion von Nahrungsmitteln zu nutzen.
Alle, die sich mit dem Thema auskennen, wissen, das ist aufgrund der Entscheidung, die erst vor einigen Wochen getroffen wurde, relativ spät, aber man hätte noch das eine oder andere machen können, wenn man das wirklich gewollt hätte.
Jetzt zu dem, was die Bundesregierung, was Cem Özdemir, der zuständige Fachminister, zulässt. Er lässt eigentlich nichts anderes zu als das, was in den vergangenen Jahren schon möglich gewesen wäre. Er sagt, wir können diese Flächen für Futtermittel nutzen. Das heißt, dass das, was dort wächst, Gras und andere Dinge, genutzt werden kann. Das war in der Vergangenheit nicht möglich. Jetzt kann man die nutzen, um Futtermittel zu produzieren. Er lässt es nicht zu das ist das, was uns auf der Agrarministerkonferenz, um auf Frage 1 zurückzukommen, sehr beschäftigt hat -, dass man diese Flächen zur Produktion von Nahrungsmitteln, bspw. Getreide, nutzen kann.
Jetzt kann man sagen, okay, das ist in diesem Jahr vielleicht auch etwas spät. Man hätte noch etwas machen können, aber es ist relativ spät. Aber warum ist diese Debatte so wichtig? Weil wir in der nächsten Woche die Debatte bekommen werden, was wir im Jahr 2023 machen werden. im Jahr 2023 gilt die neue gemeinsame europäische Agrarpolitik. Da reden wir von einer etwas anderen Fläche. Dann geht es um 4 % der Ackerfläche, die die Bauern nicht bewirtschaften dürfen. 4 % - das betrifft ca. 39 000 ha in Sachsen-Anhalt. Es ist auch klar: Nicht jeder dieser 39 000 ha wäre geeignet, um Nahrungsmittel zu produzieren. Aber wenn wir das einmal herunterbrechen, wenn es die Hälfte wäre - 20 000 ha -, wäre das schon eine riesengroße Leistung, die wir dazu beitragen können. Genau das war die Diskussion bei der Agrarministerkonferenz.
Ich will es einmal plastisch machen, damit sich jeder vorstellen kann, wie viel Getreide, wie viel Weizen man bspw. dort produzieren könnte, weil immer die Aussage kommt, diese Fläche ist doch so klein und trägt überhaupt nicht dazu bei, aus Sachsen-Anhalt in irgendeiner Form einen Beitrag zu leisten. Wenn ich von 20 000 ha, also gerade einmal von der Hälfte, ausgehe, wenn ich sage, die andere Hälfte ist vielleicht nicht nutzbar oder ich kann sie aufgrund der Fruchtfolge nicht nehmen, nehme ich einmal 20 000 ha. Wir haben im Moment in Sachsen-Anhalt in der Regel pro Hektar eine Ernte von ca. 6, 7, 8 t. Gehen wir einmal davon aus, diese 20 000 ha sind nicht die allerbesten Böden und sagen, wir hätten 5 t. Dann hätten wir bei 20 000 ha 100 000 t Weizen, die wir in Sachsen-Anhalt im nächsten Jahr produzieren könnten, wenn wir das zuließen.
Unter 100 000 t kann man sich vielleicht nicht so richtig etwas vorstellen. 100 000 t sind ungefähr 4 000 Lkw, diese 40-Tonner, die durch die Gegend fahren. Sie haben nicht 40 t Getreide drauf, sondern das Gesamtgewicht sind 40 t. Sie beliefern die Mühlen jeweils mit 25 bis 27 t. 4 000 Lkw! Wer es noch plastischer sehen will: Die Saale-Mühle, unsere größte Mühle hier in Sachsen-Anhalt, würde damit weit mehr als einen Monat komplett ausgelastet sein. Das heißt, wenn man diesen kleinen Beitrag aus Sachsen-Anhalt hochrechnen und sagen würde, wir könnten damit unsere größte Mühle einen ganzen Monat auslasten, wir hätten 4 000 Lkw, 100 000 t, dann kann doch keiner davon sprechen, dass dieser Beitrag aus Sachsen-Anhalt so klein wäre, dass er zu vernachlässigen wäre.
