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Plenarsitzung

Festakt im Plenarsaal des Landtags

Festakt 100 Jahre Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold im Landtag von Sachsen-Anhalt.

Das Gründungsdatum des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold (Bund aktiver Demokraten e. V.) jährte sich am 22. Februar 2024 zum 100. Mal. Aus Anlass dieses Jubiläums fanden im Landtag von Sachsen-Anhalt und auf dem angrenzenden Domplatz Feierlichkeiten statt, zu denen mehr als 250 geladene Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet kamen. Mit den Feierlichkeiten kehrte das Reichsbanner an seine historische Gründungsstätte Magdeburg zurück.

„Was könnte uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern mehr am Herzen liegen als die Verteidigung der Demokratie?“, fragte Landtagspräsident Dr. Gunnar Schellenberger. Magdeburg und das Reichsbanner seien nun seit 100 Jahren untrennbar miteinander verbunden. Es sei als Gegengewicht und überparteiliches Bündnis gegen die Feinde der Demokratie gegründet worden. Doch sein Ziel habe es nicht erfüllen können, sei unter den Nazis ab 1933 sogar verboten worden. „Es ist wieder an der Zeit, dass wir uns zur Republik, zur Demokratie, zu Toleranz und Völkerverständigung bekennen“, sagte Schellenberger. Es brauche aufrechte Demokratinnen und Demokraten, die Recht und Freiheit verteidigten. Die besorgniserregende Entwicklung in unserem Land dürfe nicht hingenommen werden.

Magdeburgs zivilgesellschaftliches Bündnis

Schon vor hundert Jahren hätten sich freiheitsliebende Menschen zur Gründung des Reichsbanners zusammengefunden, und so sei es auch heute, sagte Simone Borris, Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt Magdeburg. Die Stadt stehe heute für Vielseitigkeit und Toleranz, demokratische und europäische Werte würden gelebt und geschützt. Auch stehe Magdeburg noch im Sinne des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold als zivilgesellschaftliches Bündnis zusammen, oft sogar auf dem Domplatz. Man dürfe und müsse stolz sein auf die Werte der Demokratie, die in Deutschland gelebt würden.

„Die Republik, sie lebe hoch! Freiheit!“

64 Reichsbanner-Leute seien noch vor dem Verbot des Verbands ermordet worden, auch deren Kampf und das Opfer dieser Menschen werde bei der heutigen Festveranstaltung gewürdigt, bekannte Dr. Fritz Felgentreu, Bundesvorsitzender des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Die Veranstaltung sei ein stolzes Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit in dieser großartigen Stadt Magdeburg. „Die Werte des Reichsbanners müssen uns heute genauso wichtig sein wie der Weltkriegsgeneration vor hundert Jahren“, sagte Felgentreu. Sie bildeten die Grundlagen unserer Freiheit und Sicherheit. Das sichtbare Symbol dieser Werte seien die Farben Schwarz, Rot und Gold. Das Reichsbanner hatte unter diesen Farben dem aggressiven Nationalismus, dem Antisemitismus und der Unterdrückung von Minderheiten den Kampf angesagt.

Den Rechtsnationalen von heute rufe er zu: „Lassen Sie Ihre Finger von den Farben der Freiheit!“ Wer in Hinterzimmern über die Deportation von Menschen spreche, der habe weit über jede sittliche Grenze hinaus bewiesen, wes Geistes Kind er oder sie sei. „Die Verteidigung von Freiheit und Demokratie hört nie auf“, mahnte Felgentreu. Die Massendemonstrationen der letzten Wochen machten deutlich, wie sehr sich die Menschen im Land mit dem demokratischen Prinzip identifizierten: „Die Republik, sie lebe hoch! Freiheit!“

Festvortrag: Historische Bedeutung des Reichsbanners

Ortsbekannte politische Persönlichkeiten hätten sich am 22. Februar 1924 in Magdeburg versammelt, um eine neue Organisation aus der Taufe zu heben, das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, erinnerte Festredner und Reichsbanner-Experte Prof. Dr. Benjamin Ziemann von der Universität Sheffield. Während der bürgerkriegsähnlichen Zustände in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg hatten sich unter anderem verschiedene sozialdemokratische Selbstschutzverbünde gegründet. Gegen die Idee eines zentralen Wehrverbandes hatte es zunächst Bedenken in der SPD-Führung gegeben, doch neuerliche Putschpläne der Republik-Gegner räumten diese Bedenken aus. Bereits im Spätsommer 1924 habe die Magdeburger Verbandszentrale des Reichsbanners stolz beeindruckende Zahlen vermelden können, so Ziemann. Demnach existierten rund 5 600 Ortsgruppen, die 1,2 Millionen Mitglieder organisierten.

