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Plenarsitzung

Transkript

Nicole Anger (DIE LINKE):

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verbotspolitik der letzten Jahre, ja gar Jahrzehnte, hat gezeigt, dass diese nicht dazu führt, Menschen vom Konsum von Cannabis abzubringen. Im Gegenteil: Trotz des Verbots stiegen die Zahlen des Konsums stetig an. 

Das Verbot von Cannabis führte nicht dazu, dass nicht konsumiert wird. Im Gegenteil: Der Konsum wird gefährlich für die Menschen, vor allen Dingen für die, die konsumieren. Die Verbotspolitik hat dazu geführt, dass der Schwarzmarkt stetig anwachsen konnte. 

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir kennen die Gefahren des Schwarzmarktes. Oder haben Sie etwa schon einmal was von Gesundheitsschutz oder von Kinder- und Jugendschutz auf dem Schwarzmarkt gehört? Außerdem wurden aufgrund der bisherigen Gesetzeslagen viele Personen kriminalisiert, unter anderem deshalb, weil der THC-Wert auch noch Tage und Wochen im Blut und im Urin nachweisbar ist, obwohl die berauschende Wirkung längt nicht mehr vorhanden ist.

(Zuruf von der CDU: Flashback!)

Dann setzen Verfahren ein. Es folgen Fahrverbote bis hin zu Jobverlusten. 

Meine Damen und Herren! Es ist klar: Der Cannabiskonsum muss bewusst und achtsam erfolgen. Das gelingt nur mit Aufklärung und Prävention. Und das kann gelingen. Die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken markiert im Bereich der Gesundheits- und der Drogenpolitik einen langen ersehnten Bruch mit der althergebrachten Verbotspolitik der Vorgängerregierungen. 

(Zustimmung bei der LINKEN)

Als LINKE begrüßen wir diesen längst überfälligen Schritt, der wegführt von einer Politik der Bevormundung und Drangsalierung und hinführt zu einer gesundheitsschutzorientierten Freigabe von Cannabis an Volljährige. 

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Ach!)

Das im Bundestag im Februar 2024 beschlossene Gesetz ist daher eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage. Dennoch bleibt es hinter unseren Erwartungen an eine echte Legalisierung zurück. Die Bundesregierung versäumt es auch unter Berücksichtigung des hohen gesundheitspolitischen Anspruchs, eine echte Legalisierung von Cannabis auszuschöpfen und eine umfassende Entkriminalisierung zu schaffen.

Eine zu repressive Gesetzgebung birgt das Risiko, dass alte Probleme der Prohibition fortbestehen und gesetzte Ziele verfehlt werden. Aber dennoch: Unverständlich ist es, dass einige Länder nun im Bundesrat noch gegen das Inkrafttreten vorgehen wollen und gar beabsichtigen, das Gesetz zu stoppen. Gerade die CDU fühlt sich in der Opposition im Bund sichtlich unwohl und ist nun bemüht, mithilfe ihrer Landesregierungen den Vermittlungsausschuss anzurufen. Es wird gerade versucht, dafür die Mehrheiten zu organisieren.

Meine Damen und Herren! Da kann man sich ja fast darüber freuen, dass manche SPD-Vertreter*innen, wie auch die Gesundheitsministerin des Landes, nur eine Verschiebung des Inkrafttretens des beschlossenen Gesetzes um sechs Monate fordern. Aber man muss sich ernsthaft fragen, ob diese Verschiebung nicht nur eine andere Form der Verhinderung sein wird. Was bitte sollen denn sechs Monate bewirken? Was soll in sechs Monaten anders sein? - Keine Blockade der CDU etwa mehr, kein Versuch mehr, den Vermittlungsausschuss anzurufen? - Das glaubt doch wahrlich niemand von Ihnen hier im Raum.

Das, was die Ampel in der zurückliegenden Zeit, also in den letzten zweieinviertel Jahren, beim Cannabisgesetz nicht geeint hat, wird sie auch in den nächsten sechs Monaten nicht einen. Da nehmen wir doch lieber den Spatz namens Mary Jane in die Hand und gucken nicht zu, wie die Taube vom Dach fliegt.

Meine Damen und Herren! Das durch den Bundestag beschlossene Gesetz ist ein richtiger Schritt; und das zeigt sich deutlich am Widerstand der Konservativen. So viel Eifer und so einen lauten Aufschrei würde ich mir von Ihnen bei vielen anderen Themen wünschen,

(Zustimmung bei der LINKEN)

und zwar bei Themen wie Alkohol ab 16, betreutes Trinken ab 14, bei der Anzahl der Kinder, die in Sachsen-Anhalt in Armut aufwachen, nämlich jedes vierte Kind, oder auch beim Thema Bundeswehr in der Schule oder gar bei dem aktuell von der Bundesbildungsministerin geforderten Üben für den Krieg in der Schule; denn die Forderung von Stark-Watzinger nach Zivilschutz heißt genau das.

(Guido Kosmehl, FDP: Nee, heißt es nicht, heißt es nicht!)

Das gefährdet das Wohl der Kinder und Jugendlichen. Hierbei müssen Sie endlich einmal ebenso auf der Einhaltung des Kinder- und Jugendschutzes beharren und die Kinderrechte ernst nehmen. Kinder- und Jugendschutz ist nichts, was man mal eben aus der politischen Kiste holt, wenn es einem passt.

