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Plenarsitzung

Transkript

Henriette Quade (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Herr Kosmehl, ich muss sagen, dies war für einen Vertreter einer Bürgerrechts- und Rechtsstaatspartei eine bemerkenswerte Rede   Mann, Mann, Mann.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das war die FDP einmal; das ist sie aber nicht mehr!   Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)

Meine Damen und Herren! Diese Landtagssitzung beginnt in der Antragsberatung wie die letzte Landtagssitzung geendet hat. Erneut müssen wir uns mit extrem rechten, neonazistischen und in diesem Fall auch frauenfeindlichen und gewaltverherrlichenden Nachrichten in Chats von Polizeikräften   genauer Anwärterinnen   in Sachsen-Anhalt auseinandersetzen.

Erneut wurden diese Chats nicht bekannt, weil Polizeikräfte ihre Vorgesetzten informiert haben. Sie haben mitgemacht oder geschwiegen. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass wir es mit einem strukturellen Problem zu tun haben und nicht mit Einzelfällen. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Korpsgeist stärker war als die Verpflichtung der Beteiligten auf die Verfassung. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass wir uns als Mitglieder des Landtags damit auseinandersetzen müssen, was in der Polizei dieses Landes los ist.

Ich möchte feststellen, dass die Reaktion der Ministerin nach allem, was wir jetzt wissen, richtig war und richtig bleibt.

(Beifall bei der LINKEN   Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Wir können als Parlament jedoch nicht dabei stehen bleiben, immer wieder erneut entsetzt zu sein und der Ministerin dafür zu danken, dass sie das Unausweichliche getan hat. Das Parlament hat nicht die Aufgabe der freundlichen Kommentierung des Handelns der Landesregierung, sondern es hat eine eigene Zuständigkeit und Verantwortung.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Ich zitiere aus der Pressemitteilung des Kollegen Erben:

„Wenn sich ein ganzer Klassenverband derartig im Netz bewegt, dann muss das auch in der Realität bemerkt worden sein. Bei einem solchen ungesunden Korpsgeist von zukünftigen Polizistinnen und Polizisten hat auch die Obhutspflicht von Vorgesetzten versagt.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Erben hat recht.

(Beifall bei der LINKEN)

Extrem rechte, neonazistische, frauenfeindliche und gewaltverherrlichende Einstellungen zeigen sich nicht nur in einem Chat und schon gar nicht in einem Chat, der seit Jahren besteht. Wer solche Inhalte mit Kolleginnen und Kollegen teilt, der äußert sich auch so und   schlimmer noch   handelt möglicherweise so.

Deswegen müssen wir das dienstliche Verhalten der betreffenden Anwärterinnen und Anwärter in den Blick nehmen, genauso wie die Frage, warum Vorgesetzte an dieser Stelle versagt haben.

(Beifall bei der LINKEN   Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Nach allem, was wir bisher aus Sachsen-Anhalt, aber auch aus anderen Bundesländern wissen, bspw. durch Ermittlungen und Enthüllungen, durch Presseberichte und Lagebilder, muss uns die Frage beschäftigen, was wir noch nicht wissen, was wir noch nicht sehen, was noch nicht bekannt ist.

Wir müssen die Frage in den Blick nehmen, was den Staatsdienst für Personen mit extrem rechten, demokratiefeindlichen, antisemitischen Einstellungen attraktiv macht und wie wir den Zugang dieser Personen zum Staatsdienst und insbesondere zur Polizei verhindern können. Wir müssen die Kontrolle der Polizei effektiver gestalten. Dazu braucht es einen unabhängigen Beauftragten oder eine unabhängige Beauftragte samt Beschwerdestelle, die tatsächlich unabhängig ist.

Die aktuellen Fälle zeigen zudem, dass wir Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber ermutigen und schützen müssen. Hätte nur eine Person, eine einzige, aus den nun in Rede stehenden Chats ihr Schweigen gebrochen und die richtige Stelle erreicht, hätte das skandalöse Verhalten der Anwärterinnen und Anwärter schon vor Jahren beendet werden können. Nur noch bizarr muten insofern die Ausführungen von Ihnen, Herr Schulenburg, in der letzten Sitzung an.

Absichtsvoll den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern auf infantile Art dadurch lächerlich zu machen, dass man diese Whistleblower als „Flötenbläser“ übersetzt, zeigt nicht nur einen Mangel an Englischkenntnissen, sondern vor allem einen Mangel an Ernsthaftigkeit in der parlamentarischen Debatte.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Schulenburg, es ist ermüdend, das überhaupt fordern zu müssen, und es ist frappierend das fordern zu müssen, aber offensichtlich notwendig: Nehmen Sie den Zustand der Polizei des Landes Sachsen-Anhalt und die zutage getretenen strukturellen Probleme endlich ernst!

Zur Verantwortung dieses Parlaments zählt auch, die Kontrolle der Regierung und Verwaltung seriös zu betreiben. Diese Aufgabe weist die Verfassung dem Parlament zu. Dafür sind wir als Abgeordnete gewählt. Das kann nicht allein im Innenausschuss passieren. Meine Fraktion steht daher dem Vorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu prüfen, offen gegenüber und steht allen demokratischen Fraktionen gesprächsbereit zur Verfügung.

Wir teilen das Anliegen der meisten Punkte in dem vorliegenden Antrag. Lassen Sie mich aber in aller Klarheit eines sagen: Neonazistische Inhalte über Jahre unter Polizeianwärtern zu teilen, ist kein Fehler. Ein Fehler ist es, eine Einsatzsituation nicht richtig zu bewerten oder ein Verhör mit den falschen Fragen zu führen.

Neonazistische, extrem rechte und verfassungsfeindliche Inhalte in der Polizei sind eine Kampfansage an den demokratisch verfassten Rechtsstaat. Als Parlament müssen wir Verantwortung übernehmen, statt sie der Landesregierung zuzuweisen; denn die Menschen in Sachsen-Anhalt müssen sich darauf verlassen können, dass sie bei der Polizei nicht auf Rechtsextreme treffen.   Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN   Zustimmung bei den GRÜNEN)