Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Grimm-Benne nimmt weiterhin an der Integrationsministerkonferenz teil.

(Oliver Kirchner, AfD: Da gehört sie hin!)

Deshalb trage ich ihre Rede hier vor. 

Wieder einmal liegt dem Hohen Haus ein Antrag der AfD vor, der einzeln zu betrachtende Sachverhalte auch bei objektiver Beurteilung in unzulässiger Weise vermischt. Er versucht, zu skandalisieren, und bezieht sich darüber hinaus auf Vorgänge, die in Sachsen-Anhalt nicht stattfanden sowie teilweise Jahre zurückliegen. Das ist ein Vorgehen, was jeder ernsthaften Grundlage entbehrt.

(Zurufe von der AfD)

Der Landtag solle sich zum Recht der Eltern zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder sowie deren Recht auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit bekennen und jeder unangemessenen Konfrontation von Kindern mit Sexualität, insbesondere unter dem sogenannten Deckmantel der frühkindlichen Bildung, entschieden entgegentreten.

Der Landtag muss, auch aus der Sicht der Landesregierung, selbstverständlich nicht dazu aufgefordert werden, die Verfassung einzuhalten.

(Zuruf von der AfD: Doch! - Jan Scharfenort, AfD: Das sehen wir am Haushalt!)

Meine Damen und Herren! Glaubt denn jemand ernsthaft in diesem Raum und in diesem Land, dass eine kindeswohlgefährdende sogenannte Frühsexualisierung staatlich gefördert in den Kitas praktiziert wird? Wieso sollten wir - das Land, das Landesjugendamt und die Jugendämter - so etwas zulassen bzw. sogar noch kontinuierlich fördern?

(Ulrich Siegmund, AfD: Na ja! Selbstperversion!)

Allein wenn man sich diese Frage stellt und die Rechtsgrundlagen der Kinder- und Jugendarbeit kennt, stellt sich dies als absurde und durch nichts zu belegende Diskreditierung aller Akteurinnen und Akteure dar.

(Beifall bei der LINKEN, bei den GRÜNEN - Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Alle für die Jugendhilfe Verantwortlichen sind vielmehr § 1 Abs. 1 des SGB VIII verpflichtet. Demnach hat jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Das wird umgesetzt und nichts anderes. Und ja, ein Bestandteil der Erziehung ist auch Sexualerziehung, zu der die Sexualaufklärung gehört. Und ja, eine altersgemäße Sexualerziehung gehört auch dazu, weil Sexualität auch ein nicht unwichtiger Bestandteil der Identität und der Persönlichkeitsentwicklung eines jeden Menschen ist. Eine altersangemessene kindgerechte Sexualaufklärung dient auch der Prävention von sexuellem Missbrauch. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Wann fängt die an? In welchem Alter?)

Alle, die sich damit näher befasst haben, wissen, dass es große Tätergruppen gibt, die ihren Fokus auf sehr junge Kinder legen. Allein deshalb schon müssen Kinder gestärkt werden, damit sie keine Opfer werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Das geschieht z. B., indem ein Kita-Kind lernt, dass sein Körper etwas Wertvolles ist und ihm gehört, 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

dass ein Kind lernt, dass es selbst entscheiden kann, was es an seinem Körper zulässt, bzw. dass es Grenzen setzt und auch ein Nein sagen kann. Wir dürfen nicht vergessen, dass die meisten Missbrauchsfälle im familiären Umfeld passieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was passiert nun in den Kitas hier im Lande? Lassen Sie mich voranstellen, dass es weder den Vorfall mit Original Play in Sachsen-Anhalt gab, noch hier sogenannte Sexräume eingerichtet worden sind. Im Land Sachsen-Anhalt gibt es für die pädagogische Arbeit zu den genannten Themen seit dem Jahr 2018 einen Medienkoffer für kleinere Kinder in Kindertageseinrichtungen und einen für ältere Kinder im Grundschulalter. 

(Zuruf von der AfD: Ekelhaft!)

Diese Koffer enthalten Kinderbücher, Handreichungen für Fachkräfte, ein Methodenbuch und Spiele zu den Themen Rollenzuschreibung, Geschlechtervielfalt und Familiendiversität. 

(Zuruf von der AfD: Pfui! - Lachen bei den GRÜNEN)

Die bislang sieben Koffer bei mehr als 1 800 Kitas werden ausschließlich an pädagogische Fachkräfte verliehen, denen das Material und die Methodik vorgestellt werden und anhand dessen sie ihre pädagogischen Tätigkeiten aufbauen können. Dabei geht es übrigens nicht um die Vermittlung von unangemessenen und nicht altersgerechten Informationen aus der Erwachsenenperspektive, sondern darum, Kinder und Jugendliche in ihrer individuellen Entwicklung zu unterstützen, Wissen zu vermitteln und kindgerechte Fragen zu beantworten. Insofern, meine sehr geehrten Damen und Herren, gehen der Antrag und die Forderungen an die Landesregierung ins Leere. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)