Guido Henke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Geehrte Damen und Herren! Als LINKE unterstützen wir natürlich alles, um die Attraktivität des ÖPNV zu stärken. Auch die Passgenauigkeit der eingesetzten Haushaltsmittel zur Aufgabenerfüllung ist regelmäßig zu überprüfen. Wenn das dann zur Qualitätsverbesserung des Verkehrsangebotes bei sozial gerechten Fahrpreisen führt, ist das prima.
Leider ist der Antrag der Koalitionsfraktionen nur gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Der Antrag ist nicht mit Hingabe und Engagement für einen attraktiven ÖPNV gestaltet worden. Da schwingt immer so diese FDP-Denke mit, gute Qualität müsse auch kosten.
Nun mal antragstechnisch einige Anmerkungen. Der Koalitionsvertrag beruft sich auf den ÖPNV-Plan des Landes für den Zeitraum 2020 bis 2030. Darin sind auch solche wohlfeilen Selbstverständlichkeiten wie am Anfang des Antragstextes enthalten. Na ja, und auf eine Gesamtstrategie des Landes, Frau Tarricone, warten wir dann gemeinsam und arbeiten daran.
Die Berichterstattung soll im Fachausschuss im ersten Quartal 2023 erfolgen. Da muss nach meiner Auffassung doch im Haushaltsentwurf dieses Jahres haushalterisch Vorsorge getroffen werden; denn solche Evaluationen werden doch erfahrungsgemäß an externe Kräfte vergeben, weil die Verwaltung selbst dazu nicht in der Lage ist. Aber bei Kapitel 14 03 ist dafür nichts vorgesehen worden, weder bei dem Titel „Gutachten“ noch bei den anderen Titeln, was Zuwendungen an öffentliche Unternehmen sind.
Und nebenbei bemerkt, da ich gerade bei Kapitel 14 03 bin. Dort haben wir zur Finanzierung des Azubi-Tickets einen Aufwuchs bei Titelgruppe 62 von jetzt 12 Millionen € auf 20 Millionen € bis zum Jahr 2026 geplant.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Regionalisierungsmittel!)
- Der Aufwuchs ist geplant worden. Es muss doch auch eine Bedarfsermittlung vorangegangen sein. Die Koalition hat offensichtlich nicht so richtig Vertrauen in ihre eigene Regierung.
Es fehlen auch die Mittelbereitstellungen für Einnahmeausfälle bei den Verkehrsunternehmen. Sollen die kommunalen Kassen einen Modellversuch des Landes finanzieren? Das ist doch abenteuerlich. Und wer darf auswählen? Oder dürfen sich Ausgewählte dem auch entziehen? Das ist nicht geregelt worden.
Drittens. Die Älteren von uns erinnern sich noch daran. Im Jahr 1995 gab es bei der Bahn das Schöne-Wochenende-Ticket, das zu knallvollen Bahnsteigen und Zügen führte. Die EVG warnt vor Chaos. Der Betriebsrat des Unternehmens DB Regio sagt, das sei nicht leistbar. Und wir gehen jetzt sehenden Auges in das 9-€-Ticket für 90 Tage. Auf eine „MZ“-Anfrage hin erklärte die Ministerin, sie halte das alles für machbar. Der Geschäftsführer der NASA GmbH war bei der Beantwortung der Frage deutlich zurückhaltender.
Viertens vermisse ich auch eine Untersuchung zur Würdigung der Leistungen der NASA, zum Beispiel zum Thema E-Ticketing.
Nun kommen wir zum Wiener Modell. Man sagt, dass mehr als 90 % der Haushalte in Wien weniger als 500 m Entfernung zur nächsten Haltestelle haben. Das ist natürlich traumhaft. Aber warum wurde den dieses Gutachten, mit dem wir uns Anfang 2020 im damaligen LEV beschäftigt haben, hier nicht auch mit beigezogen. Das ist doch auch auswertbar. Man verzichtete möglicherweise darauf, weil man ansonsten feststellen würde, dass Liniennetz und Fahrplantaktung in Wien dichter und attraktiver sind, dass dort seit Jahrzehnten kontinuierlich in den Ausbau investiert wurde und dass die hohe Netz- und Taktdichte des öffentlichen Verkehrs zu kurzen und attraktiven Reisezeiten führt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben auch schon über die Finanzierungsmöglichkeiten gesprochen, die diese Studie aufgezeigt hat. Wenn das dann so ist, dann ist es auch verständlich, dass sich der VDV vehement gegen ein solches Ticket wehrt. Ich zitiere mal den Hauptgeschäftsführer: Ein 365-€-Ticket ist purer Populismus, um vielleicht für einen kurzen Moment einen Effekt zu erhaschen und vielleicht populistische Zustimmung zu bekommen.
(Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD)
- Ja. - Was können wir nun tun, um diesen Vorwurf entkräften zu können? Lieber Falko Grube, das geht nur, indem unserem Alternativantrag zugestimmt wird;
(Zustimmung bei der LINKEN - Stefan Gebhardt, DIE LINKE, lacht - Dr. Katja Pähle, SPD: Ja!)
denn wir wollen kein Scheitern dieses Modellversuches. Es ist nämlich unsere große Sorge, dass wir eben das herausfinden, was wir aus Wien schon wissen, und dann plötzlich feststellen, es geht ja nicht. Wir haben es ja versucht. Das darf nicht passieren. Wir wollen ehrlich und tatsächlich ein gutes Ergebnis erreichen und nach Lösungen suchen. Wir werben natürlich für die Annahme unseres Alternativantrages.
Es ist schade - ich habe nur gehört, dass es eine Direktabstimmung geben soll , dass wir uns nicht noch einmal im Ausschuss darüber verständigen. Ich weiß auch nicht, warum wir diese Evaluation nicht auch nach dem Sommer machen können, also nach der 90-Tage-Frist. Ich verstehe nicht, warum dieser große Druck aufgebaut wird; denn hierbei sollte Sorgfalt angebracht sein und die finanziellen Lasten sollten nicht auf die Teilnehmer des Modellversuchs abgewälzt werden. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Zustimmung bei der LINKEN)