(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)
Genau das hochgerechnet haben wir auf der Agrarministerkonferenz besprochen, und die Agrarministerkonferenz arbeitet so, dass wir immer einstimmige Beschlüsse brauchen und dass immer alle Agrarminister entsprechend einheitlich abstimmen müssen. Wenn das nicht der Fall ist, gibt es Protokollerklärungen.
Jetzt haben wir Agrarminister von der CSU, von der CDU, von der FDP, von der Linkspartei, von der SPD und von den GRÜNEN. Man kann sich überlegen - wer sich vielleicht nicht damit beschäftigt hat , wie das dort diskutiert worden sein könnte. Welche Parteien haben welche Ideen gehabt? Ich sage Ihnen, am Ende des Tages war das Ergebnis, dass man gesagt hat, wir wollen das, was Brüssel uns vorgibt, eins zu eins umsetzen. Alle CDU/CSU-Agrarminister haben gesagt, wir wollen das, die SPD, Herr Backhaus, der Minister, der am längsten im Amt ist, hat gesagt, wir wollen das, auch die Saarländer von der SPD, die FDP aus Rheinland-Pfalz hat gesagt, wir wollen das, und die Linkspartei aus Thüringen mit der zuständigen Ministerin hat gesagt, wir wollen das.
Das waren die Agrarminister auf der Agrarministerkonferenz - das ist die Mehrheit gewesen -, die gesagt haben, Eins-zu-eins-Umsetzung. Der Beitrag Deutschlands zur Ernährungssicherung, auch auf europäischer und weltweiter Ebene, muss sein, dass wir zeitweilig das, was uns Europa an Mitteln zur Verfügung stellt, nutzen - Eins-zu-eins-Umsetzung. Dagegen gestimmt haben alle Agrarminister der GRÜNEN. Das sind die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, das ist Schleswig-Holstein, das ist Brandenburg und das ist Sachsen gewesen. Die haben dagegen gestimmt, wir haben dafür gestimmt - weil die Frage kam, wie das Abstimmungsergebnis war.
Warum war dieses Abstimmungsergebnis so wichtig? Weil es einige Tage später im Bundesrat in Berlin dazu eine Debatte und eine Abstimmung gab. Der Bundesrat - das wissen Sie - setzt sich auch aus Fachausschüssen zusammen. Es gab dazu eine Abstimmung im Agrarausschuss, Landwirtschaftsausschuss, die positiv ausgegangen ist. In der Abstimmung im Umweltausschuss ist dagegen entschieden worden. Im Umweltausschuss ist in dem aktuellen Fall auch die Mehrheit bei den GRÜNEN.
Dann gab es die Abstimmung, wie wir uns zu diesem Änderungsantrag, der in dem Fall vom Bundesland Bayern kam, verhalten. Ich kann Ihnen sagen, Sachsen-Anhalt hat dafür gestimmt. Sachsen-Anhalt hat in der Regierung von CDU, SPD und FDP darüber diskutiert. Ich habe das als zuständiger Fachminister im Kabinett vorgetragen, und wir haben darüber diskutiert. Ich vermute fast, das wäre in der letzten Regierung noch eine ganz schön spannende Debatte gewesen, und vielleicht oder sehr wahrscheinlich hätten wir uns der Stimme enthalten müssen. Auch in dieser Regierung haben wir die Pros und Kontras diskutiert, aber es war uns als Landesregierung wichtig, ein Zeichen zu setzen, dass wir als Land Sachsen-Anhalt bei dieser nicht ganz einfachen Frage ein einheitliches Bild abgeben, dass sowohl CDU, FDP als auch SPD gesagt haben, jawohl, wir stimmen dafür.
Am Ende hat es aber im Bundesrat keine Mehrheit gegeben. Die Bundesländer, im Wesentlichen die, in denen die GRÜNEN an der Regierung beteiligt sind, haben dem, was der Bundesminister Cem Özdemir vorgegeben hat, zugestimmt, dass wir diese Eins-zu-eins-Umsetzung in Deutschland nicht haben.