Wenn es um Kinder und Jugendliche geht, geht es immer um Prävention und Jugendschutz, egal ob bei Alkohol, Cannabis oder in der Schule. Ihr Agieren, werte Kolleg*innen der CDU, zeigt jedoch deutlich eine Doppelmoral. Und, meine Damen und Herren, die Kritik am Gesetz der Innen- und der Justizminister*innen der Länder,

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)

also auch aus Sachsen-Anhalt, ist an der Stelle selbstgemachtes Leid. Es ist ein Gesetz, welches unnötig repressiv ist, und es ist ein Gesetz, welches einen immensen bürokratischen Aufwand beinhaltet. Dies könnte man alles ausgleichen, ja, wenn es nur gewollt wäre. 

Der Deutsche Hanfverband spricht von bundesweit mehr als 300 000 Strafverfahren gegen Cannabiskonsument*innen, die während der Amtszeit der Ampelregierung eröffnet worden sind. Eine Verschiebung des Inkrafttretens des Gesetzes um ein halbes Jahr würde zu weiteren knapp 90 000 Strafverfahren gegen Komsument*innen führen. Selbst dann, wenn diese Strafverfahren bis Oktober 2024 eingestellt werden sollten, müssen bis dahin trotzdem alle eröffnet werden. Eine Verschiebung klärt also nicht die Aktenlage, im Gegenteil: Es kommen weitere Fälle hinzu. Es sind Fälle, die unnötig kriminalisiert werden und unnötigen Mehraufwand bei der Polizei und bei der Staatsanwaltschaft bedeuten.

Wenn man dies klären wollen würde, dann würden sich Wege finden lassen. Stattdessen werden weiter zahlreiche Strafverfolgungen auf der Agenda stehen. Oder glauben Sie, dass dann, wenn jemand mit 25 g aufgegriffen wird, bei bestimmten Personen nicht weitergesucht wird?

Meine Damen und Herren! Diese schädliche Verbotspolitik muss jetzt endlich beendet werden. Der Kinder- und Jugendschutz wird schon dadurch gestärkt, dass man dem Schwarzmarkt das Handwerk legt. Die Dealer mit dem gestreckten Zeug müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Mit dem Eigenanbau und den Social Clubs wird auch der Zugang beim Dealer zu weitaus gefährlicheren Drogen unterbunden.

Stattdessen greifen die Kolleg*innen der CDU in die Trickkiste, die SPD gerät ins Zögern und FDP und GRÜNE vermögen es nicht, sich klar durchzusetzen. Wenn der Vermittlungsausschuss eingesetzt wird, dann ist das Ergebnis jetzt schon klar. Es wird auf Zeit gespielt. Das Gesetz wird so lange dort liegen bleiben, bis der Bundestag neu gewählt wurde, weil sich die CDU wieder die Regierungsoption ausmalt und dann die Legalisierung von Cannabis gänzlich versenken will. Wenn man keine Mehrheit im Bundestag hat, dann geht man eben den Umweg und setzt sich über die Mehrheit des Bundestages, also über 407 Jastimmen zu 226 Neinstimmen, beim Cannabisgesetz hinweg - und das bei einem Gesetz - das kann ich nur widerholen -, das nicht zustimmungspflichtig ist. Das ist reine Blockadepolitik. Und, Frau Ministerin, genau dieses Sich-darüber-durch-die-Hintertür-hinwegsetzen beschleunigt das rasante Schwinden des Vertrauens in die Politik.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Guido Kosmehl, FDP)

Meine Damen und Herren! Die Zeit ist reif für eine umfassende Liberalisierung anstatt einer bürokratischen Entkriminalisierung. Das aktuelle Cannabisgesetz ist deutlich hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben. Dennoch haben unsere Genoss*innen im Bundestag dem zugestimmt,

(Lachen bei der AfD) 

weil wir es eben für den ersten richtigen Schritt halten. Aber den zweiten Schritt müssen wir dringend gehen. Die hohen Hürden für Social Clubs spielen dem Schwarzmarkt nach wie vor in die Hände und sie öffnen Tür und Tor für Kontrollen. Die Belastung der Polizei wird nicht weniger. Das Gesetz schafft Regeln, die nicht ohne hohen Aufwand umsetzbar sind. Hierbei muss dringend nachgebessert werden. Gesundheits- und Jugendschutz haben für uns Priorität. Die Strafverfolgung gehört daher dort eingesetzt, wo Dealer an Minderjährige verkaufen. 

Wir brauchen flächendeckende Aufklärungs-, Präventions- und Therapieangebote sowie eine Förderung der Forschung zu den gesundheitlichen Folgen von Cannabis, finanziert aus den dafür zweckgebundenen Steuereinnahmen. Eine anständige Prävention schützt Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene, und zwar vor allem vor dem Dreck auf dem Schwarzmarkt; denn der schadet der Gesundheit. Auch hierbei muss dringend nachgebessert werden.

Meine Damen und Herren! Jetzt gilt es, Dampf zu machen und das Gesetz zum 1. April 2024 in Kraft treten zu lassen. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der LINKEN - Oliver Kirchner, AfD: Dampf zu machen! - Lachen bei der AfD) 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Frau Anger, es gibt noch ein Fragebegehren von Herrn Krull. Wollen Sie das zulassen? - Herr Krull, Sie können sich wieder hinsetzen. Sie will es nicht zulassen. Dann sind wir am Ende des Debattenbeitrages angelangt.