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Plenarsitzung

Transkript

Olaf Meister (GRÜNE): 

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Über die Frage der Ausgestaltung der Schuldenbremse bzw. ihrer Sinnhaftigkeit hatten wir erst kürzlich hier im Landtag debattiert. Unsere Position hat sich seitdem nicht verändert.

Es stellt sich zunächst die Frage nach dem Sinn der Schuldenbremse. Die Regelung war nicht als Selbstzweck gedacht. Es waren nicht die bösen Haushälter, die böswillig unterwegs sind. In der Rede des Abg. Gallert ist nicht zu hören gewesen, dass die Fraktion DIE LINKE in Sachsen-Anhalt für die Schuldenbremse gestimmt hat. Deswegen ist sie Teil der Landesverfassung.

(Zuruf von Wulf Gallert, DIE LINKE)

- Doch, so ist es. Damals war eine Zweidrittelmehrheit nötig, insofern möchte ich daran zumindest erinnern.

Es geht bei der Schuldenbremse darum, zukünftige Generationen davor zu schützen, dass es sich die aktuell handelnde Generation, also wir, zu leichtmacht, dass fröhlich konsumiert wird und die Rechnung dann auf die verschoben wird, die sich nicht dazu äußern können, da sie quietschvergnügt durch die Kita tollen.

Die Sorge hinter der Schuldenbremse ist, dass, wenn die herumtobenden Racker erst einmal das passive bzw. aktive Wahlrecht haben, sie verärgert feststellen, dass sie keine Spielräume für eigene Entscheidungen haben, da wir diese Spielräume bereits verbraucht haben.

In der Vergangenheit ist im Rahmen einer Debatte auf eine Frage hin formuliert worden, dass wir in der schlimmsten Zeit 10 % Zinsdienst hatten, somit gingen 10 % des Haushaltes ohne jeglichen Effekt für die Menschen an die Finanzmärkte. Das wurde dann gestoppt. Wenn man das nicht gemacht hätte, dann wäre man jetzt bei ganz anderen Zahlen. Die Niedrigzinsphase hat uns dann geholfen.

Ich hatte darauf hingewiesen, dass wir z. B. die Schulden, die wir im Jahr 1991 aufgenommen haben, inzwischen 1,5 Mal bedient haben, also anderthalb Mal haben wir sie bereits über Zinsen gezahlt und wir haben nicht 1 ct getilgt. Die Schulden sind noch eins zu eins vorhanden. Natürlich sind es nicht mehr die alten Kreditverträge, aber die Summe. Insofern ist das tatsächlich ein Problem, das man ernst nehmen sollte.

Nun ist das aber - darin hat Herr Gallert recht - nur ein Teil des Problems, nur ein Teil der Sichtweise. Selbstverständlich gibt es Aufgaben, die sich der Logik der Finanzierung aus den laufenden Einnahmen entziehen, ja, entziehen müssen. Hierbei handelt es sich um Großinvestitionen. Diesbezüglich hat das Land mit der IPS eine Möglichkeit der Umgehung gefunden. Dies ist bei der Schuldenbremse sicherlich nicht so gedacht gewesen.

Die Schuldenbremse sieht bspw. die Kosten für die Bewältigung von Notlagen vor. Es kann aber eben auch sein, dass dramatische Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft anstehen, deren Gestaltung Aufwendungen erfordern, ohne eine Notlage zu haben, das kann die aktuelle Schuldenbremse nicht hinreichend.

Ich mache es an dem Beispiel Intel deutlich. Staatlicherseits wird ein zweistelliger Milliardenbetrag aufgewendet. Für die aktuelle Generation, für die aktuelle Legislaturperiode ist der Nutzen eher überschaubar. Das ist sehr teuer, das macht ganz viel Arbeit, damit sind ganz schwierige Entscheidungen verbunden. Dass wir das trotzdem tun, ist aber eine strategische Entscheidung mit Blick auf die Zukunft.

Wir gehen davon aus, dass sich der dramatische Umbruch in der weltweiten Wirtschaft mit einer immer schnelleren Digitalisierung in praktisch allen Bereichen so fortsetzt. Wir haben an dieser Stelle einen Strukturwandel. Es ist industriepolitisch schlau, für den eigenen Standort darauf zu reagieren und selbst an der Spitze des Wandels zu stehen, schlau vor allem aus der Sicht der kommenden Generation; denn diese Investitionsentscheidung wird Jahrzehnte prägen.

Die Annahme, man könnte eine derartige Investition einfach so aus den normalen Einnahmen finanzieren, erscheint mir ziemlich fernliegend. Dies vor allem, weil es eben nicht mit dieser einen solitären Investition getan ist, sondern auch andernorts solchen Entscheidungen erforderlich sein können.

Ich bin kein Freund der Subventionierung der privaten Wirtschaft. Dies sollte eigentlich nicht das Ziel sein. Wir stehen allerdings tatsächlich im internationalen Wettbewerb. In den USA und China sind Entscheidungen getroffen worden und es werden bestimmte Dinge gemacht. Wir müssen uns dann fragen, ob wir darauf in irgendeiner Form reagieren können.

Ich sehe die CDU und SPD an und frage, wie lautet denn eigentlich unsere Antwort? Im Zusammenhang mit der Entscheidung zu Meyer Burger - die sind dann eben weg - stellt sich die Frage, ob dies tatsächlich eine schlaue Entscheidung gewesen ist, die wir diesbezüglich getroffen haben.