Jetzt kann man einmal die Frage stellen - okay, das ist die deutsche Haltung -: Wie sieht es auf europäischer Ebene aus? Was sagen die europäischen Nachbarn zu dieser Umsetzung? - Da muss ich sagen, dass alle Länder, für die dieses Thema wichtig war - es sind am Ende 19, die es aufgegriffen haben -, Abstimmungen durchgeführt und das der europäischen Ebene zurückgemeldet haben. Bis auf Deutschland werden das alle Länder entsprechend umsetzen. Da sind Länder dabei wie Österreich mit einer grünen Umweltministerin übrigens. Da sind Länder wie Frankreich dabei mit einem liberalen Macron. Da ist die spanische Regierung dabei, die sozialdemokratisch geführt ist. Das heißt, alle Länder der Europäischen Union, für die das so wichtig ist, haben gesagt: Unser Beitrag muss sein, dass wir das, was Europa zulässt, eins zu eins umsetzen. Diesen Beitrag hätten wir - das sage ich Ihnen ganz ehrlich - gern auch aus Deutschland und aus Sachsen-Anhalt geleistet.
(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)
Wenn ich sage „wir“, dann sage ich das in Vertretung der Bauern in Sachsen-Anhalt, weil die auf mich als zuständigen Minister zugekommen sind und gesagt haben, wir wollen jetzt auch einen Beitrag leisten. Es geht uns nicht darum, vielleicht ein paar Euro mehr zu verdienen oder was auch immer. Das ist nicht das Ziel. Ich habe gerade gesagt, auf diesen Flächen wird man nicht die Riesenerträge ernten. Aber es muss doch klar sein, was in den nächsten Wochen in Europa passiert. Europa wird es sich leisten können, wenn die Preise weiter steigen, die Preise zu zahlen. Wir werden dann darüber diskutieren, wie man das vielleicht in der Bevölkerung abmildert, aber es wird in Europa nicht zu einer akuten Knappheit kommen.
Es gibt aber Länder auf dieser Welt - das sind genau die Länder, um die sich die GRÜNEN in der Regel sehr intensiv kümmern, wie ich das in den letzten Jahren mitbekommen habe -, die extrem von der Kornkammer Europas, von der Ukraine und von Russland, abhängig sind. Sie werden diese Lieferungen nicht bekommen. Dort geht es nicht darum, ob man vielleicht einen höheren Preis zahlt, den sie sich auch nicht leisten können, sondern es geht darum, dass dort die Lieferungen ausbleiben werden; übrigens nicht nur an Weizen. Es gibt auch viele andere Produkte, die dann nicht kommen werden. Das heißt, wir werden dort im Zweifelsfall eine Hungersnot haben. Das wird definitiv der Fall sein können.
Allein diese Gefahr hätte eigentlich dazu beitragen müssen, dass wir Deutschen uns nicht in Europa isolieren und dass wir uns in Sachsen-Anhalt wie in allen anderen Bundesländern überlegen, welchen Beitrag wir leisten können. Wir haben diese Vorlage gegeben. Leider - das muss ich Ihnen sagen, und das gehört auch dazu; da Sie in der neuen Bundesregierung Verantwortung tragen, müssen Sie sich dem auch stellen - hat das der grüne Minister Cem Özdemir verhindert. Das halten wir aus Sachsen-Anhalt heraus für falsch. Deshalb haben wir im Bundesrat entsprechend abgestimmt.
(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)
Für mich ist es wichtig - das sage ich auch ganz offen, Sie kennen meine Herkunft, Mitglied des Europäischen Parlaments , die gemeinsame europäische Agrarpolitik stellt niemand infrage. Es geht nicht darum, das, was wir vereinbart haben, die GAP ab 2023, zu canceln oder zu sagen, machen wir doch so weiter wie bisher. Das ist nicht unser Ziel, sondern unser Ziel war, eine kleine Ausnahme für das Jahr 2022 zu haben und die Ausnahme für 2023 zu diskutieren. Warum sage ich das? Warum ist es so wichtig, jetzt schon an 2023 zu denken? Weil die Bauern ab Sommer wissen müssen, was im Jahr 2023 passiert. - Sie nicken, Frau Frederking, weil Sie die Thematik sehr gut kennen.
Wir müssen den Bauern sagen, wie sie ihre Felder nach der Ernte bearbeiten. Geht es so weiter, wie wir das aus Brüssel vorgegeben haben, oder gibt es wieder eine Ausnahmegenehmigung? Wenn es eine Ausnahmegenehmigung gibt, sagt Deutschland dann wieder „nur für Futtermittel“, oder dürfen wir diesmal vielleicht doch Nahrungsmittel produzieren? Das wird die Frage sein.
(Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)
Deshalb werde ich in den nächsten Wochen - lieber Olaf Meister, Du musst mir schon zugestehen, dass ich das im Namen der Landesregierung einmal ausführe -
(Zurufe von den GRÜNEN)
nach Brüssel reisen, werde dort dieses Thema auch im Namen unserer Bauern vortragen und klar sagen, wir brauchen jetzt aus Brüssel und dann aus Berlin eine klare Aussage, wie es 2023 weitergeht.
Wir werden demnächst etwas machen, was bei meiner Vorgängerin nicht sehr gut angekommen ist oder gar nicht mehr stattgefunden hat. Wir werden wieder ein Verbändegespräch haben. Wir werden es dieses Mal unter das Motto „Europa“ stellen.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Schulze
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Es wird der Vorsitzende des Agrarausschusses von Europa, Norbert Lins, kommen, und wir werden genau diese Themen mit unseren Verbänden und ihm diskutieren, damit wir Planungssicherheit haben. Das ist genau der Punkt, der wichtig ist.
So viel vielleicht erst einmal zu der doch sehr umfangreichen Fragestellung. Es waren drei Fragen, deshalb habe ich mir erlaubt, etwas länger darauf einzugehen. - Vielen Dank.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Gut. Danke. - Jetzt gibt es Nachfragen.
(Unruhe)
Der Minister hat es gerade betont, es waren drei Fragen. Nach Möglichkeit soll die Frage in drei Minuten beantwortet werden. Es war etwas ausführlich. Wir konzentrieren uns an der Stelle wieder und haben die ersten Nachfragen. - Frau Frederking, bitte.
Dorothea Frederking (GRÜNE):
Herr Minister Schulze, mir hat an Ihren Ausführungen gut gefallen, dass Sie rechnen, Überschlagsrechnungen machen und damit zeigen, dass man genau schaut, was wie viel bringt. Das ist echt die richtige Vorgehensweise. Ich finde es auch richtig, dass Sie fordern, Klarheit zu schaffen, wie es 2023 weitergeht. Diese Frage muss beantwortet werden, und das relativ zeitnah.
Meine Frage bezieht sich auf das Fachgespräch, das wir im Ausschuss geführt haben. Dort hatten wir verschiedene Expertinnen und Experten eingeladen. Ökologische Vorrangflächen, Stilllegungsflächen sind wichtig für die Artenvielfalt, wurde dort betont. Es ist also kein Selbstzweck, sondern wichtig für stabile Ökosysteme. Die sind wiederum Voraussetzung für stabile Erträge. Wenn wir die nicht haben, brechen die Erträge ein, Stichwort: Bestäubungsleistung. Man geht davon aus, dass der Schaden größer ist als der Nutzen. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie schon durchgerechnet haben, wie der Beitrag für die menschliche Ernährung geleistet werden kann, wenn Getreide für Futtermittel und für die Energieerzeugung genommen wird.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Minister.
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Ich finde es gut, dass Sie noch einmal auf das Gespräch, das wir im Ausschuss geführt haben, eingegangen sind. Wir hatten mehrere Stunden über dieses Thema diskutiert. Ich bin auch vollkommen bei Ihnen. Ich habe bewusst gesagt, dass ich als Minister - das steht mir auch gar nicht zu - die gemeinsame europäische Agrarpolitik nicht infrage stelle. Dazu gehören auch die ökologischen Vorrangflächen. Es gehören auch die Brachflächen dazu. Aber ich habe - das haben Sie richtig verstanden und wiederholt - für ein Jahr, 2022, bzw. das Thema ist für 2022 erledigt - für das Jahr 2023 gesprochen. Da geht es darum, diese Ausnahme zu genehmigen.
Ich habe bspw. auch den Vertreter des Instituts aus Gatersleben, der dort war, so verstanden, dass es nicht ein riesengroßer Einschlag für das gesamte Thema wäre, wenn wir für ein Jahr noch eine weitere Ausnahme hätten. - Ich habe ihn so verstanden. Wir können es uns gern noch einmal anhören.
Fakt ist, ich habe bei meiner Rechnung das haben auch Sie vernommen sehr weit unten angesetzt. Ich habe die Hälfte der Fläche angesetzt, ich habe den schlechtesten Ertrag angesetzt und bin trotzdem auf einen riesengroßen Beitrag von 100 000 t gekommen. Ich glaube, Frau Frederking Sie sind eine derer, die wirklich sehr tief in der Thematik stecken , Sie können es bestätigen, dass das nicht übertrieben war.
