Hendrik Lange (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Landtag schon oft über die Bedeutung der biologischen Vielfalt, über die Vielfalt der Arten oder kurz Biodiversität gesprochen. Anlass dazu gibt es genug, z. B. Studien zum Schwund der Insektenarten, Arten wie der Rotmilan, für die Sachsen-Anhalt einen besonderen Schutzauftrag hat, oder konkret, wenn es um das Handeln oder leider meist um das Nichthandeln wie bei der Wasserrahmenrichtlinie geht.

Der Anlass ist klar. Der weltweite Artenschwund ist dramatisch und kommt einer sechsten Auslöschung gleich. Der Unterschied zu den vorherigen fünf Auslöschungsereignissen im Erdzeitalter ist, dass die sechste Auslöschung im Wesentlichen von einer Spezies auf der Erde, dem Menschen, verursacht wird. Was der Mensch verursacht, kann er auch beeinflussen. Dazu gehören aber Erkenntnis, das Verstehen von Prozessen und der Wille zum Handeln. An dem feilen wir heute ein bisschen mit.

Meine Damen und Herren! Warum soll Biodiversität eigentlich wichtig sein und warum machen wir das mit diesem Naturschutz eigentlich? - Nun, dafür gibt es mehrere Begründungen. Die einfachste Begründung ist eine moralische. Gläubige Menschen würden sagen: die Bewahrung der Schöpfung. Das ist also eine Begründung aus einer inneren Motivation heraus. Eine andere Begründung ist der Nützlichkeitsaspekt. Wir fühlen uns in einer vielfältigen Naturlandschaft wohl. Herr Aldag hat das beschrieben. Es gibt Menschen, die bestimmte Tier- und Pflanzenarten besonders lieben. Andere hängen an dem einen Baum, der schon in der Kindheit Schatten gespendet hat.

Meine Damen und Herren! Die meisten Menschen wissen oder ahnen zumindest heute jedoch: Das feine Netz der Artenvielfalt, die Interaktion der Natur sichert auch das Überleben der Menschen. Wir wissen heute auch noch nicht, welche Arten uns vielleicht verloren gehen und welche bspw. pharmazeutische Wirkung die eine oder andere verlorengegangene Pflanze haben kann. Darum sind Erkennen und Verstehen so wichtig. Wir können stolz darauf sein, dass wir eines der Bundesländer sind, die das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung tragen; iDiv hat einen international hoch anerkannten Ruf und seine Forschung ist von hoher Bedeutung.

Meine Damen und Herren! Zu diesen Erkenntnissen gehört auch, dass Naturschutz ganz unterschiedlich geprägt sein kann. So brauchen die Organismen in unserer Kulturlandschaft ganz andere Maßnahmen als die, die durch den sogenannten Prozessschutz in der Wildnis gedeihen können. So haben die Kernzonen des Nationalparks Harz, die sich weitgehend unbeeinflusst von Menschen entwickeln können, genauso eine Naturschutzbedeutung wie die offenen Kulturlandschaften mit ihren Trockenrasen und -wiesen.

Meine Damen und Herren! Wir können froh sein, dass sich Menschen in den Vereinen und Verbänden für den Naturschutz engagieren. Sei es das Offenhalten der Trockenrasen durch Beweidung oder Entbuschungsaktionen, die gezielte Mahd Harzer Bergwiesen oder die Betreuung eines Laichgewässers. Diesen engagierten Menschen - das ist heute schon mehrfach gesagt worden - gebührt unser Dank.

Meine Damen und Herren! Wir als Land sollten die Vereine und Verbände als Partner sehen. Die Aufgaben für uns als Staat werden von den Vereinen und Verbänden erledigt und so sollten wir sie auch behandeln. Oft klagen sie über überbordende Bürokratie und das Springen von einem Projekt zum nächsten. Ihre Arbeit im Naturschutz braucht aber Kontinuität, damit der Erfolg von Dauer ist.

Einen solchen großartigen Erfolg möchte ich am Beispiel des Landschaftspflegeverbands Harz darstellen. Der Goldene Scheckenfalter gilt in einigen Gebieten in Deutschland schon als ausgestorben. Diese Schmetterlingsart ist spezialisiert auf den Teufelsabbiss, eine Pflanze auf Magerrasen. Dem Landschaftspflegeverband Harz ist es durch seine Pflege der Magerrasen gelungen, dass Sachsen-Anhalt der EU wieder einen guten Erhaltungszustand der Art melden kann. Das ist ein wunderbares Kompliment der Natur an die Naturschutzbemühungen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Der beste Artenschutz geht ins Leere, wenn die Artenkenntnis der Bevölkerung immer weiter abnimmt. Bereits jetzt klagen Wissenschaftler*innen und Expert*innen über die geringe Anzahl von Menschen, die bei Kartierungsmaßnahmen und Monitoring mithelfen können. Auch in diesem Bereich ist die Demografie gnadenlos und der Nachwuchs gering. Wir haben dazu im Ausschuss bereits debattiert. Meine Fraktion schlägt deswegen ein Programm vor, das gezielt wieder die Artenkenntnis in der Bevölkerung erhöht. Dazu muss frühzeitig das Interesse an Arten und der Natur geschult werden. Das können die Verbände nicht nebenbei leisten. Wir haben dazu einen Änderungsantrag gestellt.

Meine Damen und Herren! Naturschutz sollte Herzenssache sein. Ich würde mich freuen, wenn wir uns alle dafür einsetzen, dass wir weitere Komplimente von der Natur bekommen. - Huch, was ist denn jetzt los?

(Beifall bei der AfD - Bravo! bei der AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Jetzt haben wir es in den Griff bekommen, glaube ich. - Jetzt hat Herr Heuer die Chance, eine Frage zu stellen, wenn Herr Lange sie zulässt.


Guido Heuer (CDU):

Danke, Herr Präsident. - Herr Lange, Sie haben zuletzt gesagt, dass Verbände das nicht leisten können. Ich selbst bin seit fast acht Jahren im Ehrenamt Landesvorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Diese Schutzgemeinschaft betreut seit vielen Jahren 3 000 Schulkinder und führt sie an den Wald heran. Wenn das alle Naturschutzverbände machen würden, dann wären wir auch ein Stück weiter.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Herr Heuer, es geht hier um ein bisschen mehr, als nur an den Wald heranzuführen. Das ist zweifellos eine Arbeit, die nicht nur Ihre Verbände und Ihr Verein machen, sondern es gibt sehr viele Naturschutzverbände, die genau solche Arbeit leisten. Es gibt auch viele Förster, die vor Ort Schulklassen mit in den Wald nehmen und dort ein bisschen über den Wald und die Ökosysteme erzählen. Ich sehe, dass das durchaus passiert.

Ich aber meine, dass wir eine umfassende Schulung in Artenkenntnis brauchen. Dazu können Sie sich die Protokolle des Umweltausschusses ansehen. Dort haben wir diskutiert, dass eine fundierte Artenkenntnis innerhalb der Bevölkerung massiv abnimmt, dass dadurch Kartierungsmaßnahmen, bspw. für Rote-Liste-Kartierungen, nur noch unter großen Schwierigkeiten gelingen können und dass diese Artenkenntnis zukünftig wieder geschult werden muss. Es gibt übrigens auch Überlegungen, wie man einen sogenannten Artenkenntnisführerschein einführen kann.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Lange, das ist mit Sicherheit von hohem Interesse, aber möglicherweise eher ein Gegenstand für die Ausschusssitzung. Ich möchte Sie bitten, jetzt zum Ende zu kommen.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Daher finden wir unseren Änderungsantrag gut.