(Zuruf von Wulf Gallert, DIE LINKE)

Es geht aber aktuell nicht nur um diesen Umbruch hin zur Digitalisierung. Strukturwandel ist allerorten. Die Globalisierung, der demografische Wandel, vor allem aber auch das Erfordernis, zu nachhaltigen Wirtschaftsformen zu kommen, verändern ganz grundsätzlich zum Teil disruptiv unser Leben, unser Wirtschaften, den Bereich Energie - das wurde von Kollegen Gallert angesprochen  , den Verkehr, bspw. in Bezug auf die Veränderungen bei den Antriebstechnologien.

Es passieren in sehr kurzer Zeit große Dinge. Diese Strukturwandel erfordert unsere Reaktionen. Wenn man ihn ignoriert, dann wird man verlieren, vor allem an Wohlstand. Wenn man ihn gestaltet, dann eröffnen sich Chancen.

Die USA haben ein Investitionsprogramm mit einem Umfang von 738 Milliarden € aufgelegt. Damit investieren sie in Batterietechnik, Elektromobilität, Wasserstoff etc. Die Chance des Wandels wird genutzt. Man versucht sich damit an die Spitze einer als Zukunftstechnologie erwarteten Technologie zu setzen. Man kann dieses Programm sehr kritisch sehen, weil viel Protektionismus dabei ist. Ich sehe es auch kritisch. Trotzdem findet es genauso statt.

Die Zielrichtung der Amerikaner ist richtig. Die Frage ist, wie reagieren wir darauf. Nichts zu tun ist, auch wenn es politisch aktuell häufig gefördert wird, industriepolitisch und mit Blick auf die Erhaltung der eigenen Lebensgrundlagen keine sinnvolle Option.

Wie finanzieren wir diese Aufgaben? Kollege Dr. Schmidt ging auf die Situation ein. Die Einnahmenseite muss natürlich die Ausgabeseite widerspiegeln. - An dieser Stelle bin ich total bei Dir. Das ist so. Die Frage ist, ob man ernsthaft annehmen kann, dass ein solcher Wandel aus den normalen Einnahmen einer Jahresschreibe bedient werden kann. Ich meine, an dieser Stelle stoßen wir an Grenzen.

Dürfen wir uns, wenn wir es nicht aus den laufenden Einnahmen finanzieren können, ernsthaft auf den Standpunkt stellen: Dann lassen wir es halt. Wäre das mit der Ursprungsidee, also dem Schutz der zukünftigen Generation, vereinbar? - Ich meine, kaum.

Die aktuelle Verweigerungshaltung gerade bei CDU und FDP, die Schuldenbremse zu reformieren, wird, wenn sie in dieser Form fortgeführt wird, die Lebensgrundlagen der zukünftigen Generationen und die Leistungsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland, Europa bedrohen. 

Was mich besonders ärgert, ist die Inkonsequenz des eigenen Handelns. Minister Richter sagte: Der Spielraum reicht. Wenn wir dann den Haushaltsplan aufstellen, dann haben wir das Corona-Sondervermögen, eine Notlage, und schreiben es fort. Hand aufs Herz: Das hat wenig mit dem Kampf gegen die Pandemie zu tun.

(Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)

Wir haben die IPS als Umgehung. Ich würde den Umgehungstatbestand gar nicht kritisieren, aber sie führt dazu, dass wir weder Transparenz noch die Entscheidung des Parlaments haben, keine Steuerung möglich ist und die Frage der Wirtschaftlichkeit nicht berücksichtigt wird. Ob die IPS tatsächlich die wirtschaftlichste Form ist, kann man sich fragen. Das wird nicht gefragt, weil wir keine andere Chance haben; denn wir müssen es so machen, um die Schuldenbremse zu umgehen.

Hinzu kommt die globale Minderausgabe. In der letzten Diskussion, die wir vor drei Monaten geführt haben, hat der Wirtschaftsminister gesagt, dass er Intel begrüßt. Ich habe ihn gefragt, wie er das aus der Jahresschreibe finanzieren will, also wir es sich das vorstellt. Er war ein großer Kämpfer gegen die Reform der Schuldenbremse. Er blieb diesbezüglich merkwürdig einsilbig. Wenn man sagt, dass man diese Summen im Zusammenhang mit Intel ausgeben will, dann muss man auch sagen, wie man es finanziert. Das sehe ich nicht.

Wir dürfen nicht mit Blick auf die Schuldenbremse von Investitionen absehen, von denen wir meinen, dass sie sich für die nächste Generation auszahlen würden.

(Zuruf von Stefan Ruland, CDU)

In diesem Fall ist es gerechtfertigt und schlicht nötig, auch zukünftige Generationen an der Finanzierung zu beteiligen. Wir dürfen in deren Interesse nicht als notwendig erkannte Maßnahmen unterlassen, weil wir Angst vor der Verschuldung haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn das Unterlassen der Maßnahme mehr kostet als die Verschuldung mit ihrer Zinslast, dann ist es sogar ein Gebot der Wirtschaftlichkeit, exakt diese Maßnahme ggf. eben auch schuldenfinanziert durchzuführen.

(Zuruf von Guido Heuer, CDU)

Wenn das unsere Schuldenbremse tatsächlich nicht abbilden kann, dann müssen wir sie reformieren, und zwar im Bund, aber eben auch im Land. Wir brauchen eine Schuldenbremse, die einerseits nachhaltiges Haushalten sicherstellt, andererseits aber auch die Erfüllung zukünftiger Aufgaben ermöglicht, auch wenn deren wirtschaftliche Erfüllung eine Kreditaufnahme erfordert. Eine solche Ausgestaltung ist möglich und nötig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Überweisung des Antrags der LINKEN stimmen wir zu und auch ansonsten sind wir bei dem Antrag zutraulich. - Ich bin am Ende.