Der Gründungsaufruf des Reichsbanners habe sich gleich einleitend auf die neue Verfassung berufen, die sich das deutsche Volk in Weimar selbst gegeben hatte und die nun den Aufbau des neuen Gemeinwesens begründen sollte. „Seinen sichtbarsten Ausdruck fand der Weimarer Verfassungspatriotismus in der Feier des Verfassungstages“, so Ziemann. Er erinnerte an die Unterzeichnung der Weimarer Verfassung durch Reichspräsident Friedrich Ebert am 11. August 1919. Von 1921 bis 1932 hatte jede Reichsregierung der Weimarer Republik den Verfassungstag gefeiert, obwohl er nie ein nationaler Feiertag geworden war.

„Die Gründung des Reichsbanners stand im Zeichen der Überparteilichkeit. Der Verband brachte Vertreter der SPD, der DDP und des katholischen Zentrums zusammen“, erinnerte Ziemann. Auf der Ebene der Ortsvereine war das Reichsbanner allerdings fest mit der Organisationskultur der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung verbunden, bis zu 90 Prozent der Mitglieder stammten aus den Reihen der SPD. Das Reichsbanner sei aber darum bemüht gewesen, in seinen Führungsgremien die Maxime der Überparteilichkeit klar zum Ausdruck zu bringen.

Wichtig für die Arbeit des Reichsbanners sei die zivilgesellschaftliche Aktivierung seiner Mitglieder gewesen. Diese hätten sich in ihrer karg bemessenen Freizeit – seit 1924 war die Arbeitswoche für die meisten Arbeiter wieder 48 Stunden lang – für die republikanische Sache eingebracht. Zudem engagierte sich das Reichsbanner gegen Antisemitismus in jeglicher Form. Das machte bereits sein Gründungsaufruf deutlich.

Das Reichsbanner war ein rein männlicher Bund republikanischer Kriegsteilnehmer. Die Gründung eines Frauenbunds sei nicht einmal diskutiert worden. „Damit wurde eine große Chance vertan, die Hälfte der Bevölkerung für die Demokratie zu gewinnen“, meinte Ziemann rückblickend.

Die 1919 in Weimar geschaffene Verfassungsordnung sei keine „Republik ohne Republikaner“ gewesen, wie es oft kolportiert werde. „Die schiere Größe und die vielfältigen Aktivitäten des Reichsbanners widerlegen diese These“, betonte Ziemann. „Wenn wir uns heute, im Februar 2024, an die Gründung des Reichsbanners erinnern, dann geschieht das vor dem Hintergrund einer wachsenden Bedrohung der parlamentarischen Demokratie nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in anderen Ländern Europas und darüber hinaus.“ Zugleich halte die Geschichte des Reichsbanners uns heute den Spiegel vor: Trotz seiner eine Million starken Anhängerschaft und trotz seines aktiven Eintretens gegen die nationalsozialistische Bewegung habe das Reichsbanner die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 und alle Folgen nicht verhindern können.

Die Weimarer Republik sei allerdings nicht untergegangen, weil es an engagierten Demokraten gefehlt habe, die Machtergreifung der NSDAP sei vielmehr nur möglich gewesen, weil Teile der politischen Eliten die Zerstörung der Demokratie befördert und weil Kerninstitutionen des Verfassungsstaates, darunter vor allem der Reichstag und die Spitzen der Justiz, durch permanente Regelverstöße blockiert und in ihrer Substanz ausgehöhlt worden seien. „Es ist gerade in der heutigen Situation wichtig daran zu erinnern, dass in der Weimarer Republik Hunderttausende gegen die Bedrohung von Rechtsaußen auf die Straßen gingen“, betonte Ziemann. „Aber die Verteidigung der Demokratie gegen ihre Gegner und Verächter – auch daran gilt es heute zu erinnern – kann nur dann gelingen, wenn die wichtigsten Institutionen des parlamentarischen Staates intakt und voll funktionsfähig sind.“