Fakt ist aber auch das muss ich auch einmal ehrlich sagen , dass man jetzt wieder speziell aus Berlin sagt: Wir können das, was die Bauern an Beitrag leisten, um bspw. Biosprit zu erzeugen, von heute auf morgen wieder canceln. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass es auf verschiedenen Ebenen Stimmen aus Berlin gab, die sagten: Die Bauern sind die neuen Scheichs. Es sind diejenigen, die künftig, auf diesem Weg dafür sorgen, dass wir kein Öl oder Gas mehr aus der Erde holen müssen, weil wir über die Flächen entsprechend Biosprit produzieren können. Das gehört auch zur Wahrheit dazu. Man muss sagen, Planungssicherheit bedeutet, dass man auch dazu steht.
Natürlich gibt es gerade eine Diskussion darüber, wie man das, was in Deutschland und Europa angebaut wird, künftig vielleicht anders nutzen kann. Aber das ist eine Sache, die nicht von einem auf das andere Jahr geht. Das kann man wirklich nicht verlangen. Das wäre unlogisch. Es wäre auch nicht wirtschaftlich umsetzbar. Es würde vielen Bauern ein riesengroßes Problem bescheren.
Das, was die europäische Ebene jetzt an Möglichkeiten zur Verfügung gestellt hat das andere Thema , sollten wir schon nutzen. Deswegen war es mir wichtig, darauf hinzuweisen.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. Es gibt eine weitere Nachfrage. - Herr Hauser, bitte. Sie haben das Wort.
Johannes Hauser (FDP):
Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben eindrucksvoll die Zahlen für Sachsen-Anhalt geschildert. Sie sind Vorsitzender der Agrarministerkonferenz für die Bundesrepublik Deutschland. Haben Sie zufällig im Kopf, was das für Deutschland bedeutet? Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Zahlen in etwa schildern könnten. - Danke.
Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):
Ich sage einmal, man kann Zahlen für Deutschland in Gänze nennen. Ich halte mich dabei aus einem Grund immer ein bisschen zurück Herr Hauser, Sie verstehen das, weil auch Sie vom Fach sind : Man muss immer genau gucken: Welche Flächen werden denn in welchem Bundesland genutzt? Es wäre relativ einfach, aber eine falsche Rechnung, wenn man sagt, man hätte überall 7 t, 8 t, die man ernten könnte, also 70 dt, 80 dt. Das ist nicht überall der Fall. Die Flächen sind in Deutschland sehr unterschiedlich. Es ist aber natürlich ein Vielfaches dessen, also nicht nur das Zehnfache, sondern weit mehr, was angenommen wird, was wir an Zahlen für Sachsen-Anhalt gehört haben.
Ich möchte eines betonen; das will ich wirklich noch einmal sagen: Es ist nicht die endgültige Lösung, um am Ende das zu ersetzen, was aus der Ukraine und aus Russland nicht geliefert wird. Aber es ist ein kleiner Beitrag.
Der Agrarausschuss war, ich meine, am vergangenen Donnerstag gemeinsam mit mir auf der Messe in Leipzig. Fast alle Abgeordneten waren dabei. Wir haben uns einen Fachvortrag angehört, bei dem gesagt wurde, dass auch solche kleinen Beiträge am Ende zumindest dafür sorgen, dass die Preise nicht ins Unermessliche steigen, weil es nämlich ein Zeichen dafür ist, dass die Politik erkannt hat, wir müssen auch hierzu etwas beitragen. Es waren Fachleute, die mit Sicherheit nicht aus meiner Partei kommen, die klar gesagt haben: Das wäre eine gute Lösung.
Wenn selbst die Europäischen Union sagt, die sehr grün unterwegs ist mit dem Green Deal, mit Farm to Fork - sie haben wirklich viele Dinge für die Umweltpolitik gemacht , liebe Leute, liebe Bauern, bitte helft uns in Europa, bitte helft uns in Deutschland, bitte helft uns in Sachsen-Anhalt, damit das, was eventuell in Afrika auf uns zukommt, nicht passiert, dann sollte man das auch machen.
Herr Hauser, ich liefere dem Landtag diese Zahlen im Detail nach. Ich werde dazu mit der Berliner Ebene noch einmal Rücksprache halten.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)